“Rettungsfolter” – “Die dies kategorisch ablehnen, ihre Position überdenken müssen”

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Folter ist verboten. – Oder etwa doch nicht? Zwar mögen Foltermethoden (noch) verboten sein: Dennoch wollen viele Juristen es gerne ändern. Auch einige Polizisten können bereits auf “Erfahrungswerte” zurückgreifen. Kurzum: Die Renaissance der Folter als amtliche “Vierhörmethode” steht vor der Tür und kaum einer hat es gemerkt.

“Jurastudenten befürworten in einer Befragung Quälereien”

>>taz<<

“Jurastudenten befürworten in einer Befragung Quälereien, um etwa Terroranschläge zu verhindern. … Jeder zweite junge Jurastudent befürwortet Folter, um Menschen zu retten. … Weitere 29,2 Prozent der Befragten akzeptierten Folter zumindest „zur Abwehr schwerster Gefahren für die Allgemeinheit“, etwa bei drohendem Einsatz von Massenvernichtungswaffen durch Terroristen.”

“Jeder zweite junge Jurastudent befürwortet Folter”

Folter ist also als zulässig bei “Abwehr schwerster Gefahren für die Allgemeinheit” anzusehen? Es wird aber nicht wirklich klar: Was eine “schwere Gefahr” eigentlich sei? Vielleicht reicht schon die illegal weggeworfene Bananenschale hierfür aus? – Immerhin könnte jemand darauf ausrutschen und zu Tode kommen. So mancher Polizeialltag kann vielleicht die Antwort auf die Frage liefern.

“Systematische Folter” – “Männer waren berüchtigt für die Anwendung von Folter zur Erpressung von Geständnissen”

>>Das Lexikon der Justizirrtümer von Patrick Burow (Buch) <<

“Im Laufe der Jahre verdichteten sich die Hinweise auf systematische Folter im Chicagoer Polizeirevier unter der Leitung von Jon Burge. Er und seine Männer waren berüchtigt für die Anwendung von Folter zur Erpressung von Geständnissen. Dabei benutzten sie Foltermethoden, die wenig Spuren hinterließen. Häufig wurde ein elektrischer Viehtreiber eingesetzt. Geständnisse wurden aus den Beschuldigten herausgeprügelt. Auch wurden Scheinhinrichtungen mit über den Kopf gestülpten Plastiktüten durchgeführt. Es wurde dort gefoltert wie in einem Polizeirevier der Dritten Welt. Gouverneur George Ryan ließ die Fälle sämtlicher Todestraktinsassen in Illinois untersuchen. Am 10. Januar 2003 begnadigte Ryan vier Männer, darunter auch Aaron Patterson, wegen erwiesener Unschuld. Ihre Geständnisse und andere Informationen waren unter Folter erlangt worden. Aaron Patterson hatte 17 Jahre unschuldig in der Todeszelle gesessen.”

“Es wurde dort gefoltert wie in einem Polizeirevier der Dritten Welt”

Die Praxis in der Polizeiarbeit taucht vermutlich nur selten in einer Hochglanzbroschüre auf. Überspitzt: Bei vielen Straftaten liegen meist nur fragwürdige Indizien vor, was für eine rechtskräftige Verurteilung – eigentlich – nicht ausreicht. Daher wird meist voller Stolz ein Geständnis des Täters präsentiert. Nur bleibt die Herkunft dieser “freiwilligen” Geständnisse häufig ungeklärt und das ist nicht nur auf die US-Stadt Chicago beschränkt.

“Absonderlichkeiten aus der Verhörstube – Drohungen, Vorwürfe und eine Pistole”

>>Süddeutsche Zeitung<<

“Absonderlichkeiten aus der Verhörstube – Drohungen, Vorwürfe und eine Pistole: Weil ein Schrotthändler absonderliche Verhörmethoden anprangert, wird er wegen Verleumdung angezeigt. … “Wir können auch anders”, soll der Polizeibeamte gesagt haben, und dann habe er dem Zeugen, der nicht so aussagte, wie die Polizei sich das gewünscht hatte, seine Dienstpistole an den Kopf gehalten.”

Polizei: “Wir können auch anders” – “Seine Dienstpistole an den Kopf gehalten”

Aus Sichtweise der Polizei und Justiz ist damit eine Straftat aufgeklärt und somit erledigt. Kurzum: Der Fall ist abgeschlossen und über das Thema “Wahrheit” sollen sich gefällst die Philosophen streiten. – Alles viel zu zynisch? Tatsächlichen stehen die Chancen zur offiziellen Einführung von Foltermethoden sogar sehr gut.

