„Hass und Hetze“ – Wenn das Wohlstandsgefälle zu Kritik führt
Die schlechten Lebensbedingungen führen zu vermehrter Kritik: Viel davon spiegelt sich im Internet wieder. Auch wenn der Ton manchmal Ungestüm daher kommt: Die Kritik ist dennoch häufig gerechtfertigt und durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Aber das sehen keinesfalls alle so. Denn gegen „Hass und Hetze“ wird vermehrt mobil gemacht.
„Hass und Hetze“ – Wenn schlechten Lebensbedingungen zu Kritik führen
Dabei stellte schon einmal der Begriff „Hetze“ zumindest in einen Teil von Deutschland eine Straftat da. Denn sogar in der DDR war die Meinungsfreiheit – rein formal – geschützt.
DDR-Verfassung: „Alle Bürger haben das Recht, innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze ihre Meinung frei und öffentlich zu äußern“
>>Verfassung der DDR (Artikel 9) <<
„Alle Bürger haben das Recht, innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze ihre Meinung frei und öffentlich zu äußern und sich zu diesem Zweck friedlich und unbewaffnet zu versammeln. Diese Freiheit wird durch kein Dienst- oder Arbeitsverhältnis beschränkt; niemand darf benachteiligt werden, wenn er von diesem Recht Gebrauch macht. Eine Pressezensur findet nicht statt.“
Warum für die Meinungsfreiheit ganz andere Faktoren entscheidend sind
Zwar ist die Formulierung etwas anders gestaltet: Aber etwa sinngemäß gibt der Artikel 9 der DDR-Verfassung die selben Rechte – in Puncto Meinungsfreiheit – wie das Grundgesetz im Artikel 5 wieder. Doch für echte Meinungsfreiheit sind ganz andere Faktoren entscheidend.
„Unter dem Vorwurf der „staatsfeindlichen Hetze“ wurden viele Oppositionelle der DDR verhaftet“
„Staatsfeindliche Hetze (§ 106) – Unter dem Vorwurf der „staatsfeindlichen Hetze“ wurden viele Oppositionelle der DDR verhaftet, insbesondere weil die Formulierungen des Paragraphen so offen gestaltet waren, dass beinahe jede kritische Äußerung unter Bezug auf diesen Artikel geahndet werden konnte. Der Paragraf 106 des Strafgesetzbuchs von 1986 bestraft „staatsfeindliche Hetze“ mit einem Freiheitsentzug zwischen zwei und zehn Jahren.“
„Paragraphen so offen gestaltet – Beinahe jede kritische Äußerung unter Bezug auf diesen Artikel geahndet werden konnte“
Sicherlich ganz bewusst war der DDR-Rechtsbegriff „Staatsfeindliche Hetze“ so offen gestaltet und auch die Strafen fielen hierfür sehr drakonisch aus – Folge: Beinahe jede Kritik wurde bereits im Keim erstickt. Am Ende ist vermutlich die DDR auch daran zu Grunde gegangen. Vereinfacht: Man kann zwar die Kritik an offenkundigen Problemen verbieten, aber dadurch verschwindet eben nur die Kritik daran: Denn die Probleme bleiben weiterhin bestehen.
„Man ist frei die Realität zu ignorieren“
„Man ist frei die Realität zu ignorieren. Man ist frei, seinen Verstand von jedem Fokus zu befreien und jeden Weg blind hinab zu stolpern, den man möchte. Aber man ist nicht frei, den Abgrund zu vermeiden, den zu sehen man sich weigert.“
DDR: Bespitzelung und viele willkürliche Entscheidungen führten zu einer Entfremdung der eignen Bevölkerung
Die ganze Bespitzelung und viele willkürliche Entscheidungen führten letztlich zu einer Entfremdung zwischen DDR-Bürgern und DDR-Staat. Am Ende war praktisch niemand mehr bereit – außer ein paar Funktionäre – für dem Erhalt der DDR einzutreten.
Warum die Bespitzelung und willkürliche Entscheidungen zum Zusammenbruch der DDR führten
Doch Hass, Hetze und sogenannte „Unbestimmte Rechtsbegriffe“ haben erneut wieder Hochkonjunktur. Zwar sind mehrdeutige Klauseln verboten worden, aber das trifft nur auf Allgemeine Geschäftsbedingungen – kurz AGB`s – zu. Hingegen das „Öffentliche Recht“ kann – mehr oder weniger – Schalten und Walten wie es denen gerade gefällt: Wovon auch reichlich Gebrauch gemacht wird.
