Vermögensungleichheit – Vom Bauernlegen zur temporären Vermögenssteuer: “Von ausschlaggebender Bedeutung war, daß das sogenannte »Bauernlegen« staatlich legalisiert wurde”

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Die temporäre Krisenabgabe ist ein Thema, das in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit immer wieder aufkommt. In Anbetracht der Vermögensungleichheit wird die Diskussion um eine mögliche Vermögenssteuer immer wieder aufgeworfen. Dabei hängen Abgaben wie die Vermögenssteuer und die Vermögensungleichheit unmittelbar zusammen, was sich am Bauernlegen historisch festmachen lässt.

“Dass diejenigen, die über die höchsten Vermögen in unserem Land verfügen, zusätzlich eine einmalige Vermögensabgabe leisten”

>>n-tv<<

“Die Partei will nun, “dass diejenigen, die über die höchsten Vermögen in unserem Land verfügen, zusätzlich eine einmalige Vermögensabgabe leisten”, heißt es im verabschiedeten Leitantrag. Dem Parteivorstand hatte eine “temporäre Krisenabgabe” vorgeschwebt, die reichensteuerpflichtige Einkommenssteuerzahler zahlen sollten.”

“Parteivorstand hatte eine “temporäre Krisenabgabe” vorgeschwebt, die reichensteuerpflichtige Einkommenssteuerzahler zahlen sollten”

Wie würde eine solche Abgabe aussehen und welche Auswirkungen hätte sie? Tatsächlich hatte eine “temporäre Krisenabgabe” – respektive temporäre Vermögenssteuer – historische Vorläufer, welche die Kernaspekte bereits implementierte. Bereits in der Antike fand im großen Stil eine Umverteilung von Vermögen statt.

“Das »Bauernlegen« mit allen Mitteln bis hin zur nackten Gewalt nahm zu und beschleunigte die Ausdehnung der Großgüter”

>>An der Wiege Europas – Städtische Freiheit im antiken Rom von Werner Dahlheim (Buch) <<

“Was ihm ungeschmälert blieb, war seine wirtschaftliche Macht. Senatoren konnten ihren Grundbesitz nach wie vor ungehemmt mehren und brauchten dabei nicht zimperlich zu sein. Das »Bauernlegen« mit allen Mitteln bis hin zur nackten Gewalt nahm zu und beschleunigte die Ausdehnung der Großgüter; selbst der Kaiser war bei diesem Geschäft dabei, wenn es um die Arrondierung seiner Domänen ging. … Aelius Aristides, weitgerühmter Redner seiner Zeit (gest. um 187), wurde auf einer Reise nach Pergamon mit der Nachricht überrascht, der Nachbar seiner im Norden der Provinz Asia gelegenen mysischen Güter habe seine Abwesenheit genutzt, sei mit einer Schar gedungener Söldner und Sklaven über sein Landgut hergefallen und halte es besetzt. Zum Glück für den Redner residierte der Statthalter gerade in Pergamon und machte dem Spuk ein schnelles Ende. Was hier dem Einflußreichen bei Nacht und Nebel widerfuhr, geschah dem kleinen Bauern am hellichten Tag, und er fand selten einen aufrechten römischen Beamten, der sich für ihn schlug.”

“Geschah dem kleinen Bauern am hellichten Tag, und er fand selten einen aufrechten römischen Beamten, der sich für ihn schlug”

Das Prinzip einer Art von “temporäre Krisenabgabe” war also schon in der Antike – sprich Römischen Reich – bekannt. Durch das Bauernlegen wurde die Ausdehnung von Ländereien der Gutsherren beschleunigt. Die Praxis des Bauernlegens war ebenso eine weitverbreitete Erscheinung im Mittelalter, bei der Landbesitzer ihre Macht ausnutzten, um sich den Grundbesitz ihrer Untertanen anzueignen.

“Von ausschlaggebender Bedeutung war, daß das sogenannte »Bauernlegen« staatlich legalisiert wurde”

