Die lange Geschichte der Sorbenfeindlichkeit: „Agitation gegen eine eigenständige Kultur“

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Im Jahre 1883 wurden noch 166.000 aktive Sorbische Sprecher gezählt. Aber bereits zu Zeiten des Nationalsozialismus ist die Zahl der Sorben auf 110.000 zurückgegangen. Schon im Jahr 1956 gaben noch 81.000 Lausitzer ein Bekenntnis zum Sorbischen Volk ab. Im letzten Jahr der DDR war wiederum diese geringe Zahl nochmal auf ungefähr die Hälfte geschrumpft. Anders als landläufig angenommen: Es handelt sich dabei um kein „Naturereignis“ sondern um die aktive Zurückdrängung einer sehr alten Sprache mit einer reichen Kultur.

Sorben  – „Jetzt stirbt die Kultur allmählich aus“

>>ze.tt<<

„1884 gab es auf dem Gebiet des heutigen Sachsens und Brandenburgs noch 166.000 aktive Sprecher. Jetzt stirbt die Kultur allmählich aus.“

„1884 gab es auf dem Gebiet des heutigen Sachsens und Brandenburgs noch 166.000 aktive Sprecher“

Die Zurückdrängung der Sorbischen Sprache blickt auf eine sehr lange Geschichte zurück und ist keineswegs auf die dunkle NS-Zeit beschränkt. Schon während der blutigen Wendenkreuzüge wurden dafür die nötigen Grundlagen gelegt.

Krieg gegen die Wenden: „Wurden die Lusizer von Markgraf Gero (um 900 – 965) in einem blutigen Krieg endgültig besiegt“

>>Heimatverein Döbbrick<<

„In der Zeit der so genannten Wendenkreuzzüge, d.h. als Resultat feudaler Expansion, wurden die Lusizer von Markgraf Gero (um 900 – 965) in einem blutigen Krieg endgültig besiegt, gewaltsam christianisiert und dem deutschen Feudalreich einverleibt. … Bereits 939 hatte Gero eine grausame Bluttat verschuldet: Er lud 30 Wendenfürsten auf seine Burg zu Friedensverhandlungen. Sie kamen arglos und legten ihre Waffen ab. Gero machte sie mit Wein betrunken und ließ sie in der Nacht heimtückisch ermorden, um den Wenden die Führungsschicht zu nehmen.“

„Ließ sie in der Nacht heimtückisch ermorden, um den Wenden die Führungsschicht zu nehmen“

Die Sorbenfeindlichkeit lässt sich also seit mindestens 1.000 Jahre zurückverfolgen. Schon damals fand sich die Führungsschicht im Mittelpunkt des Geschehens wieder: Ein roter Faden der bis in die Neuzeit fortbesteht, auch wenn die Methoden sich im Laufe der Zeit gewandelt haben mögen. Denn im Nationalsozialismus wurden ebenfalls gezielt Intellektuelle ins Konzentrationslager gesteckt und der Rest einer Art von Zwangsgermanisierung unterworfen.

„In alter Tradition: Sorbenfeindlichkeit“

>>haGalil.com – Jüdisches Leben online<<

„In alter Tradition: Sorbenfeindlichkeit – Im Nationalsozialismus wurde versucht die sorbische Minderheit zu „germanisieren“. Sorben mussten ihre traditionellen Namen aufgeben und wurden zum Deutschsprechen verpflichtet. Es wurde versucht aus den Sorben eine Art vergessener Germanen-Stamm zu machen.“

„Es wurde versucht aus den Sorben eine Art vergessener Germanen-Stamm zu machen“

Eine ganze Reihe von Sorben mussten in diversen Konzentrationslagern ihr Leben lassen. Während der NS-Zeit wurden sogar slawische Familiennamen und bisweilen ganze Ortsnamen von der Landkarte getilgt: Obwohl schon zu dieser Zeit viele Namen von Orten bereits weitestgehend eingedeutscht waren. Aber dem NS-Funktionären ging die Umbenennung eben nicht weit genug. Das Sorbische Volk sollte schlicht aufhören zu existieren. Deshalb blieb die Zeit von 1933 bis 1945 keineswegs folgenlos: Im Jahr 1956 gaben noch 81.000 Lausitzer ein Bekenntnis zum Sorbischen Volk ab. Im letzten Jahr der DDR ist die Zahl wiederum auf ungefähr die Hälfte geschrumpft. Aber auch für die DDR-Funktionäre waren die Sorben wenig populär, obwohl sie stets das Gegenteil davon öffentlich propagierte.

„35.000 Blatt Stasi-Akten“ – “ Journalisten, Lehrer und Funktionäre als Inoffizielle Mitarbeiter tätig waren“ 

>>Timo Meškank<<

„Die Auswertung der 35.000 Blatt Stasi-Akten ergab, dass besonders Journalisten, Lehrer und Funktionäre als Inoffizielle Mitarbeiter tätig waren. Sie waren bereits durch ihren Beruf staatsnah. Unter den 134 IMs aus Überzeugung waren besonders viele SED-Mitglieder, anders als im Rest der DDR. Das ist für mich ein Hinweis, dass die Machthaber im traditionellen sorbischen Milieu wenig Anklang gefunden haben. „

„Unter den 134 IMs aus Überzeugung waren besonders viele SED-Mitglieder“

Die umfangreichen Stasi-Akten lassen da kaum Spielräume für Interpretationen offen. In welchen Umfang die Sorbischen Kultur unterwandert wurde: Das macht alleine der Bereich Literatur deutlich.

