Positionspapier “Datenschutzkonforme digitale Tools in der Lehre”

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Ein Kommentar zum aktuellen Positionspapier der Arbeitsgruppe Digitale Medien der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik (dghd) in Kooperation mit der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW).

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Von Blog Datenschutz – Unter dem Radar

(Annomyer Autor der Technischen Universität Berlin)

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Digitale Freiheit in der Lehre?!

Die Autoren rufen im Positionspapier dazu auf, die datenschutzrechtliche Begutachtung von Online-Tools zu vereinfachen, z.B. über Checklisten. Außerdem sollen Einschätzungen zur Datenschutzkonformität eines Tools von Datenschutzbeauftragten anderen Hochschulen bzw. von einer übergeordneten Arbeitsgruppe übernommen werden können.

Benannt wird auch die mangelnde Motivation der Anbieter digitaler Tools, Datenschutz ernst zu nehmen und ihn angemessen umzusetzen.

Datenschutz als Hemmschuh?

Ein wesentliches Ziel des Positionspapiers scheint jedoch zu sein, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die aus Datenschutzanforderungen resultieren. Die Tools sollen nicht datenschutzkonform werden, sondern die Freigabe durch  Datenschutzbeauftragte soll großzügiger sein. Der Gedanke dahinter scheint zu sein, dass Datenschutz verhandelbar sei.

Datenschutz ist Persönlichkeitsschutz und dass es als akzeptabel angesehen wird, diesen auszuhöhlen ist problematisch.

Eine gute Idee des Positionspapieres ist, dass Datenschutzgutachten zu digitalen Tools zwischen den Hochschulen geteilt werden, eine einfache Übernahme ist allerdings nicht möglich. Jedoch könnten die Datenschutzaufsichtsbehörden ihre Einschätzungen zu Tools veröffentlichen, wie beispielsweise von der Berliner Behörde für Videokonferenztools geschehen. Eine 1:1 Übertragung ist aber auch hier nicht gegeben, da die Rahmenbedingungen zumeist verschieden sind.

Letztlich muss jede Verarbeitungstätigkeit personenbezogener Daten an jeder Hochschule unter Berücksichtigung der dortigen Bedingungen datenschutzrechtlich geprüft werden. Ein „vereinfachtes Verfahren“ wie im Positionspapier gefordert ist daher nicht praktikabel.

Was es wirklich braucht

Letztlich kommt die Digitalisierung in der Lehre der Hochschulen langsam an. In der Pandemie wurden dabei mangels geeigneter Alternativen auch datenschutzrechtlich kritisch zu bewertende Tools geduldet, es fand eine Abwägung statt. Selbst die Aufsichtsbehörden verhielten sich vergleichsweise tolerant. Die Pandemie ist jetzt aber vorbei, so dass die Ausnahmesituation nicht mehr als Begründung herhalten kann: Die getroffenen Abwägungen und mithin die Entscheidungen müssen überprüft werden.

Jetzt heißt es, aus den gesammelten Erfahrungen der letzten zwei Jahre Schlussfolgerungen zu ziehen und Entscheidungen für die Zukunft der Lehre an den Hochschulen zu fällen. Diese können gern pragmatisch sein, müssen aber trotzdem den gesetzlichen Anforderungen Genüge tun.

Digitale Souveränität

Insbesondere Tools US-amerikanischer Anbieter sind datenschutzrechtlich oft problematisch und deren Bereitschaft diese anzupassen ist nur gering ausgeprägt. Sofern echte Alternativen fehlen, wird es schwierig werden, darauf zu verzichten – Office 365 ist dafür ein prägnantes Beispiel.

Doch für viele kommerzielle, US-amerikanische Tools gibt es gute Open Source Alternativen, Beispiele sind Videokonferenz-Tools wie BigBlueButton, Jitsi und OpenTalk sowie Messaging Systeme wie Matrix, die in der Pandemiezeit leistungsfähig genug wurden, um sie regulär in der Hochschullehre einsetzen zu können. Diese Erfolge sind auch Anwendern und Softwareentwicklern deutscher Hochschulen zu verdanken, die zur Weiterentwicklung vieler Tools aktiv beigetragen haben.

Wünschenswert wäre auch eine stärkere Entwicklung von Tools europäischer Unternehmen, die Datenschutzkonformität als Wettbewerbsvorteil nutzen könnten.

Eine Vielzahl an Tools?

Es ist sicherlich sinnvoll, offen für innovative Ideen zu sein. Trotzdem erscheint die Forderung, viele Tools in der Lehre einzusetzen kontraproduktiv.

Neben den Datenschutzaspekten sollte vor allem auf technische Details wie Single Sign On und Schnittstellen zu zentralen IT-Systemen geachtet werden, und didaktische Konzepte sollten sinnvoll umgesetzt werden – auch im Digitalen wird nicht immer eine Speziallösung benötigt.

Es benötigt keine Vielzahl, sondern einige wenige, ausgereifte Tools, die gut integriert in den Lehrbetrieb und die IT-Landschaft der Hochschule sind. Experimentierfreudig etliche Tools einzusetzen fördert vor allem den Wildwuchs und weniger die Qualität der Lehre. Selbst Studierende sind zunehmend überfordert von den dabei entstehenden unübersichtlichen Tool-Landschaften.

Weniger ist mehr.


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