Stromrechnung bezahlen oder Essen kaufen: Warum die Energiewende die Armen besonders hart trifft (1)

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Stromrechnung bezahlen oder Essen kaufen? – Es ist keine philosophische Frage. Tatsächlich müssen bereits 30 Prozent aller Hartz 4-Empfänger hungern. Vergleichbare Zahlen dürften auch für den unübersichtlichen Niedriglohnsektor zutreffen, aber dort werden keine Zahlen erhoben.

Stromrechnung bezahlen oder Essen kaufen?

Die staatlich angeordnete Energiewende trifft auf die sozial Schwachen besonders hart zu schaffen. Die explodierenden Energiekosten werden nur noch zum Teil anerkannt. Dabei ist die Armut mittlerweile gut sichtbar auf vielen öffentlichen Straßen angekommen.

„Ich finde es unwürdig“ – Wenn Menschen im Müll kramen müssen“ 

>>Der Tagesspiegel<<

„Das ganze Jahr über lassen sich Menschen beobachten, die mit zerschlissenen Handwägelchen oder Taschen über der Schulter durch Straßen und Bahnhöfe schleichen. Abfalleimer nach Abfalleimer steuern sie an. Ein geübter Blick, vielleicht ein Aufblitzen der Taschenlampe – und dann am besten nicht nachdenken. Rein mit der Hand, Dönerrest und Nudelbox vergessen und herausfischen, was an Glas oder Plastik zu finden ist. Ein Handgriff für 25 Cent. Man muss manchmal ziemlich tief hineinlangen. Bis zur Schulter. Ich finde es unwürdig, wenn Menschen im Müll kramen müssen, um ein Auskommen zu haben.“

„Handgriff für 25 Cent“ – Zwischen Dönerrest und gebrachten Heroinspritzen

Wobei der „Handgriff für 25 Cent“ erhebliche Gefahren mit sich bringen kann: Besonders Großstädte zeichnen sich durch eine sichtbare Drogenszene aus und auch Spritzen für Heroinsüchtige werden nach Gebrauch – ganz Ordnungsgemäß – im Müll hinein geworfen. Mit solch einer gebrauchten Spritze kann man sich auch ganz leicht Versehentlich selbst stechen.

Prekäre Arbeitsplätze und Hartz IV: Wie die Armut sich ausbreitet

Zwar ist es fraglos würdelos, im Müll nach Flaschen zu suchen. Aber die Betroffenen haben häufig keine andere Möglichkeit sich ein paar Euro so dazu zu verdienen. Denn die sehr weit verbreitetet Armut lässt sich auf ganz konkreten Ursachen zurückführen. Der Arbeitsmarkt bietet immer weniger Berufe mit auskömmlichen Verdiensten an. Überall machen sich prekäre Arbeitsplätze und Hartz IV breit. Das Rentenniveau wurde mittlerweile praktisch komplett auf HartzI-IV-Niveau – sprich Grundsicherung – abgesenkt. Für alle diese Menschen ist der Hartz-IV-Satz verbindlich, obwohl dieser nicht die Lebenshaltungskosten deckt.

„Hartz-IV-Satz deckt Stromkosten nicht ausreichend ab“

>>Verivox<<

„Hartz-IV-Satz deckt Stromkosten nicht ausreichend ab – Strompauschale im Durchschnitt 22 Prozent zu niedrig bemessen … Für Hartz-IV-Empfänger, die Strom aus der Grundversorgung beziehen, ist die Lücke noch deutlich größer. Hier übersteigen die tatsächlichen Stromkosten … den Regelsatz um 38 Prozent.“

„Übersteigen die tatsächlichen Stromkosten – „Den Regelsatz um 38 Prozent“ 

Die Strompauschale war bereits mit der Einführung von Hartz IV zu niedrig angesetzt. Über die Jahre wurde die Lücke offensichtlich nicht geschlossen, sondern sie ist augenscheinlich immer größer geworden. Tatsächlich ziehen sich die Verantwortlichen immer weiter aus ihren gesetzlichen Pflichten zurück.

