“Sinnlos verpulvert?” – “Struktur-Milliarden” – “Freizeitbad, Schmalspurbahn und Kitas”
“Mit dem Ziel bundesweit gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, bekämpft die Bundesregierung Strukturschwächen und stärkt die Kommunen dabei den Herausforderungen des demografischen Wandels zu begegnen.” – So das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Allerdings ist der “demografischen Wandel” in der Lausitz kein Form von Naturereignis, sondern hat hauptsächlich mit der Abwanderung zu tun. Da aber das Grundgesetz “gleichwertige Lebensverhältnisse” verbindlich vorgibt, musste man sich im internen Logikkarussell des Kohleausstiegs etwas einfallen lassen.
“Seien dazu zahlreiche Ersatzarbeitsplätze erforderlich”
>>Staatsfunk „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ <<
„Der brandenburgische Wirtschaftsminister… geht davon aus, dass die Lausitz den mit dem Braunkohle-Ausstieg verbundenen Strukturwandel gut bewältigen wird. Allerdings seien dazu zahlreiche Ersatzarbeitsplätze erforderlich, sagte der SPD-Politiker im rbb. … Ersatzarbeitsplätze könnten in verschiedenen Bereichen entstehen. … Aber auch im wissenschaftlichen Bereich könne die Lausitz mit ihren Forschungsinstituten etwa für eine intelligente Art der Reinigung der Spree sorgen. Zudem werde es im Maschinenbau neue Ansiedlungen geben, wenn in der Lausitz Prototypen neuer Materialien entwickelt würden. „Wir haben so tolle Ideen, dass mir um die Lausitz unterdessen nicht mehr bange ist“, erklärte Steinbach weiter.“
„Wir haben so tolle Ideen“ „Fundus an Ideen“
Wie sieht es konkret aus?
“Nach Informationen der RUNDSCHAU zusammen mehr als 1,2 Milliarden Euro kosten”
„Dessen Lausitzbeauftragter Klaus Freytag hat 33 Projekte aufgelistet, die sofort angeschoben werden sollen und nach Informationen der RUNDSCHAU zusammen mehr als 1,2 Milliarden Euro kosten. Ein Teil könnte mit der Soforthilfe finanziert werden. Aus der Projektliste, die der LR vorliegt, geht hervor, dass Brandenburg mit der Zuweisung weiterer Bundesmittel rechnet. Dickster Brocken ist eine Modellregion Gesundheit Lausitz, für die in Senftenberg ein Gesundheitscampus aufgebaut werden soll. Allein dieses Projekt wird mit insgesamt 450 Millionen Euro beziffert.“
“Jährliche Wertschöpfung von 1,4 Milliarden Euro“ versus Einmalzahlung von 1,2 Milliarden Euro
Angesichts des Ärztemangels und allgemeinen Schwierigkeiten der medizinischen Versorgung in der Lausitz mutet der “Gesundheitscampus” eher wie eine weit entfernte Orchideenwissenschaft an. Wie auch immer. Zwar hören sich zunächst die 1,2 Milliarden Euro – als Einmalzahlung – beeindruckend an, aber viele Projekte wurden schon abgesagt und die Summe steht einer – jährlichen – Wertschöpfungskette von 1,4 Milliarden Euro gegenüber.
