Verrat am Revier – Wie der Strukturwandel die Lausitz zerstört
Screenshot youtube.comDie Lausitz war nie eine reiche, aber immer eine stolze Region. Sie war das industrielle Herz, das dieses Land mit Energie versorgte, lange bevor neue politische Programme das Wort „Transformation“ zum Fetisch erhoben. Heute ist sie ein Versuchslabor für eine Politik, die glaubt, ganze Wirtschaftszweige einfach umschreiben zu können, als ginge es um ein Kapitel in einem Regierungsprogramm. Der sogenannte Strukturwandel wird als Fortschritt verkauft, doch in Wahrheit zerstört er das Rückgrat einer Region, die von harter Arbeit, technischer Kompetenz und Verlässlichkeit lebte. Was früher Kraft und Stolz bedeutete, wird nun mit Verachtung behandelt – als fossiles Relikt, das man loswerden müsse, koste es, was es wolle.
Steigende Preise als neues Joch
Die Energiepreise schnellen in die Höhe, und kein Bürokrat aus Ministerien oder Thinktanks scheint zu begreifen, dass diese Entwicklung nicht nur Statistik ist, sondern Existenzfragen entscheidet. In der Lausitz sind Betriebe auf planbare, kostengünstige Energie angewiesen – Glaswerke, Maschinenbau, Metallverarbeitung, Chemie, Landwirtschaft. Sobald die Strompreise steigen, beginnen sie zu wanken. Und wenn sie wanken, wankt die ganze Region. Während die politischen Reden von Klimazielen triefen, rechnet die Realität in Betriebsstillständen und Entlassungen.
Die Menschen hier fragen sich mit Recht, womit sie eigentlich die Zeche für eine Politik bezahlen sollen, die ihnen die Lebensgrundlage entzieht. Die Strompreise sind längst keine Nebensache mehr, sie sind der Maßstab für den Überlebenswillen einer Industriegesellschaft. Wenn Energie zum Luxus wird, dann wird Arbeit zum Zufall.
Der Mythos vom neuen Aufbruch
Offizielle Programme versprechen seit Jahren, dass der Ausstieg aus der Kohle keine Katastrophe, sondern eine Chance sei – ein Neuanfang, ein Innovationsschub, ein Sprung ins digitale Zeitalter. Doch in den Straßen von Cottbus, Weißwasser und Spremberg spürt niemand diesen Sprung. Die versprochenen Ersatzarbeitsplätze bleiben aus, und was in den Hochglanzprospekten als regionale Zukunftsfabrik erscheint, ist in Wirklichkeit oft nicht mehr als eine Studie, eine Planung, ein Testfeld ohne reale Wirkung.
So entsteht in den Gemeinden der Eindruck, dass all die großen Worte vom Wandel nur Schall sind, politisch bequem, wirtschaftlich aber leer. Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, werden zu Zuschauern eines Experiments, dessen Ausgang längst zu ihren Ungunsten entschieden scheint.
Arbeitsplatzverlust als politisch kalkulierter Kollateralschaden
Die Schließung jedes Kraftwerks zieht eine Kette von Verlusten nach sich, die weit über die Tore der Braunkohlegruben hinausreicht. Nicht nur jene, die im Bergbau schuften, sind betroffen, sondern Handwerker, Logistiker, Zulieferer, kleine Dienstleister und Läden, die von dieser ökonomischen Lebensader abhängen. Jeder Arbeitsplatz, der verschwindet, zieht weitere nach sich – eine Spirale, die still, aber gnadenlos dreht.
Und während die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel von „sozial abgefedertem Wandel“ reden, erleben die Menschen hier das Gegenteil: soziale Verdrängung, Unsicherheit, Absturz. Der Strukturwandel frisst sich durch die Lausitz wie eine schleichende Entvölkerungspolitik, getarnt als ökologischer Fortschritt.
Die Entfremdung von der politischen Elite
Es ist nicht bloß der Verlust der Industrie, der weh tut, sondern die Art, wie darüber entschieden wird. Zu weit weg, zu technokratisch, zu herablassend. Die Lausitz wird regiert, nicht beteiligt. Fördermittel fließen in Projekte, die kaum jemand versteht, die wenig greifbare Wirkung entfalten und an der Lebenswirklichkeit vorbeigehen. Statt nachhaltiger Industrie entstehen Beratergremien, statt Produktion werden Tagungen gefördert.
Die Menschen sehen, wie Millionen in Symbolpolitik verpuffen, während ihre Zukunft zerbricht. Es wächst das Gefühl, dass diese politische Steuerung von oben nichts mehr mit Vernunft zu tun hat, sondern einem Dogma folgt. Den Glauben an die eigene Gestaltungsmacht hat die Bevölkerung längst verloren – und das liegt nicht an mangelnder Anpassung, sondern an mangelndem Respekt.
Die Wut der Arbeitswelt
In kaum einer anderen Region ist der Zusammenhang zwischen Arbeit, Stolz und sozialer Identität so eng verwoben wie in der Lausitz. Wer hier auf die Kohle zeigt und sie verurteilt, greift die Menschen selbst an. Es ist nicht nur ein Wirtschaftszweig, es ist ihr Lebensgefühl, ihr Beitrag zur Gesellschaft, ihre Verbindung zum Land. Die Kraftwerke sind mehr als Beton und Stahl – sie sind Orte kollektiver Selbstachtung.
