“Insolvenzverschleppung” – Game-Over-Szenario: “Gibt es in Europa kein einziges Gesetz, das den Fall einer Staatspleite regeln würde”
“game over” – Können Länder insolvent werden? Wie gestaltet sich ein Staatsbankrott? Welche Maßnahmen wären im Rahmen einer Austeritätspolitik zu erwarten und welche Auswirkungen hätte dies auf die Bevölkerung? Solche Fragestellungen sind keineswegs nur hypothetischer Art.
“Wie läuft eine Staatspleite typischerweise ab?”
>>Nachts im Kanzleramt von Marietta Slomka (Buch) <<
“Kann Deutschland pleitegehen? Im Prinzip kann jeder Staat pleitegehen. Deutschland war in der Neuzeit schon zweimal zahlungsunfähig, 1923 und 1948. Beiden Zusammenbrüchen gingen Weltkriege voraus. Wer meint, gewaltsam die ganze Welt erobern zu müssen, hat beste Chancen, am Ende am Boden zu liegen. Wie läuft eine Staatspleite typischerweise ab? Wenn die Wirtschaft stagniert oder gar schrumpft, während zugleich die Schulden in astronomische Höhen wachsen, kommt auch ein Staat irgendwann an einen toten Punkt. Seine Staatspapiere will keiner mehr haben, er kann keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Wenn er in seiner Not Geld drucken lässt, wird das seine Inflationsrate nach oben schießen lassen und die Bevölkerung noch mehr in die Armut treiben. Am Ende kann der Staat seine Beamten nicht mehr bezahlen oder die Zinsen für die vielen Kredite, die er aufgenommen hat. Seine Währung wird im Ausland nicht mehr akzeptiert, dann können auch keine Waren und Rohstoffe mehr importiert werden. Irgendwann heißt es: game over.”
“Am Ende kann der Staat seine Beamten nicht mehr bezahlen oder die Zinsen für die vielen Kredite, die er aufgenommen hat”
Wie könnte demnach das “Game-Over-Szenario” gestaltet sein? In der Tat ist in diesem Land alles bis ins kleinste Detail reglementiert, jedoch wird man ein Staatsinsolvenzrecht vergeblich finden, obwohl die öffentliche Hand der größte Einzelschuldner ist.
“Gibt es in Europa kein einziges Gesetz, das den Fall einer Staatspleite regeln würde”
>>Die Plünderung der Welt von Michael Maier (Buch) <<
“Recht, Gesetz und Moral werden immer außer Kraft gesetzt, bevor jemand unter seiner Schuldenlast zusammenbricht. Auch hier agieren Regime und Staaten nicht anders als ganz gewöhnliche Schuldner. Wer seine Kredite nicht mehr bedienen kann, wird mit allen möglichen Tricks und Täuschungen versuchen, den Zusammenbruch abzuwenden. Er wird, stets in der Hoffnung, dass sich alles doch noch zum Bessern wenden würde, nichts unversucht lassen, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Im Falle von Unternehmen gibt es aus diesem Grund strenge Regeln für eine »Insolvenzverschleppung«: Wenn ein Geschäftsführer die Rechnungen des von ihm geleiteten Unternehmens nicht mehr bezahlen kann, muss er nach deutschem Recht unverzüglich zum Amtsgericht, um die Pleite des Unternehmens bekannt zu geben. Auch die Gründe für eine persönliche Haftung hat der Bundesgerichtshof penibel aufgelistet. Für Staaten gelten solche Regeln nicht – denn sie machen die Gesetze selbst. Verschleierung und Täuschung sind bei Überschuldung die letzten Hilfsmittel. Daher haben die europäischen Politiker, als die Griechenlandkrise ausbrach, mit viel Pathos nach einem Insolvenzrecht für Staaten gerufen. Sobald die Krise überwunden schien, geriet der Plan in Vergessenheit. Auch sechs Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise gibt es in Europa kein einziges Gesetz, das den Fall einer Staatspleite regeln würde. Die Regierungen setzen darauf, dass man sich offenbar immer weiter durchschwindeln kann.”
“Insolvenzverschleppung” – “Für Staaten gelten solche Regeln nicht – denn sie machen die Gesetze selbst”
Es ist in der Tat sinnvoll, einen genaueren Blick auf die Griechenlandkrise von damals zu werfen, da sie bereits viele Aspekte vorweggenommen hat. Tatsächlich stellt der Euro faktisch eine riesige Schuldengemeinschaft dar, auch wenn die entsprechenden Verträge dies etwas anderes aussagen. Im vergleichsweise kleinen Griechenland wurde die Austeritätspolitik – samt all ihren Konsequenzen – bereits einmal erprobt.
