“Im Vordergrund stand nicht die Information über politische Prozesse, sondern vielmehr die Einflussnahme auf diese”

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Wer in die Geschichte schaut, weiß, wo es hingeht. Geschichte wiederholt sich.” – Mit dieser Bemerkung hat sich der Vorsitzende der Domowina geäußert. Tatsächlich wird dieses Zitat von Mark Twain zugeschrieben, aber deren Ursprung ist unklar: “Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich.” Anschließend denkt er weiter über historische Ereignisse nach und äußert sich zur Zeit des Nationalsozialismus: “Für mich ist klar: So etwas möchte ich nicht erleben.” – Es ist bedauerlich, dass seine Kenntnisse über die Geschichte offenbar lediglich bis zum Jahr 1945 reichen.

„Bereits 1946 kritisch zu den undemokratischen Strukturen der Domowina geäußert hat“

>>Timo Meškank<<

„Ich habe mich als Heranwachsender immer gefragt, warum mein Großvater aus der Garde der alten Patrioten nach 1945 als Lehrer aufs Abstellgleis gestellt wurde. Heute weiß ich, dass er sich bereits 1946 kritisch zu den undemokratischen Strukturen der Domowina geäußert hat. Der Dachverband der Sorben hatte den Auftrag, den Sozialismus in der Lausitz zu propagieren und aktiv die Kollektivierung durchzusetzen. Nach seinem Einspruch galt mein Großvater nicht mehr als staatskonform und wurde schnell isoliert. Diese Stigmatisierung im sozialen Umfeld macht Menschen kaputt.“

„Stigmatisierung im sozialen Umfeld macht Menschen kaputt“

Eine eingehende Auseinandersetzung mit der Rolle der Domowina während der Zeit der DDR bleibt weitgehend unbeachtet, obwohl diese Phase den Sorben erheblichen Schaden zugefügt hat. Die tatsächlich wesentlichere Frage ist: Wie gestaltet sich die Situation in der heutigen Zeit?

Setzen sich staatliche Stellen für eine Verkleinerung des Sorbischen Siedlungsgebiet ein?

>>Recht & Politik<<

“Der Bescheid, der das gesamte Gemeindegebiet, bestehend aus den Gemeindeteilen Alt Zauche und Wußwerk, zum angestammten Siedlungsgebiet der Sorben und Wenden erklärt hatte, sei rechtswidrig, soweit der Gemeindeteil Wußwerk betroffen sei; soweit über den weiteren Gemeindeteil Alt Zauche entschieden wurde, hat der Bescheid hingegen Bestand.”

Der Gemeindeteil Wußwerk gehört nicht mehr zum Sorbischen Siedlungsgebiet

Bei der Verkleinerung des Sorbischen Siedlungsgebiet tut sich die Domowina mit auffälliges Schweigen hervor. Ebenso bei der Schließung des Ludwig-A.-Meyer-Haus, wo einst Verständnis für das sorbische Brauchtum geworben wurde.

“Das Ludwig-A.-Meyer-Haus ist eine kulturelle Einrichtung der Stadt Guben”

>>Deutsches Kulturforum östliches Europa<<

“Das Ludwig-A.-Meyer-Haus ist eine kulturelle Einrichtung der Stadt Guben, die Interesse und Verständnis für das sorbische Brauchtum im Umland der Stadt Guben und für die Traditionen und die Kultur der polnischen Nachbarn wecken will.”

“Interesse und Verständnis für das sorbische Brauchtum im Umland der Stadt Guben”

Der Verlust war für die Bevölkerung von Guben gravierend, da sie die Einrichtung als einen wichtigen Ort für kulturellen Austausch und persönliche Begegnungen betrachteten. Im Jahr 2011 wurde das Gebäude geschlossen. Die Aufzählung weiterer Beispiele könnte mühelos fortgesetzt werden, jedoch ist ein erkennbares Muster vorhanden. Demgegenüber zeigt sich das Engagement der Domowina an einer völlig ungeeigneten Stelle.

Kann ein Verein wirklich für alle Sorben sprechen?

>>Domowina<<

“Die Domowina – Bund Lausitzer Sorben bedankt sich bei der Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in Sachsen, die sich gegen extremistische und populistische Parteien entschieden haben. … Die hohe Anzahl an Stimmen für rechtsextremistische und populistische Parteien stellt eine ernsthafte Herausforderung für unsere demokratische Gesellschaft dar. Als sorbisches Volk und nationale Minderheit in Deutschland – sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg – sind die Sorben von diesen politischen Entwicklungen besonders betroffen. Das Erstarken rechtsextremistischer Kräfte weckt düstere Erinnerungen an die Vergangenheit und bedroht die Werte, auf denen unsere Gesellschaft aufbaut. Die Sorben sehen sich als integraler Bestandteil Deutschlands und der Lausitz und werden sich weiterhin mit aller Kraft für ein friedliches, demokratisches und vielfältiges Sachsen einsetzen. In diesem Sinne hat das Präsidium der Domowina in einer Sondersitzung einstimmig beschlossen, alle demokratischen Kräfte nachdrücklich aufzufordern, eine Landesregierung unter Beteiligung der AfD zu verhindern. “

“Eine Landesregierung unter Beteiligung der AfD zu verhindern”

Nun kann jeder sich über Parteien seine eigene Meinung bilden, dennoch bleibt die Frage bestehen: Wie lässt sich unter diesen Aspekten die Gemeinnützigkeit sowie der gesetzliche Alleinvertretungsanspruch für alle Sorben rechtfertigen? Es wird nicht nur ein klares politisches Bekenntnis abgegeben, sondern sogar noch auf die Regierungsbildung maßgeblich Einfluss genommen. Gleichzeitig gibt es Sorben, die eine völlig andere Auffassung vertreten, was sogar vom Öffentlich-Rechtliche Rundfunk anerkannt werden musste.