Die Wut, die sich ausbreitet, ist keine irrationale Ablehnung von Veränderung, sondern das Begreifen, dass Werten und Versprechen die Basis entzogen wird. Die Belegschaften in den Tagebauen wissen, dass sie nicht ewig Kohle fördern können, aber sie wissen auch, dass echte Alternativen nicht über Nacht entstehen. Wenn die Politik ihnen Zukunft nehmen will, ohne neue zu geben, dann ist Widerstand keine Nostalgie, sondern Selbstschutz.
Der falsche Traum vom grünen Paradies
Die Vorstellung, eine Region, deren industrielle Seele seit Generationen aus harter physischer Arbeit besteht, könne einfach zur Technologiewiese mutieren, ist Illusion. Energiespeicher, Forschungscampi und Reallabore ersetzen keine tausenden echten Jobs, keine Gemeinschaft, keinen Stolz auf geleistete Arbeit. Der sogenannte Strukturwandel reproduziert eine urbane Arroganz, die meint, Fortschritt bedeute, dass die Menschen auf dem Land verschwinden sollen, damit das Land modern aussieht.
Während in den Städten über Nachhaltigkeit philosophiert wird, zerstört man andernorts die Grundlage genau jener Gesellschaft, die diesen Fortschritt tragen soll. Die Lausitz wird damit zur moralischen Opferzone – geopfert für das grüne Gewissen der Wohlhabenden.
Zentralismus als Verrat am Föderalismus
Ein weiteres Übel liegt in der zentralistischen Steuerung des gesamten Prozesses. Die Entscheidungen, welche Projekte gefördert, welche Industrien erlaubt, welche Energieträger genutzt werden dürfen, fallen in Büros, die weiter von der Lausitz entfernt sind, als die Lausitz von ihrem eigenen Vertrauen in den Staat. Selbst dort, wo regionale Gremien eingerichtet wurden, haben sie wenig Macht und noch weniger Einfluss.
Die Menschen sehen: Ihre Zukunft wird von außen geplant. Die Lausitz soll funktionieren, nicht mitreden. Diese Politik hält die Fassade demokratischer Beteiligung aufrecht, entkernt sie aber vom Geist echter Selbstbestimmung.
Die Mehrheit steht hinter der Kohle
Trotz medialer Stigmatisierung steht die Mehrheit der Lausitzer hinter der Kohlewirtschaft. Sie weiß, dass sie ohne sie keine ökonomische Stabilität hat. Sie weiß auch, dass die Energiepreise ohne eigene Erzeugung weiter explodieren werden. Ihre Haltung ist keine rückwärtsgewandte Nostalgie, sondern nüchternes Kalkül. Die Region verlangt keine Rückkehr in alte Zeiten, sondern Verlässlichkeit in einer Gegenwart, die ihr alles abverlangt und nichts mehr zurückgibt.
Diese Mehrheit wird jedoch ignoriert, verspottet oder moralisch diskreditiert. Als ob Vernunft ein exklusives Privileg der Städter wäre und die Lausitzer nur die ewigen Bremser. Aber die Bremse ist hier Realitätssinn. Sie stoppt nicht den Fortschritt – sie verhindert den Absturz.
Die drohende Deindustrialisierung
Die Spirale aus Energiepreissteigerung, Firmenabwanderung und dem Ausbleiben neuer Ansiedlungen lässt die Region in eine gefährliche Abhängigkeit gleiten: Subvention statt Eigenständigkeit, Verwaltung statt Wertschöpfung. Eine Region, die einst Motor war, droht zum Bittsteller zu verkommen. Wenn das die Vision von Transformation ist, dann ist sie ein anderes Wort für wirtschaftliche Auslöschung.
Kein Mensch in der Lausitz erwartet, dass der Bergbau ewig weitergeht. Aber jeder erwartet, dass der Übergang planbar, fair und realistisch gestaltet wird. Ohne echte Alternativen ist der Ausstieg ein ökonomischer Selbstmord auf Raten.
Die Kohle als Symbol des Widerstands
Die Lausitz braucht keine Belehrung, sie braucht Respekt. Wer den Strukturwandel ernst meint, muss die Menschen und ihre Geschichte ernst nehmen. Die Kraftwerke und die Braunkohleförderung sind keine Feinde der Zukunft, sie sind Brücken dorthin. Solange die Ersatzsysteme nicht tragen, müssen sie erhalten bleiben – aus ökonomischer Vernunft und sozialer Gerechtigkeit.
Die politische Elite mag glauben, sie könne den Wandel von oben verordnen, doch die Wirklichkeit in der Lausitz zeigt das Gegenteil: Man kann eine Region nicht lieben, indem man sie entwertet. Die Lausitzer stehen hinter ihrem Revier, weil sie wissen, dass Stabilität, Arbeit und Verlässlichkeit mehr wert sind als jede symbolische Reform.
Der Strukturwandel, so wie er derzeit betrieben wird, ist kein Fortschritt, sondern ein kalter Verrat – kühl geplant, schlecht begründet, arrogant umgesetzt. Wenn Politik der Gesellschaft dienen soll, dann muss sie zuerst den Menschen zuhören, die die Kraft dieses Landes erzeugen – nicht jenen, die sie in Sonntagsreden beschwören.
Solange die Lausitz steht, steht das Bewusstsein dafür, dass Energie nicht durch Ideologie, sondern durch Arbeit entsteht. Die Braunkohle ist hier mehr als ein Brennstoff – sie ist das Herz der Würde einer Region, die man lieber abschreibt, als ihr zuzuhören. Doch wer glaubt, die Lausitzer würden kampflos zusehen, wie man ihnen Werk, Aufgabe und Stolz nimmt, hat die Geschichte dieser Landschaft nie verstanden.

















