Das lukrative Geschäft mit der Armut
Das Thema Reichtum bringen viele mit einem Lottogewinn oder erfolgreichen Unternehmertum in Verbindung. Die wenigsten kämen dabei auf die Idee: Nach Staatsbediensteten in exponierten Position in einer Behörden zu suchen.
„Die Reform – auch ein lukratives Geschäft für Beratungsfirmen, wie eine BA-Berechnung für BamS erstmals zeigt: Zwischen 2004 und 2016 schloss die Behörde Verträge mit McKinsey und Co. im Wert von mehr als einer Viertelmilliarde Euro (255,2 Mio.) ab.“
Natürlich bleiben an dieser Stelle ungeklärte Fragen offen, was zum Beispiel eine Unternehmensberatungsfirma überhaupt in einer Behörde zu suchen hat und wie die Verträge zu Stande kamen. Aber dazu sind keine relevanten Informationen ermittelbar. Wie dem auch sei: Das „Unternehmen Jobcenter“ wurde offenbar „beratungstechnisch“ auf Rendite getrimmt, indem man einfach die Ausgaben herunter schraubt.
„Zielwerte“ oder „Abteilungen“ sind Begrifflichkeiten die eher aus der Unternehmensführung von Großkonzernen bekannt sind, um angestrebte Gewinnmargen zu realisieren.
„So funktionieren die Prämienzahlungen: Alle Jobcenter-Chefs schließen mit der Bundesagentur für Arbeit oder dem jeweiligen Bezirksamt Zielvereinbarungen ab. Interne Kennzahlen zeigen Ende des Jahres an, ob die Ziele erfüllt sind. Laut einer vertraulichen Anweisung des Bundesarbeitsministeriums (liegt der B.Z. vor) für das Jahr 2013 soll hierbei auch die Sanktionsquote berücksichtigt werden. Heißt: Je mehr Verstöße geahndet werden, desto geringer die Ausgaben für Hartz-IV-Empfänger – und damit gibt es statistisch weniger hilfebedürftige Menschen. Außerdem sind Jobcenter-Chefs (Monatsgehalt: mindestens 5916,24 Euro) laut einer Zielvereinbarung angehalten, jede Überschreitung von Mietobergrenzen konsequent zu ahnden – theoretisch auch dann, wenn diese nur einige wenige Euro beträgt. Erst im August war ein Jobcenter aus Thüringen wegen 15 Cent vor das Bundessozialgericht gezogen – wegen 15 Cent. Werden die Ziele zu mindestens 98 Prozent erreicht, bekommen die Chefs der Jobcenter am Ende des Jahres 2088,38 Euro Prämie, sind es mehr als 100 Prozent, sogar bis zu 4000 Euro. Insgesamt kamen so in Berlin von 2007 bis 2011 mehr als 100.000 Euro zusammen. 2012 wurden die Ziele verfehlt. Die Bundesagentur für Arbeit bestätigte auf B.Z.-Nachfrage die Prämienzahlungen. Sprecherin Anja Huth: „Wir sind davon überzeugt, dass die Verbindung der Zielerreichung mit der Leistungsbezahlung ein zusätzliches Motivationssignal für die erfassten Beschäftigten bedeutet.“
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Um sich das „zusätzliches Motivationssignal für die erfassten Beschäftigten“ auch auszahlen zu können, ist kreative Buchführung gefragt.
„Die Jobcenter haben offensichtlich in den vergangenen drei Jahren mehr als 1,5 Milliarden Euro, die für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt vorgesehen waren, zur Deckung von Verwaltungskosten verwendet. Das berichtet die „Berliner Zeitung“. Das Blatt bezieht sich auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen.“
„Die Summe der Gelder, die Hartz-IV-Beziehern nicht ausgezahlt wurden, beträgt von 2007 bis 2016 insgesamt 1,9 Milliarden Euro, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sabine Zimmermann hervorgeht, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet.“
Zweifelsfrei ist hier zu sehen das gezielt Gelder umgeschichtet werden und Staatsbedienstete angehalten sind Leistungen von Bedürftigen zu kürzen. Zu berücksichtigen ist dabei: Behörden sind keine Unternehmen, unterliegen eben nicht den Kräften des freien Marktes – wie freier Wettbewerb – und staatliche Sozialhilfe – genauso wie die Renten- und Krankenversicherungen – sind keine unternehmerische Dienstleistung, insbesondere weil das Kräfteverhältnis zwischen Behörde und Bürger dermaßen ungleich verteilt sind.