“Das Wort von der Rettungsfolter machte die Runde”

>>Die Würde ist antastbar von Ferdinand von Schirach (Buch) <<

“Das Wort von der Rettungsfolter machte die Runde. Bei Gäfgen handelte es sich weder um einen Terroristen noch um einen Mafioso. Viele waren und sind dennoch sofort bereit, ihm die Menschenwürde abzusprechen. Sogar der damalige Vorsitzende des Deutschen Richterbundes hielt Folter nicht für ausgeschlossen, und es gab Professoren, die dem zustimmten. Vielleicht glauben Sie ja, in diesem Land wären zumindest die bürgerlichen Politiker zu vernünftig, um Grundrechte wegen einer terroristischen Gefahr tatsächlich zu beschneiden. Das Gegenteil ist der Fall: Erst 2007 stimmten CDU, CSU und SPD für die Vorratsdatenspeicherung. Jeder Bürger konnte damit überwacht werden. Das Gesetz folgte auf die Anschläge in Madrid und London, nur so sei der Kampf gegen den Terror zu gewinnen. Später stellte das Bundeskriminalamt fest, dass sich die Aufklärung durch die Vorratsdatenspeicherung im besten Fall um 0,006 Prozentpunkte erhöhen würde. So wenig reichte also aus, um unsere Grundrechte zu verletzen.”

“Vorsitzende des Deutschen Richterbundes hielt Folter nicht für ausgeschlossen”

Es müssten also die Aufklärungsquote bei Straftaten um lediglich 0,006 Prozent steigen und dann könnte wieder – wie im Mittelalter – ganz legal gefoltert werden. Allen Unkenrufen zum Trotz: Im Grundgesetz ist ein Folterverbot nicht explizit erwähnt. Mehr noch: Diverse juristische Kommentare stehen der sogenannten “Rettungsfolter” nicht nur offen gegenüber, sondern wollen sie sogar einführen.

“Rettungsfolter” – “Die dies kategorisch ablehnen, ihre Position überdenken müssen”

>>Grundrechte: sowie Grundzüge der Verfassungsbeschwerde von Rolf Schmid (Buch) <<

“Ob „Rettungsfolter“ bzw. deren Androhung ein angemessenes Mittel ist, ist zwar nicht unbedenklich, allerdings werden diejenigen, die dies kategorisch ablehnen, ihre Position überdenken müssen, sollte der vom Verfasser konstruierte Fall Wirklichkeit werden. Auch das BVerfG grenzt neuerdings „Berührungen“ von „Verletzungen“ der Menschenwürde ab und macht offenbar „Berührungen“ der Menschenwürde einer Abwägung mit anderen Verfassungsgütern zugänglich.”

“Rettungsfolter” – “Von subjektiven ethischen Überzeugungen abhängig”

>>Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen von Thomas A Bode (Buch) <<

“Zwar findet keine Abwägung der Menschenwürde gegen Sicherheitsinteressen statt, aber der Begriff der Menschenwürde bzw. der Menschenwürdeverletzung wird eng ausgelegt, so dass das Abhören von Gesprächen nicht unbe- dingt dazu gehört. Alexy unterscheidet zwischen Menschenwürdeprinzip, das auch gegen andere Prinzipien abgewogen werden darf und dem Ergebnis dieser Abwägung, der Menschenwürderegel, die nicht mehr der Abwägung offen stehe, vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 96 f. Vgl. dazu auch den Streit um die Abwägbarkeit der Menschenwürde unter § 8, IV, 3, b). Aus einem ähnlichen Ansatz leitet Brugger, JZ 2000, S. 165 f., ab, dass die Folter von Terroristen unter bestimmten Umständen (sog. Rettungsfolter zur Gefahrenabwehr) nicht gegen die Menschenwürde verstoße. Die Menschenwürde ist dann trotz Einsatz eines grundsätzlich verwerflichen Mittels nicht berührt, wenn bestimmte Gründe vorliegen. Dass die „Rettungsfolter“ nach h. M. gegen den Anspruch auf Achtung der Menschenwürde verstößt, ist nicht von dogmatischen Gesichtspunkten, sondern von subjektiven ethischen Überzeugungen abhängig.”

“Die Polizei auf Nothilfe berufen” – Folter wieder gesetzlich erlaubt?

>>Justus-Liebig-Universität Gießen (PDF-Datei) <<

“Dennoch darf sich der herrschenden Meinung zufolge auch die Polizei auf Nothilfe berufen. Mehrheitlich wird jedoch gefordert, dass das staatliche Folterverbot dadurch keinesfalls unterlaufen werden darf. Denn das Grundgesetz und das Völkerrecht verbiete dem Staat jede Folteranwendung. Um das Notwehrrecht in Einklang mit diesem höherrangigen Recht zu bringen, müsse es so ausgelegt werden, dass zumindest staatliche Folter strafbar bleibt. Das gleiche würde für den übergesetzlichen Notstand gelten.”

“Notwehrrecht in Einklang mit diesem höherrangigen Recht zu bringen” – Folter wieder gesetzlich erlaubt?

Über das Konstrukt des “Notwehrrecht” soll die Folter legalisiert werden. Sicherlich bei vielen Polizisten und sonstigen Beamten dürften sie vermutlich bereits offene Türen einrennen.