“Arbeitslose nach bis zu sechs Monaten erneut eine Anstellung finden müssen oder Jobs durch Kommunen zugeteilt bekommen” 

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In der Diskussion um die Arbeitspflicht für arbeitslose Menschen, die von einem CDU-Vizevorsitzenden gefordert wird, zeigt sich eine kontroverse Debatte über die Zukunft des Sozialsystems in Deutschland. Tatsächlich führen diese Arbeitsgelegenheiten in eine völlig falsche Richtung und die Armut wird noch weiter gefördert.

“Jobpflicht für arbeitslose Menschen gefordert”

>>Redaktionsnetzwerk Deutschland<<

“Der CDU-Vizevorsitzende … hat eine Jobpflicht für arbeitslose Menschen gefordert. „Bei Bürgergeldempfängern muss dringend etwas passieren“, sagte der Christdemokrat dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Zunächst muss der Staat die Menschen unterstützen, die wegen psychischer oder physischer Gründe nicht in der Lage sind zu arbeiten. Aber für die Arbeitslosen, die eigentlich arbeiten könnten, sollten wir eine Jobpflicht einführen“, verlangte der Chef der CDU-Grundsatzkommission. … brachte ein Modell ins Spiel, wonach Arbeitslose nach bis zu sechs Monaten erneut eine Anstellung finden müssen oder Jobs durch Kommunen zugeteilt bekommen.”

“Arbeitslose nach bis zu sechs Monaten erneut eine Anstellung finden müssen oder Jobs durch Kommunen zugeteilt bekommen” 

Der Politiker betont die Notwendigkeit einer Jobpflicht für Bürgergeldempfänger oder Hartz-IV-Empfänger, die dazu verpflichtet werden sollen, nach einer bestimmten Zeit wieder eine Anstellung zu finden oder von den Kommunen Jobs zugewiesen zu bekommen. Diese Maßnahme soll laut seiner Meinung dazu dienen, die Eigenverantwortung zu stärken und die Akzeptanz des Sozialsystems zu erhalten. In Wirklichkeit ist nur ein geringer Teil des Geldes für die sozial Schwachen gedacht. Vielmehr wird eine ganz andere “Industriegefördert.

“Es sind soziale Einrichtungen mit einer rein betriebswirtschaftlichen Gewinnorientierung”

>>Die Hartz-IV-Diktatur: Eine Arbeitsvermittlerin klagt an von Inge Hannemann  (Buch) <<

“Viele dieser Einrichtungen arbeiten beispielsweise mit Ein-Euro-Jobs und nutzen somit das System für sich ebenfalls aus. Gerade mal vier Prozent dieser Ein-Euro-Jobber waren Ende 2013 nach dem Ein-Euro-Job für mindestens sechs Monate in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Es sind soziale Einrichtungen mit einer rein betriebswirtschaftlichen Gewinnorientierung, … . Auch 2013 zeigte deren Bilanz nach der Gewinn- und Verlustrechnung einen Jahresüberschuss auf. Sie beschäftigen Arbeitslose als Ehrenamtliche mit dem Argument, dass sie dadurch eine geregelte Tagesstruktur bekämen, was ihnen guttäte. Ich allerdings bin der Meinung, dass gerade solche Einrichtungen, die es sich auf die Fahne geschrieben haben, sozial zu wirken, als Beispiel vorangehen sollten und solche Löhne bezahlen, von denen die Menschen auch tatsächlich leben könnten und damit von Hartz IV unabhängig würden. Statt also die Ursachen für wachsende Armut und die Ungleichheitsschere, die sich – entgegen den Behauptungen der Regierung – immer weiter öffnet, zu kritisieren, laborieren die Sozialverbände an den Symptomen einer ungerechten Gesellschaft herum. Und das wahrscheinlich aus gutem Grund: Armut und Ungleichheit rechtfertigen ihre Existenz.”

“Beispiel vorangehen sollten und solche Löhne bezahlen, von denen die Menschen auch tatsächlich leben könnten”

Es gibt viele Organisationen, die vorgeben, sozial engagiert zu sein, aber in Wahrheit wie große Unternehmen geführt werden. Oft zeigt sich dies an den hohen Gehältern des Führungspersonals. Ein ernsthaftes Interesse an der Bekämpfung von Armut ist daher nicht wirklich vorhanden. Um den nötigen Zwang für Arbeitslose aufzubauen, es wird hierbei auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts verwiesen, das Kürzungen von bis zu 30 Prozent der Leistungen erlaubt. Zwar wird betont, dass es nicht um Zwangsarbeit gehen soll, sondern nur darum, den Arbeitswillen der Bürger zu fördern. Doch die Rhetorik weist auf eine ganz andere Richtung hin.