Bundesverfassungsgericht: „Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“

>>Bundesverfassungsgericht<<

„Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat.“

Bundesverfassungsgericht zu Existenzminimum: „Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden“

Das interessante an diesem Urteil sei: Das Bundesverfassungsgericht leitet seine Entscheidung direkt aus Artikel des Grundgesetzes ab, noch dazu unterliegen diese Artikel der sogenannten Ewigkeitsklausel. Vereinfacht: Durch keine parlamentarische Mehrheit lassen diese Artikel sich ändern. Vermutlich haben die „Väter des Grundgesetzes“ schon damals mit sehr viel Weitblick gehandelt. Jedoch dieses Existenzminimum wird nach Stich und Faden – nicht nur bei den unzureichenden Strompauschalen – unterlaufen.

Pauschale für Heizkosten: „Stützte sich die Behörde auf Berechnungen eines Computerprogramms“

>>n-tv<<

„Hartz-IV-Empfänger können beim Jobcenter eine Übernahme bestimmter Nachforderungen verlangen, insbesondere wenn Kinder im Haushalt leben. Heizkosten müssen beispielsweise stets angemessen berechnet werden – eine Pauschale reicht nicht aus. … Dabei stützte sich die Behörde auf Berechnungen eines Computerprogramms.“

Unzureichende Heizkostenpauschale: „Eine Pauschale reicht nicht aus“

Ebenso die Heizkosten werden an unzureichenden Pauschalen bemessen. Selbst ohne Sanktionen müssen viele Hartz-IV-Empfänger die Nebenkosten für ihre Wohnung aus den dafür nicht vorgesehenen Regelsatz bezahlen. Durch die konsequente Unterdeckung kommen natürlich noch ganz andere Gründe hinzu.

„Fast jeder fünfte Hartz IV-Bezieher muss einen Teil seiner Miete selber aufwenden“

>>Berliner Morgenpost<<

„Fast jeder fünfte Hartz IV-Bezieher muss einen Teil seiner Miete selber aufwenden. Die Wohnkosten sind hier höher als die Unterstützung, die das Jobcenter zahlt. … Linken-Politikerin Katja Kipping teilte dazu mit: „Für Hartz IV-Betroffene ist es ohnehin oft schwer Wohnraum zu finden. Dass sie häufig einen Teil des Regelbedarfes aufwenden müssen, führt zu eklatanter Unterversorgung und gravierender Armutsbetroffenheit.“ Die Regelungen der Kommunen seien unzureichend.“

„Für Hartz IV-Betroffene ist es ohnehin oft schwer Wohnraum zu finden“

Die Kosten für die Unterkunft werden nur teilweise durch die Jobcenter übernommen. Die hierfür vorgesehenen „Mietobergrenzen“ sind häufig zu niedrig angesetzt. Solche Wohnungen stehen meistens nur auf dem Papier zu haben oder setzen eine gute Bonität voraus. Deswegen muss viele Hartz-IV-Bezieher teilweise die Miete selbst bezahlen, schon alleine um nicht in der Obdachlosigkeit zu landen. Die vielfach zu niedrig berechneten Pauschalen an Strom, Miete und Heizkosten summieren sich natürlich im Monat zusammen.

„Vom Munde abgespart“ – „Die zu knapp berechnete Strompauschale an anderer Stelle ausgeglichen“

>>Frankfurter Rundschau<<

„Doch auch das ändert wenig daran, dass die zu knapp berechnete Strompauschale an anderer Stelle ausgeglichen und somit sprichwörtlich vom Munde abgespart werden muss. Ein Zustand, der für viele Empfängerinnen und Empfänger von Hartz IV an die Substanz geht.“

„Für viele Empfängerinnen und Empfänger von Hartz IV an die Substanz geht“

Die unzureichenden Hartz-IV-Regelsätze setzen sich natürlich beim Verdienst – insbesondere im Niedriglohnsektor – fort: Je niedriger diese Sozialleistungen ausfallen, desto geringer sind folglich auch die gezahlten Löhne angesetzt. Die staatlich verordnete Energiewende macht sich für Armen so doppelt bemerkbar: Viele gute bezahlte Arbeitsplätze im energieintensiven produzierenden Gewerbe verschwinden, während gleichzeitig die explodierenden Strompreise besonders für die sozial Schwachen eine erhebliche Belastung darstellen. Im 2. Teil werden die Auswirkungen von hohen Stromkosten auf Unternehmen und deren Beschäftige näher beleuchtet.