“Totalitarismus ist ein Oberbegriff für alles, was keine Kritik, keine Abweichler und keine individuellen Freiheiten zulässt”
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“Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft” – Es ist der Titel des Buches von Hannah Arendt. Teilweise wird es als das Standardwerk zum Totalitarismus gehandelt. Auf alle Fälle hat die Autorin gewusst, worüber sie schreibt. Immerhin konnte sie die Folgen des NS-Regime am eigenen Leib spüren. Obwohl sich das Wort “Totalitarismus” recht radikal anhört: Das Phänomen kommt meist auf sehr leisen Sohlen daher.
“Wie nackt darf Pressefreiheit sein? – Die Damen spielten im Silchersaal, auf der kleinsten Bühne der Liederhalle. Sie trugen Gitarren und sonst nicht viel mehr. Das alte Oben-Ohne-Foto vom Presseball, das am Freitag in unserer Zeitung zu sehen war, ist 40 Jahre später noch für Aufregung gut: Facebook hat es auf der Seite des Geschichtsprojekts „Stuttgart-Album“ gelöscht.”
“Facebook hat es auf der Seite des Geschichtsprojekts „Stuttgart-Album“ gelöscht”
Die beschriebene Musikgruppe hat sich “The Ladybirds” genannt. Diese Frauen konnten damals einiges an Popularität erlangen und haben es sogar auf dem Presseball geschafft. Heutzutage wäre so ein Auftritt praktisch undenkbar. Bisweilen werden sogar historische Fotos zensiert. Dabei ist der Presseball nicht irgendeine Veranstaltung, dort geben sich Pressevertreter und Vertreter der Politik die Klinke in die Hand und es wird ausgelassen gefeiert.
Presseball: “Ein Hauch von Opernball und Traumschiff”
“Ein OB-Kandidat gewann zehn Eisbecher und der Landrat bekam die Peitsche zu spüren. … Erst ein Hauch von Opernball und Traumschiff und nach Mitternacht wurde der Saal zum „Funhouse”, in dem man die Puppen tanzen ließ.”
“Ein OB-Kandidat gewann zehn Eisbecher und der Landrat bekam die Peitsche zu spüren”
Natürlich treten heutzutage vergleichbare Musikgruppen auf: Aber diese würden es wohl kaum auf einen Landes- oder Bundespresseball schaffen. Und selbst wenn doch, dann würde jedes “Beweisfoto” vermutlich der Zensur zum Opfer fallen. Tatsächlich stellt gerade die Kunstfreiheit ein guter Gradmesser für die Anfänger des Totalitarismus dar: Immerhin handelte es sich um unveränderte Originalfotos des Landespresseballs, die damals problemlos veröffentliche werden konnten. Oder anders: Die Fotos blieben unverändert, aber die umgebenden Umstände haben sich sichtbar geändert. Vergleichbares trifft auf die Kunst der Renaissance zu.
“Diese Kunst ist zu nackt für Facebook – Mit einer PR-Aktion sorgen Wiener Museen für Aufsehen: Weil viele ihrer Inhalte in den sozialen Netzwerken zensiert werden, stellen sie nun einige Aktkunstwerke im Erotikportal “OnlyFans” aus. … Um auf die Zensur aufmerksam zu machen, haben sich mehrere Wiener Museen zu einer ungewöhnlichen Aktion zusammen getan: Sie eröffneten einen Account auf dem Erotikportal “OnlyFans” und laden dort Bilder von bedeutenden Aktkunstwerken hoch. “Vienna Strips On OnlyFans” heißt die Aktion, bei der unter anderem das Kunsthistorische Museum Wien und das Leopold-Museum teilnehmen.”
“Wiener Museen” – “Account auf dem Erotikportal “OnlyFans” und laden dort Bilder von bedeutenden Aktkunstwerken hoch”
Das Kunsthistorische Museum Wien kann sicherlich auf die größten Sammlungen in Österreich zurückgreifen. Nur das Ausstellen mancher Bilder wird zum Problem. Teilweise handelt es sich um Bilder, welche rund 500 Jahre alt sind. Auch hier sind die Gemälde gleich geblieben, nur die umgebenden Umstände haben sich sichtbar geändert. Selbiges Entwicklung lässt sich auch an zeitgenössischen DDR-Fernsehberichten festmachen.
“Lediglich bekleidet mit einem Tonbandgerät fing die „Sendung für Neugierige“ recht harmlos an”
“Es war ein Bild für die Götter: „Außenseiter-Spitzenreiter“-Moderator Hans-Joachim Wolle 1976 im Adamskostüm am Usedomer Strand. Lediglich bekleidet mit einem Tonbandgerät fing die „Sendung für Neugierige“ recht harmlos an. „Haben Sie eigentlich schon Weihnachtsgeschenke gekauft?“, fragte der DDR-Fernseh-Liebling einen Nackten im heißesten Sommer.”