“Nazi-Rhetorik gleicht heutigem Diskurs über Randgruppen“

>>Der Standard<<

„Sozialwissenschafterin: Nazi-Rhetorik gleicht heutigem Diskurs über Randgruppen – „Sozialschmarotzer“, „Arbeitsscheue“ sind Begriffe, die während der NS-Zeit für Menschen verwendet wurden, die als „asozial“ eingestuft und verfolgt waren. „Die Rhetorik erinnert mich sehr an den heutigen Diskurs“, sagte die Sozialwissenschafterin … .“

„Die Rhetorik erinnert mich sehr an den heutigen Diskurs“

Allerdings ist diese Art des Sprachgebrauchs ebenfalls in anderen Abschnitten der Geschichte zu vorzufinden. Maßnahmen zur Arbeitsverpflichtung stellen daher keine wirkliche Neuigkeit dar.

“Menschen, die sich aus »Arbeitsscheu« einer geregelten Arbeit entzögen, sollten mit Arbeitserziehung bzw. Freiheitsentzug von zwei bis fünf Jahren bestraft werden”

>>Frauen in der DDR von Anna Kaminsky (Buch) <<

“Die Pflicht zur Arbeit – Schließlich wurde das in der Verfassung von 1949 verankerte Recht auf Arbeit in der 1968 verabschiedeten neuen »sozialistischen« Verfassung durch die Arbeitspflicht ergänzt. Wie schon in den Jahren zuvor wurde nicht jede Tätigkeit als sinnvoll anerkannt, sondern nur die von der SED als »gesellschaftlich nützlich« definierte Arbeit. … Die Pflicht zur Arbeit fand auch Eingang in das Strafgesetzbuch der DDR. Menschen, die sich aus »Arbeitsscheu« einer geregelten Arbeit entzögen, sollten mit Arbeitserziehung bzw. Freiheitsentzug von zwei bis fünf Jahren bestraft werden können. Zusätzlich konnten staatliche Maßnahmen zur Kontroll- und Erziehungsaufsicht wie verschärfte Meldepflichten und Arbeitsplatzzwang verhängt werden.”

“Konnten staatliche Maßnahmen zur Kontroll- und Erziehungsaufsicht wie verschärfte Meldepflichten und Arbeitsplatzzwang verhängt werden”

Diese Arten von Maßnahmen zur Erziehung vermeintlich arbeitsunwilliger Personen sind ein wiederkehrendes Thema in der Geschichte. Selten wird hingegen über höhere Löhne, niedrigere Abgaben und Steuern oder verbesserte Arbeitsbedingungen gesprochen. Was tatsächlich dahinter steckt, wird an anderer Stelle deutlich.

“Ein-Euro-Jobs” – “Besonders billige Arbeitskräfte”

>>Stern<<

“Ein-Euro-Jobs – “Besonders billige Arbeitskräfte” – In Deutschland arbeiten viele Arbeitslose für einen Euro pro Stunde. Was im Rahmen von Hartz-IV als “Rückführung an den Arbeitsmarkt” gedacht war, wird immer öfter als billige Personalquelle missbraucht.”

“Ein-Euro-Jobs” – “Immer öfter als billige Personalquelle missbraucht”

Diese Beschäftigungsmöglichkeiten dienen dazu, Arbeitslose als “besonders billige Arbeitskräfte” einzusetzen. Was eigentlich als “Rückführung an den Arbeitsmarkt” im Rahmen von Hartz-IV gedacht war, wird tatsächlich als günstige Quelle für Personal genutzt.

“Der Bundesrechnungshof (BRH) rügt schon lange, dass Ein-Euro-Jobber Aufgaben der öffentlichen Hand übernehmen”

>>Süddeutsche Zeitung<<

“Der Bundesrechnungshof (BRH) rügt schon lange, dass Ein-Euro-Jobber Aufgaben der öffentlichen Hand übernehmen. … kritisierte der BRH, dass Jobcenter den Hartz-IV-Empfängern “meist wahllos Arbeitsgelegenheiten” zuwiesen, sodass Kommunen, Wohlfahrtsverbände oder Firmen “ungeförderte Tätigkeiten im ersten Arbeitsmarkt durch öffentliche geförderte Beschäftigung ersetzen und so ihre Personalkosten reduzieren”. … “

“Ungeförderte Tätigkeiten im ersten Arbeitsmarkt durch öffentliche geförderte Beschäftigung ersetzen und so ihre Personalkosten reduzieren”

Auch der Bundesrechnungshof bemängelt, dass Ein-Euro-Jobber Tätigkeiten der öffentlichen Hand übernehmen. Kritisiert wird, dass Jobcenter Hartz-IV-Empfängern oft willkürlich Arbeitsgelegenheiten zuweisen, wodurch Kommunen, Wohlfahrtsverbände oder Unternehmen ungeförderte Arbeiten im regulären Arbeitsmarkt durch öffentlich geförderte Beschäftigung ersetzen und somit ihre Personalkosten senken.