“Auslandsüberweisungen wurden limitiert oder verboten”
>>Der Euro – Von der Friedensidee zum Zankapfel von Hans-Werner Sinn (Buch) <<
“In Griechenland war mit Syriza eine radikal-sozialistische gemeinsam mit einer radikal-nationalistischen Partei an die Macht gekommen, die den Leuten einredete, man könne die verhasste Austeritätspolitik durch einen Volksentscheid überwinden, wobei man freilich übersah, dass die Austerität, also die erzwungene Sparsamkeit, durch die internationalen Kapitalmärkte verhängt worden war, wohingegen die anderen Länder der Eurozone in riesigem Umfang Rettungsgelder zur Verfügung stellten, bis zum Juni 2015 immerhin 31.000 Euro für jeden Griechen, 344 Milliarden Euro insgesamt. Trotzdem ist Griechenland bankrott, wie es der europäische Rettungsschirm EFSF am 3. Juli 2015 offiziell verkündete. Auslandsüberweisungen wurden limitiert oder verboten, Kontoabhebungen wurden beschränkt, und schließlich mussten die Banken eine Zeit lang vollständig schließen, bis man sich entschloss, doch noch Verhandlungen über ein neues Rettungsprogramm im Volumen von 86 Milliarden Euro aufzunehmen.”
“Kontoabhebungen wurden beschränkt, und schließlich mussten die Banken eine Zeit lang vollständig schließen”
Die öffentlichen Ausgaben wurden gesenkt, während gleichzeitig die Steuerlast erhöht wurde. Da der Euro als gemeinsame Währung fungiert und Griechenland im Vergleich nur einen geringen Einfluss darauf hat, konnte die Währung nichts in bodenlose stürzen. Dennoch sollten die Vorschriften zum Kapitalverkehr Anlass zur Besorgnis geben. In diesem Zusammenhang bleibt die Frage, ob die Situation in unserem Land tatsächlich wesentlich anders aussieht.
“Finanzlage vieler Kommunen ist sehr angespannt”
“Finanzlage vieler Kommunen ist sehr angespannt – Weißwasser/O.L. hat deshalb eine Haushaltssperre verhängt, welche sich nahtlos an die die „haushaltslose Zeit“ angeschlossen hat (mit nahezu gleichen Regeln, wie etwa das Verbot von neuen Investitionen oder Projekten). Zur Verdeutlichung sagt dazu Oberbürgermeister … : „Die Kommunen haben immer mehr Aufgaben, ohne mehr Finanzmittel von Kreis, Land oder Bund dafür zu erhalten. Besonders angespannt ist die Lage der Kommunen im ländlichen Raum, weil es hier weniger Einnahmen durch finanzstarke Unternehmen gibt. Der Ausgleich einer zeitweisen Unterfinanzierung ist somit nicht möglich. Rücklagen gibt es nicht. Am Ende muss die Kommune ihren Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass es Einschnitte bei freiwilligen Leistungen und der Lebensqualität vor Ort gibt – oder die Menschen noch mehr belastet werden sollen. Wir sind jetzt an einem Punkt, dass die finanzielle Situation der kleineren Kommunen in der Region nicht mehr erklärbar für die Menschen vor Ort ist.“
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“Kommunen haben immer mehr Aufgaben, ohne mehr Finanzmittel von Kreis, Land oder Bund dafür zu erhalten”
Die Austeritätspolitik manifestiert sich teilweise bereits im Kleinen. Viele Städte und Gemeinden sind de facto hoch verschuldet und sind daher nicht in der Lage, ihre Aufgaben vollständig oder nur eingeschränkt zu erfüllen. In einigen Bundesländern zeigt sich ebenfalls ein sehr besorgniserregendes Bild. Über allem schwebt die Angst vor einer massiven Steuererhöhung oder einer exorbitanten Sonderabgabe. Das skizzierte “Game-Over-Szenario” könnte somit durchaus unerwartet Realität werden.
“Ihre Bewertungen, auch Ratings oder Bonität genannt, geben vor, wann Staaten pleite sind”
“Ihre Bewertungen, auch Ratings oder Bonität genannt, geben vor, wann Staaten pleite sind und wie viel neue Schulden kosten. Denn je schlechter die Ratings, desto teurer wird es, Schulden zu machen. Bei der Bestimmung von Ratings spielt auch der Schuldenstand eine Rolle, … . Dabei ist für S&P vor allem die Verschuldung gemessen am Bruttoinlandsprodukt wichtig. … Je höher die Zinsen, desto teurer werden die Schulden. Und die Höhe der Zinsen hängt auch von der Inflation ab. Denn ist die Inflation hoch, versuchen Notenbanken mit hohen Zinsen dagegenzuwirken.”
“Je höher die Zinsen, desto teurer werden die Schulden”
Die derzeitige Staatsverschuldung hat bereits enorme Dimensionen erreicht. Sollte das Rating folglich herabgestuft werden und die Zinszahlungen ansteigen, würde dies nicht nur zu einem erheblichen Anstieg der erforderlichen Zahlungen führen, sondern es wäre auch deutlich schwieriger, neue Kredite zu erhalten.