“Haben Sie eigentlich schon Weihnachtsgeschenke gekauft?” – “Fragte der DDR-Fernseh-Liebling einen Nackten im heißesten Sommer”
Natürlich gibt es heutzutage noch FKK-Strände, aber ein moderner Bericht in der heutigen Zeit wäre wohl kaum vorstellbar. Zur damaligen Zeit hat es lediglich gleichgültiges Schulterzucken verursacht. Und genau an dieser Stelle tritt die Frage auf: Wie ist diese Entwicklung im Kontext des Totalitarismus einzuordnen? Immerhin zeichnen sich gewisse Tendenzen ab.
“Praktisch alle totalitären Regime – und dazu werden im Endeffekt zwangsläufig alle kollektivistischen Regierungen”
“Praktisch alle totalitären Regime – und dazu werden im Endeffekt zwangsläufig alle kollektivistischen Regierungen – haben ihren Totalitarismus nicht mit einem großen Knall etabliert, sondern auf geordnete Art und Weise, gemäß den Regeln von Demokratien, die dem gefährlichen Flirt mit der Selbstzerstörung nicht widerstehen konnten, erläutert Naomi Wolf, Tochter eines jüdischen Holocaust-Überlebenden. Der kollektivistische, betreuende Staat hat anfangs nie ein spektakuläres, oder gar offen grausames Gesicht. Manchmal sind die Anfänge nur daran zu erkennen, dass die Leute durchaus unbewusst beginnen, ihre Worte abzuwägen, zum Beispiel im Rahmen einer vorgegebenen »politischen Korrektheit« und der zunehmenden Tabuisierung tatsächlicher Probleme und Fehlentwicklungen.
John Adams schrieb in einem Brief vom 7. Juli 1775:
»Unglücklicherweise ist es, wie die Geschichte immer wieder zeigt, zwar unendlich schwierig, eine freie Gesellschaft zu erhalten, aber umso leichter, sie zu zerstören.«
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“Unendlich schwierig, eine freie Gesellschaft zu erhalten, aber umso leichter, sie zu zerstören”
Die Staatsform könnte man als “Totalitarismus” bezeichnen und bei strenger Betrachtung: Diese lässt sich nicht an einer Ideologie festmachen: Denn schon die Gründungsväter der USA im 18. Jahrhundert haben es erkannt. Damals war vermutlich das Augenmerk mehr auf absolute Monarchien gelegt. Wie auch immer, gewisse Tendenzen sind überall zu beobachten.
Hannah Arendt: “1951 erschien ihr Buch über den Totalitarismus”
“Das erste Werk, das Hannah Arendt in den Vereinigten Staaten verfasste, war ein großer Wurf, der sie mit einem Schlag weltberühmt machte: 1951 erschien ihr Buch über den Totalitarismus. In seinen Stärken und seinen Schwächen ist es symptomatisch für ihre gesamte Lebensarbeit. Schon andere vor ihr hatten totalitäre Systeme analysiert, so etwa Franz Neumann in seinem Buch über das NS-System, das er »Behemoth« nannte. Aber sie fand Worte, die eingängiger waren als die Sprache der Politologie. Und in der Zeit des Kalten Kriegs kam es gut an, dass sie den Nazismus und den Stalinismus zu demselben Phänomen erklärte: Aus dem Niedergang des Nationalstaats erwuchs die moderne Massengesellschaft, in der Einzelne nichts mehr zählen. Und in dem Maße, wie der Einzelne nicht mehr zählt, sondern zum Rädchen im Getriebe wird, kann er auch versklavt werden. Die neue Staatsform, die sich nun herausbildete, basierte darauf, dass die Bevölkerung mit Terror in Furcht und Lähmung gehalten wurde.”
“Einzelne nicht mehr zählt, sondern zum Rädchen im Getriebe wird”
Der Einzelne wird zum bedeutungslosen Rädchen im Getriebe degradiert, während alle wesentlichen Entscheidungen auf das Wohl des Kollektives oder der Masse festgemacht werden. Allerdings bleibt die Direkte Demokratie hierbei außen vor, sondern eine kleine Elite sagt, was für die Masse der Gesellschaft gut sein möge.
“Totalitarismus ist ein Oberbegriff für alles, was keine Kritik, keine Abweichler und keine individuellen Freiheiten zulässt”
“Totalitarismus ist ein Oberbegriff für alles, was keine Kritik, keine Abweichler und keine individuellen Freiheiten zulässt. Faschistische Staaten sind immer totalitär. Totalitarismus greift tief ins Privatleben der Bürgerinnen und Bürger ein. Denn es geht um totale Herrschaft. Am besten bis in die Gedanken jedes Einzelnen hinein. Totalitarismus ist daher meist mit bestimmten Ideologien verbunden.”
Totalitarismus: “Denn es geht um totale Herrschaft”
Diese Analyse oder Definition von Totalitarismus ist nichts hinzufügen: Wenngleich die Ideologien sehr unterschiedlich ausfallen können.
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