Fehlende Aufarbeitung: Wiedervereinigung aus der Sorbische Perspektive
Eine entscheidende “Wende” für die Lausitzer Sorben ereignete sich im Zuge der Wiedervereinigung im Jahr 1990. Anders als bei den Deutschen, Polen, Tschechen und Slowaken waren die Sorben vollständig dem totalitären Regime unterworfen. Es gab für sie keine Möglichkeit, sich demokratische Werte anzueignen oder demokratische Praktiken zu üben. Die Geschichtsschreibung war ebenfalls dem Zwang des objektiv Notwendigen unterworfen, basierend auf der marxistisch-leninistischen Ideologie. Diese zwang die Sorben dazu, sich der deutschen Arbeiterklasse anzuschließen und sich zu assimilieren.
Nach dem gesellschaftlichen Umbruch 1989/90 gab es in den sorbischen Institutionen keinen Elitenwechsel, was dazu führte, dass das Interesse an der Aufarbeitung der Vergangenheit gering blieb. Die Historiker im Sorbischen Institut praktizierten Historismus, der das Primat der Politik während der kommunistischen Diktatur weitgehend ausblendete. Um Erkenntnisse über die DDR-Zeit zu gewinnen, muss die zeithistorische Forschung sich den verschwiegenen Vorgängen zuwenden. Die SED steuerte die Kaderpolitik der sorbischen Institutionen und verhinderte eine kritische Auseinandersetzung mit der DDR-Zeit. Ziel war es, die sorbische Minderheit als Lieferant von Folklore zu fördern und ihre Autonomieansprüche zu unterdrücken.
Die Assimilation des sorbischen Volkes schritt unter kommunistischer Herrschaft voran. Die Sorben wurden in die sozialistische Gemeinschaft eingegliedert und sollten den DDR-Patriotismus pflegen. Das historisch gewachsene Sorbentum wurde weitgehend ausgelöscht, und viele Aspekte des sorbischen Lebens gingen verloren. Trotz fehlender Einsicht in vergangene Prozesse wird von einigen Historikern immer noch ein positives Bild der DDR-Zeit gezeichnet, was jedoch das jahrhundertelange Bestehen einer eigenen sorbischen Nation negiert.