Lausitzer Revier: „Es geht um eine jährliche Wertschöpfung von 1,4 Milliarden Euro“
>>Deutsche Handwerks Zeitung<<
„Knapp 40 Prozent der Betriebe bezeichnen sich laut Umfrage als mäßig bis stark abhängig von der Braunkohlewirtschaft. Jedes fünfte Unternehmen bewertet seine künftige wirtschaftliche Entwicklung mit unbefriedigend. … Es geht um eine jährliche Wertschöpfung von 1,4 Milliarden Euro, die ersetzt werden muss. Neben den Standortfaktoren sind für die Unternehmen zwei Punkte besonders wichtig: Eine stabile Energieversorgung und bezahlbare Strompreise. … Präsident der Handwerkskammer Cottbus. „Wir haben viele energieintensive Betriebe wie Metallbauer, Tischler, Fleischer oder Bäcker, die zum Teil Tag und Nacht produzieren und schon heute enorme Kosten schultern müssen. Da kommen schnell sechs- bis siebenstellige Beträge zusammen. Das geht an die Grenzen der Wettbewerbsfähigkeit.“
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„Wir haben viele energieintensive Betriebe wie Metallbauer, Tischler, Fleischer oder Bäcker“
Tatsächlich sind bei gerade bei energieintensiven Betrieben Insolvenz, Abwanderung oder schlicht Firmenschließungen zu beobachten. Darunter sind sogar welche, die sogenannte “Kohlekommission” in ihren Papier als eine Art Anker für neue Arbeitsplätze nennt.
“BASF schließt Lackfabrik in Schwarzheide”
“90 Mitarbeiter betroffen: BASF schließt Lackfabrik in Schwarzheide – Von der Anlagenschließung in Schwarzheide werden etwa 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen sein.”
“Der Getriebehersteller Zimm Germany mit Sitz in Ohorn steht vor dem Aus”
“Der Getriebehersteller Zimm Germany mit Sitz in Ohorn steht vor dem Aus. Ende vergangener Woche informierte die Fraktion der Linkspartei im Sächsischen Landtag darüber, dass alle 140 Beschäftigten die Kündigung erhalten hätten. Wenig später bestätigte dann Insolvenzverwalter Franz-Ludwig Danko der Sächsischen Zeitung, dass alle Mitarbeiter ihre Jobs verlieren. Ein Investorendeal sei in letzter Minute geplatzt. Damit endet eine mehr als 150-jährige Industrietradition.”
“Kosten-Schock” – Warum das Böhmisch Brauhaus schließen muss
“Das “Böhmisch Brauhaus” hat in seiner rund 130-jährigen Geschichte Kriege und Krisen überstanden, doch der aktuelle Kosten-Schock bringt das Fass zum Überlaufen. “Wenn wir uns künftig auf der Grundlage der aktuellen Preise für Strom und Gas mit Energie versorgen müssten, würden uns die Mehrkosten in den sicheren Ruin treiben”, sagt Chef … “
Böhmisch Brauhaus: “Würden uns die Mehrkosten in den sicheren Ruin treiben”
Die Insolvenzen und Werksschließungen ließen sich so unvermindert fortsetzen. Insbesondere energieintensive Unternehmen haben zu kämpfen. Doch der Fokus ist bisweilen nur auf die unmittelbar betroffenen Sektoren gerichtet. Oder anders: Die verschwundenen Unternehmen finden offenbar in der Wahrnehmung der Entscheidungsträger nicht statt. Obwohl sogar Gewerkschaft “bezahlbaren Strom für energieintensive Branche” fordert.
“Industriegewerkschaften fordern bezahlbaren Strom für energieintensive Branche”
“Industriegewerkschaften fordern bezahlbaren Strom für energieintensive Branche – Angesichts der hohen Strompreise in Deutschland rufen die Industriegewerkschaften zu einem bundesweiten Aktionstag auf. Insbesondere in den energieintensiven Branchen wie der Stahl-, Chemie- oder Baustoffindustrie drohen Arbeitsplatzverluste und Standortschließungen, warnen die drei Industriegewerkschaften IG Metall, IGBCE und IG BAU.”
“Insbesondere in den energieintensiven Branchen wie der Stahl-, Chemie- oder Baustoffindustrie drohen Arbeitsplatzverluste”
Energie – sprich Energiepreis und Versorgungssicherheit – stellt nun mal die Grundlage für viele Wertschöpfungsketten dar. Natürlich ist es für viele Menschen eine banale Erkenntnis, doch diese ist augenscheinlich in der Wahrnehmung der Entscheidungsträger noch nicht angekommen. Trotzdem bleibt die Frage im unbeantwortet im Raum stehen: Was soll eigentlich vom sogenannten Geld des Kohleausstiegsgeldes finanziert werden?
