Lausitzer Mythen: Der alte Waldheger und Berndittrich, der wilde Jäger
Vor Jahren, als noch zahlreiches Hoch- und Schwarzwild die umfangreiche Masseney belebte, stand mitten in diesem großen Walde ein Jagdhäuschen. In demselben hielten sich von Zeit zu Zeit die Waldheger auf, um von hier aus dem Wilde aufzulauern, besonders aber den wilden Schweinen.
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Von Friedrich Bernhard Störzner
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Durch ausgestreute Erbsen suchte man diese in die Nähe der Schutzhütte zu locken. – An einem Herbstabende war der alte Waldheger aus Seeligstadt wieder einmal in dem Jagdhäuschen, um seines Amtes zu walten. Doch da der erste Teil der Nacht sehr dunkel war und der Mond erst nach Mitternacht leuchtete, so hatte er sich zu einem kurzen Schlafe auf eine Bank in der Jagdhütte ausgestreckt. Mehrere Stunden mochte er geschlummert haben. Gegen Mitternacht wurde der Schlafende durch ein Geräusch aufgeschreckt. In der Luft rauscht es seltsam, in den Wipfeln der dunklen Waldbäume braust der Herbststurm, Hunde kläffen, Büchsen knallen und Hussarufe erschallen. Der alte Waldheger ist darüber sehr verwundert und meint, man wolle ihn um die Beute bringen und das Hoch- und Schwarzwild verscheuchen. Darum springt er ärgerlich vom Lager auf, öffnet das Fenster des Jagdhäuschens und ruft in die rabenschwarze Nacht hinaus: „Halb Part! Halb Part! (Halb Teil!) Kurze Zeit darauf ist der tolle Lärm vorüber. – Nach einer Stunde geht der Mond auf, es wird hell, und der alte Waldheger verläßt die Jagdhütte, um Beute zu machen. Wie groß ist aber sein Erstaunen, als er draußen vor dem Jagdhäuschen eine große Anzahl erlegter Hirsche und Wildschweine erblickt, die an den Bäumen rings umher aufgehängt sind! Nun wußte er, wer jenen Höllenlärm verursacht hatte. Berndittrich, der wilde Jäger, hatte Jagd in der Masseney gehalten und mit dem alten Waldheger die gemachte Beute „Halb Part“ redlich geteilt.