„Hass und Hetze“
>>Landeskriminalamt Niedersachsen<<
„Gegen Hass und Hetze im Netz! – Gemeint ist hier der Begriff „Hate speech“ (Hassrede) … Strafanzeige erstatten und Webseiten mit „Hatespeech“ bzw. Hassreden an entsprechende Beschwerdestellen melden! „
„Gegen Hass und Hetze im Netz!“
Der Begriff „Hetze“ taucht also erneut wieder in offiziellen Dokumenten auf. Zwar wird explizit aufgefordert gegen Hass und Hetze bei der Polizei eine Strafanzeige zu erstatten, aber was genau Hass, Hetze und Hassreden eigentlich sein sollen: Das wird hingegen nirgendwo wirklich erklärt.
„Strafanzeige erstatten und Webseiten mit „Hatespeech“ bzw. Hassreden an entsprechende Beschwerdestellen melden!“
Eine analoge Entwicklung findet sich unter dem Begriff „Reichsbürger“ statt: Auch da ist die rechtliche Definition derart offen gestaltet, dass beinahe jede Person der Reichsbürgerbewegung zugerechnet werden kann. Dazu reicht es offenbar schon aus – nur darauf hinzuweisen – das Gesetze aus der NS-Zeit noch Gültigkeit haben. Genau das tun zwar auch andere – und zwar noch viel Ausführlicher – aber ausschließlich die Lausitzer Allgemeine Zeitung wird dafür kritisiert.
Warum alles „Hass und Hetze“ sein kann
Mit solch offenen Rechtsbergriffen verabschiedet man sich nicht nur vom Grundgesetz und Meinungsfreiheit, sondern zugleich auch noch vom rechtsstaatlichen Prinzipien.
Unbestimmte Rechtsbegriffe: Der Abschied von der Meinungsfreiheit
Besonders die Bundesregierung tut sich häufig damit hervor – meist im Kanon mit der USA – auf echte oder vermeintliche Menschenrechtsverletzungen – in anderen Ländern – hinzuweisen. Doch Andersherum will man die eigene Kritik dann lieber nicht hören.
„Das Land sollte seine eigenen Defizite aufarbeiten und sich nicht länger in Chinas innere Angelegenheiten einmischen“
>>China Internet Information Center <<
„Beamte der Autonomen Region Xinjiang haben den jüngsten Menschenrechtsbericht der USA kritisiert. Das Land sollte seine eigenen Defizite aufarbeiten und sich nicht länger in Chinas innere Angelegenheiten einmischen, hieß es. … Sprecher der Regierung von Xinjiang, sagte: „Es ist fair zu sagen, dass die USA in der Vergangenheit in Menschenrechtsfragen ziemlich schlecht abgeschnitten haben. Ein Land, das sich aus dem UN-Menschenrechtsrat zurückgezogen hat, hat kein Recht, andere Länder zu kritisieren.“ Das Wohlstandsgefälle in den USA habe sich zunehmend vergrößert. … 43 Prozent der amerikanischen Haushalte kämen nicht über die Runden und müssten Kredite für Wohnen, Essen, Kinderpflege, Arztbesuche, Mobilität und Kommunikation aufnehmen.“
„Die USA in der Vergangenheit in Menschenrechtsfragen ziemlich schlecht abgeschnitten haben“
Ein vergleichbares Wohlstandsgefälle wie in dem USA zeigt sich auch in Deutschland.
“ Wenn Arbeit zu Armut führt“
„Hartz-IV trotz Vollzeitjob: Wenn Arbeit zu Armut führt – Hartz-IV wird häufig als Synonym für Langzeitarbeitslosigkeit gebraucht – ein Riesenfehler. … Der Lohn ist so gering, dass sie zu „Hartzern“ werden.“
„Der Lohn ist so gering, dass sie zu „Hartzern“ werden“
Rein praktisch wandelt sich der Begriff „Hartz IV“ langsam von Synonym für Langzeitarbeitslosigkeit zu Erwerbslosigkeiteit hin: Auch wenn diese Einschätzung nicht alle teilen mögen. Die schlechten Lebensbedingungen bereiten naturgemäß dem Boden zu vermehrter Kritik vor: Die sich dann auch auch im Internet wiederspiegelt. Selbstverständlich ist es leicht, diese als „Hass und Hetze“ zu werten und so Justiziar machen und mit drakonischen Strafen zu verfolgen. Aber dadurch bessern sich nicht die schlechten Lebensbedingungen.