„Anschaffung eines Rasentraktors für die Freiwillige Feuerwehr in Saspow mit 2.876 Euro“
>>Potsdamer Neueste Nachrichten<<
„Bereits im vergangenen Jahr war die Auswahl der Projekte zur Förderung des Strukturwandels ausgesprochen kreativ. So unterstützte die Landesregierung die Anschaffung eines Rasentraktors für die Freiwillige Feuerwehr in Saspow mit 2.876 Euro. … Und zweimal knapp 30.000 Euro erhielt das Amt Peitz für die Anschaffung und Ausstattung von Lehrküchen, in denen Schüler offenbar die Zubereitung von Karpfen lernen sollen – die Überschrift des Projekts lautet jedenfalls „Karpfen trifft Schule“. Was das alles mit Strukturwandel in der Lausitz zu tun hat? Der Fraktionschef der Linken zeigt sich auf Nachfrage etwas ratlos. „So etwas führt eher nicht dazu, dass neue Arbeitsplätze entstehen oder Ideen für den Strukturwandel zum Tragen kommen“, sagt Walter.“
„Und zweimal knapp 30.000 Euro erhielt das Amt Peitz für die Anschaffung und Ausstattung von Lehrküchen“
“Der Tierpark Görlitz soll mehr als 5 Millionen Euro aus dem »Investitionsgesetz Kohleregionen« erhalten. Damit will man eine ganze Reihe an Maßnahmen finanzieren. Zukunftsplan nennt das der Tierpark. Für diesen als Projektleiter zuständig ist der Vorstandsvorsitzende des Trägervereins … . „Endlich besteht damit die realistische Möglichkeit, den beschlossenen Zukunftsplan für den Tierpark umsetzen zu können“, freut er sich.”
“Sinnlos verpulvert?” – “Struktur-Milliarden” – “Freizeitbad, Schmalspurbahn und Kitas”
“Freizeitbad, Schmalspurbahn und Kitas: Werden die Struktur-Milliarden für Sachsen sinnlos verpulvert? … In die sächsischen Kohle-Regionen soll viel Fördergeld fließen, doch aus Sicht der Opposition bringt das kaum neue Arbeitsplätze. Stattdessen würde der Freistaat in Schwimmbäder, Kitas und Sanierungen investieren. Die Regierung hält dagegen: Sie wolle nicht nur neue Arbeitsplätze, sondern auch ein gutes Umfeld schaffen.”
“Struktur-Milliarden” – “Ein gutes Umfeld schaffen”
Vom Ersatzarbeitsplatz zum besseren Umfeld? – Ein sehr schneller Übergang. Sollte jedoch die industrielle Basis wegbrechen, dann können all die Schwimmbäder, Tierparks, Lehrküchen und Rasentraktoren ebenfalls nicht mehr finanziert werden. Denn selbst für einen Rasentraktor fallen – nach der Anschaffung – Geld für Treibstoff und Wartung an. Die allermeisten dieser “Investitionen” wären wohl beim Bundesrechnungshof und als Verdachtsfall der Untreue bei zuständigen Staatsanwaltschaft besser aufgehoben. Zuallerletzt bleibt im diesen Kontext die Frage übrig: Wieso diese Ausgaben für ein besseres “Umfeld” nicht einfach aus gewöhnlich Haushaltsmitteln finanziert werden können? Zumindest wäre nach dem Rechtsstaatsprinzip ein Kohleausstieg für die Lausitz vollkommen rechtswidrig, weil dieser alleine schon gegen Artikel 72 des Grundgesetzes der “gleichwertige Lebensverhältnisse” verstößt. Zumal es die Lausitz – als erwiesenermaßen Strukturschwache-Region – unverhältnismäßig hart treffen würde.