“Ja, es gibt Sorben, die mit der AfD sympathisieren und auch für sie kandidiert haben”

>>Staatsfunk “Mitteldeutsche Rundfunk” <<

” Forscherin: “Ja, es gibt Sorben, die mit der AfD sympathisieren und auch für sie kandidiert haben” –

Sie sprechen von Angriffen auf sorbische Jugendliche. Gleichzeitig gibt es AfD-Anhänger unter den Sorben. Wie passt das zusammen?

Ja, es gibt Sorbinnen und Sorben, die mit der AfD sympathisieren und auch für sie kandidiert haben. Die Zuwendung zu einer andere Kulturen diskreditierenden Partei – ich verstehe das nicht. Das macht mich wütend. Ich glaube, viele setzen Hoffnungen in diese Partei, ohne die Konsequenzen mitzudenken. Es ist traurig. Doch wir müssen so ehrlich sein und sagen, ja, so ist es, auch im Sorbischen.”

“Wähler ihr Urteil in einem freien und offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen und fällen können”

Die Domowina stellt bewusst keine Abbildung dieser politischen Strömungen dar, sondern schließt sowohl die sorbische als auch die deutsche Bevölkerung von ihnen aus. Dieses Vorgehen weckt allgemein Erinnerungen an die Zeit der DDR, in der ebenfalls unerwünschte Personen ausgegrenzt wurden. Es bleibt insgesamt fraglich, inwieweit diese Wahlwerbung oder Kampagnen mit dem Status der Gemeinnützigkeit vereinbar sind.

“Campact verliert Status der Gemeinnützigkeit”

>>Süddeutsche Zeitung<<

“Campact verliert Status der Gemeinnützigkeit – Der Schritt war erwartet worden, nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) im Februar dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt hatte. Campact sei überwiegend allgemeinpolitisch tätig gewesen und habe Kampagnen zu Themen durchgeführt, die keinem gemeinnützigen Zweck der Abgabenordnung zugeordnet werden könnten, begründete das Finanzamt demnach seine Entscheidung. “Auch handelt es sich bei den Kampagnen nicht um politische Bildung. Im Vordergrund stand nicht die Information über politische Prozesse, sondern vielmehr die Einflussnahme auf diese”, hieß es im Steuerbescheid für 2016.”

“Im Vordergrund stand nicht die Information über politische Prozesse, sondern vielmehr die Einflussnahme auf diese”

Aus der Perspektive des Rechtsstaats müsste die Domowina ihren Status als gemeinnütziger Verein bereits längst eingebüßt haben. Sie engagiert sich durchaus parteipolitisch, schließt gezielt Personen aus und viele bedeutende sorbische Belange sind ihr schlichtweg unwichtig, solange sie nicht in ihren Vereinsinteressen von Bedeutung sind. Die staatliche Neutralitätspflicht ist schließlich aus gewichtigen Gründen festgeschrieben.

“Demokratische Legitimation im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG vermögen Wahlen und Abstimmungen aber nur zu vermitteln, wenn sie frei sind”

>>Meinungsunfreiheit von Wolfgang Kubicki (Buch) <<

“Im Juni 2020 wies das Bundesverfassungsgericht Bundesinnenminister Horst Seehofer von der CSU in die Schranken. Seehofer hatte auf der Internetpräsenz seines Ministeriums ein Interview veröffentlicht, in dem er hart gegen die AfD austeilte und deren Gebaren unter anderem als »staatszersetzend« bezeichnete. Die Karlsruher Richter kamen in einem lesenswerten Urteil zum Schluss, dass Seehofer seine Neutralitätspflicht verletzt und unzulässig in das Recht der AfD auf chancengleiche Teilnahme am politischen Wettbewerb eingegriffen habe: Demokratische Legitimation im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG vermögen Wahlen und Abstimmungen aber nur zu vermitteln, wenn sie frei sind. Dies setzt nicht nur voraus, dass der Akt der Stimmabgabe frei von Zwang und unzulässigem Druck bleibt, sondern, auch, dass die Wähler­innen und Wähler ihr Urteil in einem freien und offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen und fällen können.”

“Wähler ihr Urteil in einem freien und offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen und fällen können”

Ein weiterer Punkt ist, dass das Verhalten der Domowina der sorbischen Bevölkerung insgesamt erheblich schadet. Infolgedessen werden alle Sorben gewissermaßen als Geiseln der Domowina gehalten und die Sorben insgesamt als eine Art außerparlamentarische parteipolitische Vorfeldorganisation wahrgenommen.