Biologie: Das Ungeziefer und der Krankheitserreger von heute ist das vergötterte Wesen von morgen
„Die Wissenschaft von heute ist der Irrtum von morgen.“ – Das hat Jakob Johann Baron von Uexküll über die Wissenschaft gesagt und der Ausspruch hat bis heute nichts an seiner Gültigkeit verloren. Er selbst war Biologe und kannte sich in seiner „Zunft“ wohl bestens aus.
Jakob Johann Baron von Uexküll: „Die Wissenschaft von heute ist der Irrtum von morgen“
Das Zitat könnte man auch abwandeln: „Das Ungeziefer und der Krankheitserreger von heute ist das vergötterte Wesen von morgen.“ – Auch wenn der Ausspruch weit hergeholt klingen mag: Trotzdem hat er sich mehr als einmal bewahrheitet. Noch vor gar nicht so langer Zeit wurden die heute hochverehrten Singvögel als Schädling angesehen und sogar als menschliche Mahlzeit verspeist. Nicht einmal vor Schwänen hat man Halt gemacht. Doch mittlerweile setzt auch bei Pilzen, Bakterien und sogar Viren ein Umdenken ein.
Schwan: „Der Adel den Vogel aus Prestigegründen auch oft verspeist“
„Einen Schwan zu essen klingt zunächst einmal elegant und tatsächlich hat der Adel den Vogel aus Prestigegründen auch oft verspeist. … Das deutsche und britische Adelshaus soll angeblich gerne gebratenen Schwan verköstigt haben. Schwanenfleisch soll ähnlich dem Fasan geschmeckt haben. Serviert wurde das gebratene Fleisch in dem Federkleid des Vogels.“
Schwan: „Serviert wurde das gebratene Fleisch in dem Federkleid des Vogels“
Nicht nur der Schwan wurde – tatsächlich – in der Pfanne gehauen, sondern auch so mancher Singvögel mussten im Mittelalter – und das weit bis ins 18. Jahrhundert – dran glauben.
„Im hohen Mittelalter wurden sogar den Vornehmen Rohrdommeln und Krähen aufgetischt“
>>Essen und Trinken im Mittelalter von Ernst Schubert (Buch) <<
„Die Küche der Grafen von Stolberg zu Wernigerode verbrauchte im Jahre 1525 nur 122 Hühner, aber in Feld und Flur gefangene 3024 „Großvogel“ und 8010 „Kleinvogel“. Und 1546 wurden bei einer Fürstenhochzeit in (Hann.) Münden 4740 Vögel verzehrt. Gewerbsmäßig werden Vögel gefangen und verkauft. Klobenfang. Die wenig geachteten Leimstengler, die keinen eigenen Nachnamen tragen, sondern nach ihrem Vornamen Vogelhans und Finkenhans heißen, fangen mit Netzen und Leimruten, mit gespaltenen Hölzern, den „Finkenklöben“, die mit der „Drosselpfeife“ angelockten Singvögel und verkaufen sie schockweise. Wer sich die teueren Spießvögel nicht leisten konnte, aß billigere. Im hohen Mittelalter wurden sogar den Vornehmen Rohrdommeln und Krähen aufgetischt, Dohlen wurden selbst in besseren Herbergen den Gästen vorgesetzt, und noch auf Zürcher Märkten des 18. Jahrhunderts werden Blau- und Kohlmeisen feilgeboten.“
„Auf Zürcher Märkten des 18. Jahrhunderts werden Blau- und Kohlmeisen feilgeboten“
Vereinfacht: Alles was durch die Lüfte flog und Federn hatte wurde im Mittelalter – und lange danach – verspeist. Noch in den 1950er Jahren wurden im großen Umfang kleine Spatzen getötete, weil diese Weizen auffraßen.
Das große Umdenken: Nistkästen für Vögel und Insektenhotels
Nur ganz langsam fing der Blick auf die Natur sich zu wandeln an. Heutzutage käme wohl kaum jemand auf die Idee: Eine Kohlmeise zu fangen und diese zu verspeisen, sondern es werden ihr zuliebe sogar Nistkästen aufgehängt. Singvögel fressen eben nicht nur Weizen, sondern im noch größeren Umfang viele kleine Insekten auf.
Schmetterlingshaus: Ungeziefer als Touristenartaktion?
Eine vergleichbare Entwicklung ist auch bei Insekten zu beobachten: Früher als bloßes Ungeziefer verschrien, hat sich auch hier der Blick vollkommen umgekehrt. Volksbegehren wie „Rettet die Bienen“ haben eine enorme Reichweite erzielt. Tatsächlich füllen auch Insekten eine wichtige Funktion in der Natur aus: Für die Bestäubung von vielen Pflanzen sind sie unerlässlich. Außerdem finden sie sich sie am Anfang der Nahrungskette wieder. Kurzum: Wer Singvögel retten will, muss zwangsläufig auch deren Nahrungsquelle retten. Zudem lassen sich Insekten sogar als Touristenattraktion nutzen.
„Das Schmetterlingshaus in Jonsdorf lädt zum Staunen und Entdecken ein!“
>>Schmetterlingshaus Jonsdorf<<
„Das Schmetterlingshaus in Jonsdorf lädt zum Staunen und Entdecken ein! Frei nach dem Motto „Erholen, erleben und erlernen“ entstand in Jonsdorf, eine faszinierende zoologische Besonderheit. Tauchen Sie in eine vollkommen andere Welt und lassen Sie sich von über 200 Schmetterlingen in 35 verschiedenen Arten bezaubern, hier in unserem Tropenhaus.“
„Tauchen Sie in eine vollkommen andere Welt und lassen Sie sich von über 200 Schmetterlingen in 35 verschiedenen Arten bezaubern“
Immer mehr Menschen stellen nicht nur Nistkästen für Vögel, sondern auch Insektenhotels auf. Überspitzt: Was Gestern noch rücksichtslos Gejagt wurde, das stellt Heute eine vergötterte Tierart dar. Das Alles geht natürlich auf den Zeitgeist und das – aktuelle – wissenschaftliche Verständnis zurück. Eine analoge Entwicklung ist auch bei Bakterien, Pilzen und Viren zu beobachten.
Ohne Bakterien und Pilze gebe es kein Brot – Käse – Alkoholika
Zwar ist der Schimmelpilz vielfach verschrien, aber ohne ihn gebe es weder Antibiotika, noch Schimmelkäse. Auch Brot, Käse und Alkoholika sind ohne den Hefepilz nicht vorstellbar. Der gesamte menschliche Darm – und damit das Verdauungssystem – kommt ohne Bakterien nicht aus. Bis Heute sind die Vorgänge im Darm nicht restlos geklärt. Sogar die viel verschrienen Viren haben eine wichtige Funktion zu erfüllen.
Bakteriophagen: „Da weitermachen, wo Antibiotika an ihre Grenzen kommen“
„Einer der Hoffnungsträger auf der Suche nach Therapien, die da weitermachen, wo Antibiotika an ihre Grenzen kommen, sind Bakteriophagen. Diese Gruppe von Viren infiziert und tötet gezielt Bakterien. Für den Menschen sind sie dagegen unschädlich.“
Bakteriophagen: „Diese Gruppe von Viren infiziert und tötet gezielt Bakterien“
Viren werden immer noch als bloße Krankheitserreger angesehen, dabei ist deren genaue Funktion in der Biologie kaum erforscht: Obwohl die Bedrohung durch Multiresistente Erreger praktisch nicht mehr zu leugnen ist und viele Menschen dadurch sterben: Trotzdem findet der Einsatz von Bakteriophagen nur sehr zögerlich statt.