Domowina errichtet im Handstreich zusätzliche Hürde für neue Stiftungsratsmitglieder
Die Wahl der neuen sächsischen Stiftungsratsmitglieder der Stiftung für das sorbische Volk durch den nach Vereinsrecht organisierten Dachverband Domowina – Bund Lausitzer Sorben e. V. am 13. Januar 2023 endete in einem Eklat. Unmittelbar vor der Wahl wurde die bestehende Wahlordnung in wichtigen Teilen so geändert, dass erstmals eine 50%-Hürde eingeführt wurde.
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Von Serbski Sejm
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Dies resultierte in einer Nichtbesetzung von stellvertretenden Stiftungsratsplätzen trotz genügend Kandidat:innen. Dazu äußern sich die Betroffenen wie folgt:
„Wir haben uns an der Wahl beteiligt, da wir uns an der zentralen Stelle der Mittelvergabe zum Wohle des sorbischen/wendischen Volkes engagieren wollen. Gleichzeitig haben wir uns damit trotz unserer kritischen Einstellung gegenüber der aktuellen politischen Struktur im sorbischen/wendischen Volk auch als Akt der Handreichung und der Unterstützung der Domowina zur Verfügung gestellt, zumal sich in der ersten Bewerbungsfrist zu wenige Kandidaten gemeldet haben. Dies haben wir im treuen Glauben bzgl. der gültigen Wahlordnung getan. Diese Wahl hat einen hohen demokratischen Anspruch, geht es im zu wählenden Gremium doch um die Verwendung hoher Summen öffentlicher Mittel, also um eine hoheitliche Aufgabe.
Mit Entsetzen mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass der Bundesvorstand zu Sitzungsbeginn mit der Änderung der Wahlordnung durch die Einführung von Mindestmehrheitsverhältnissen an entscheidender Stelle neue Hürden aufgebaut hat. Dies ganz offensichtlich, da aufgrund der geringen Anzahl von Kandidaten gemäß gültiger Wahlordnung auch Kandidat:innen bestätigt würden, von denen unbequeme und sehr kritische Fragen zu befürchten wären.“
Měrćin Krawc ergänzt:
„Obendrein wurden die Kandidaten bei der Befragung aggressiv eingeschüchtert und belogen1. So wurde ihnen vom Bundesvorstandsmitglied Bjarnat Cyž unwidersprochen suggeriert, die sorbischen/wendischen Stiftungsratsmitglieder würden als Team über alle inhaltlichen Angelegenheiten der institutionellen und Projektförderung entscheiden und die Geldgeber lediglich zur Kontrolle der Einhaltung der Förderrichtlinien da sein. Dies widerspräche komplett der Stiftungssatzung und sogar seinen eigenen kürzlichen Äußerungen, in denen er dies erst für die Zukunft forderte und die scheidenden Räte den bisherigen „systematischen Fehler“ monierten, dass sich die gewählten sorbischen Räte nicht durchsetzen können.
Gemäß Domowina-Geschäftsführerin Judit Šołćina hätte zudem die Stiftungsverwaltung zugestimmt, dass drei Stellvertreterposten ausreichen würden (entgegen der klaren Aussage von 4 Stellvertretern auf der Stiftung-Facebookseite3) und Domowina-Vorsitzender Dawid Statnik behauptete, dass ein Stellvertreter auch mehrere ordentliche Mitglieder vertreten könne (und damit mehrere Stimmrechte auf sich vereinen würde). Beides gibt die Satzungen und Geschäftsordnungen der Stiftung nach Gutdünken der Beliebigkeit preis.
Dies alles untergräbt die Glaubwürdigkeit des Domowina-Bundesvorstandes aufs Tiefste und wirft ein beschämendes Licht auf unser Volk.“
Hagen Domaška:
„Die neu eingeführte 50%-Hürde ist eine Reaktion auf die Reformbestrebungen außerhalb der Domowina und zeigt zweierlei: Erstens wird ein:e Kandidat:in nur sicher gewählt, wenn sich die Wahlberechtigten – also die Mitglieder des Bundesvorstands – vorher abstimmen. Das widerspricht dem Gedanken der geheimen Wahl, die in der Wahlordnung vorgesehen ist. Was wäre denn passiert, wenn sich statt 10 sogar 30 Kandidat:innen gemeldet hätten? Dann wäre mit 50%-Hürde möglicherweise niemand gewählt worden. Zweitens soll damit verhindert werden, dass ungeliebte Außenstehende, z. B. Unterstützer des Serbski Sejm, in den Stiftungsrat einziehen können. Die Domowina schottet sich damit vor kritischen Meinungen ab. Die Meinungsvielfalt im Stiftungsrat wird künstlich verengt.
Persönlich hat mich besonders die toxische Atmosphäre entsetzt, die durch das aggressive Verhalten der Herren Bělk, Cyž und Leipner während der Befragung entstanden ist. Ich wünsche den anderen Mitgliedern des Bundesvorstands, dass sie die Gesprächskultur im Sinne eines konstruktiven Miteinanders verändern können.“
Wie sich hier erneut zeigte, ist das private Vereinsrechts für den hohen Anspruch einer Volksvertretung, wie es für die hoheitlichen Aufgaben des Stiftungsrates erforderlich ist, völlig ungeeignet. Die politische Struktur des sorbischen/wendischen Volkes bedarf dringend einer Reform hin zu direktdemokratischen Legitimationsprinzipien. Ein Volk, welches sich als solches ernst nimmt, muss sich an den staatlichen Standards für gewählte Vertretungen der Gebietskörperschaften mit freien und direkten Wahlen orientieren, wenn es mit dem Staat politisch auf Augenhöhe agieren will.
Das Problem ist, dass der Domowina-Dachverband die meisten sorbischen/wendischen Stiftungsratsmitglieder benennt, und gleichzeitig einer der größten Mittelempfänger ist. Damit bestehen die in vielen Gutachten kritisierten Interessenkonflikte, Befangenheiten und Selbstbedienungskonstellationen sowie der Mangel an demokratischen innersorbischen Kontrollen fort.