„Autoren, die von der kulturpolitischen Doktrin der SED abwichen, wurden öffentlich angeprangert“

>>Prager Zeitung<<

„Die Werke der Autoren wurden daran gemessen, inwiefern sie den Zielen der sowjetischen Ideologie des Realen Sozialismus entsprachen. … Der sorbische Funktionär Jurij Krawža empfahl den Autoren eine „ideologische Dressur“. Als vorbildlich galt ein Gedichtband in sorbischer Sprache, der Lyrik zu Jahres- und Gedenktagen sowie anderen Höhepunkten des Lebens umfasste. Autoren, die von der kulturpolitischen Doktrin der SED abwichen, wurden öffentlich angeprangert und aus der sorbischen Öffentlichkeit ausgeschlossen. Die Agitation gegen eine eigenständige Kultur der Minderheit bewirkte, dass die Anzahl der Sorben zunehmend zurückging.“

Sorben: „Agitation gegen eine eigenständige Kultur der Minderheit bewirkte, dass die Anzahl der Sorben zunehmend zurückging“

Sogar nach der Wiedervereinigung fand in dem Sorbischen Institution kein echter Elitewechsel statt. Trotz umfangreicher Stasi-Akten blieben die allermeisten Funktionäre auf ihren amtlichen Stuhl sitzen. Sogar die kritische Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte wurde ausgespart.

„Im Sorbischen hat es nach dem gesellschaftlichen Umbruch 1989/90 – anders als im Rest der DDR – keinen Elitenwechsel gegeben“ 

>>Timo Meškank<<

„Im Sorbischen hat es nach dem gesellschaftlichen Umbruch 1989/90 – anders als im Rest der DDR – keinen Elitenwechsel gegeben. In den meisten sorbischen Institutionen, wie zum Beispiel dem Sorbischen Institut, ist stattdessen eine personelle Kontinuität zu verzeichnen. Diese Personen haben alles getan, um sich nicht mit dem Thema auseinandersetzen zu müssen, getreu dem Motto: Wir haben zwar in der SED-Diktatur gelebt, aber waren kein Teil von ihr.“

„In den meisten sorbischen Institutionen, wie zum Beispiel dem Sorbischen Institut, ist stattdessen eine personelle Kontinuität zu verzeichnen“

Im gewissen Sinne lebt die DDR in vielen offiziellen Sorbischen Instituten weiter. Auch beim Thema Ausgrenzung und Spaltung nimmt die Domowina kein Blatt vor dem Mund, wie so manche offizielle Pressemitteilung recht deutlich belegt. Davon ist nicht mal die Lausitzer Allgemeine Zeitung ausgenommen: Wir werden in Sippenhaft mit Leuten genommen, die wir selbst nicht einmal kennen und man versucht mit geheimdienstlichen Methoden wie der Kontaktschuld gegen uns zu argumentieren. Schließlich distanzieren wir uns auch von keiner Suchmaschine, nur weil dort u. a. fragwürdige Webzeiten angezeigt werden. Zumindest vermittelt es angesichts der einschlägig bekannten Geschichte einen faden Beigeschmack, wenn mit dubiosen Methoden gegen Publikationen argumentiert wird, die sich für Sorbische Interessen aktiv einsetzen. Nichtsdestotrotz fallen in Wirklichkeit die echten Probleme viel Dramatischer aus.

„Sorbische Schulen werden geschlossen, sorbische Lehrer fehlen, sorbische Kirchen, Institutionen, politische Parteien und Ämter finden keinen Nachwuchs“ 

>>Lausitzer Rundschau<<

„Sorbische Schulen werden geschlossen, sorbische Lehrer fehlen, sorbische Kirchen, Institutionen, politische Parteien und Ämter finden keinen Nachwuchs. Die Berichte über die Lage der Sorben schreiben nicht die Sorben, sondern die deutschen Landesregierungen“, sagte Walde. Das Sorbische werde aus Schulen und Ämtern verbannt, die Kultur zur musealen Tourismusattraktion marginalisiert … “

„Das Sorbische werde aus Schulen und Ämtern verbannt, die Kultur zur musealen Tourismusattraktion marginalisiert“

Tatsächlich ist die Lage der Sorben kaum zu beschönigen. Währen offizielle Sorbische Institutionen bei Ausgrenzung und Kontaktschuld kaum zu bremsen sind, fallen hingegen wichtige Sorbische Angeleinheiten meist hinten runter. Knapp 35.000 Menschenbei offiziell 60.000 Sorben – haben eine Petition für dem Erhalt des Sorbisch-Unterrichts unterschrieben und offizielle Sorbische Institutionen tun sich in solchen Fällen vornehmlich durch Schweigen hervor. Kurzum: Die Kluft zwischen Basis und Elite könnte kaum größer sein.