>>Die preußischen Königinnen von Karin Feuerstein-Praßer (Buch) <<

“Am Hofe seines Großonkels (und späteren Schwiegervaters) Friedrich Heinrich von Oranien hatte Friedrich Wilhelm die Vorteile eines »stehenden Heeres« kennengelernt, einer stets präsenten, einsatzbereiten Armee, die allerdings den großen Nachteil hatte, daß sie Unsummen verschlang, wesentlich mehr als jene zusammengewürfelten Söldnerhaufen, die bei Kriegsbeginn im wahrsten Sinne des Wortes »zusammengetrommelt« und nach Einstellung der Kämpfe wieder verabschiedet wurden. Geld aber besaß der junge Kurfürst nicht, und die Stände waren naturgemäß wenig daran interessiert, eine Armee zu finanzieren, die den Landesherrn stärken und ihre eigene Position damit zwangsläufig schwächen würde. Und doch billigten sie im Laufe der Jahre Friedrich Wilhelm ein »stehendes Heer« zu – allerdings nur um den hohen Preis wirtschaftlicher Vergünstigungen. Die Junker, wie man die märkischen Landadeligen bezeichnete, konnten so eine erhebliche Ausweitung ihrer Gutsherrenrechte durchsetzen. Im Landtagsrezeß von 1653 wurden ihnen nicht nur Abgabenfreiheit, Zollfreiheit für Korn-, Holz- und Wollausfuhr, freies Jagdrecht und ähnliche Privilegien zugestanden, von ausschlaggebender Bedeutung war, daß das sogenannte »Bauernlegen« staatlich legalisiert wurde, und zwar in einer für die Bauern besonders drückenden Form: Die Leibeigenschaft galt als das Übliche, und wo ein Bauer behauptete, frei zu sein, oblag ihm die Beweislast. Daß er kaum eine Chance hatte, muß nicht eigens betont werden. Das freie Bauerntum war damit praktisch beseitigt worden, und die Junker konnten mit ihrer »Entschädigung« mehr als zufrieden sein.”

“Die Leibeigenschaft galt als das Übliche, und wo ein Bauer behauptete, frei zu sein, oblag ihm die Beweislast”

Dies führte zur Enteignung vieler Bauernfamilien und hatte gravierende soziale Folgen. Im Zusammenhang mit der Ausdehnung von Ländereien ist es wichtig zu verstehen, dass diese Praktiken vor allem dazu dienten, die Rechte und Privilegien der Gutsherren weiter auszuweiten. Durch das Bauernlegen konnten sie ihren Einflussbereich vergrößern und gleichzeitig Leibeigene an sich binden.

“Wer sich den Anforderungen der Gutsherren verweigert, läuft Gefahr, durch »Bauernlegen« enteignet zu werden”

>>Karl der Große: Die Korrektur eines Mythos von Rolf Bergmeier (Buch) <<

“Wer sich den Anforderungen der Gutsherren verweigert, läuft Gefahr, durch »Bauernlegen« enteignet zu werden: Der Bauer bzw. Hörige wird im Rahmen der Heerespflicht zum Kriegsdienst eingezogen, bis er verarmt ist und sein Eigentum wohl oder übel übergeben oder verkaufen muss. Diese Praxis soll das Einkommen der Gutsbesitzer durch Übernahme der Höfe und deren unmittelbare Bewirtschaftung erhöhen und wird von Bischöfen, Äbten und Grafen gleichermaßen angewendet. Es hat nicht unwesentlich zu dem großen Grundbesitz der Klöster beigetragen.”

“Rahmen der Heerespflicht zum Kriegsdienst eingezogen, bis er verarmt ist und sein Eigentum wohl oder übel übergeben oder verkaufen muss”

Eine besondere Gefahr bestand darin, dass durch das Bauernlegen viele Menschen in die Abhängigkeit gerieten. Die enteigneten Bauern wurden oft gezwungen für ihren ehemaligen Besitzherren als Tagelöhner zu arbeiten oder mussten aufgrund der fehlenden Existenzgrundlage ihr Glück anderswo suchen – häufig ohne Erfolg. Diese Vorgehensweise ging einher mit einer Stärkung der Privilegien von Gutsherren. Sie genossen bereits Abgabenfreiheit sowie Zollfreiheit für ihre Warenproduktion – nun konnten sie auch noch weitere Flächen kontrollieren und somit mehr Erträge erwirtschaften. Dieser Prozess griff dann auch auf die später Industrialisierung über.

“500 untereinander verwandten und verschwägerten Familien befanden, die bereits 1913 zur Oberschicht und Geldaristokratie gehörten”

>>Freiheit statt Kapitalismus – Über vergessene Ideale, die Eurokrise und unsere Zukunft von Sahra Wagenknecht (Buch) <<

“Bernt Engelmann weist in seinem immer wieder lesenswerten Klassiker Das Reich zerfiel, die Reichen blieben mittels einer akribischen Untersuchung nach, dass sich im Deutschland der siebziger Jahre etwa zwei Drittel aller großen Industrieunternehmen, Handelsfirmen und Banken im Eigentum einer Gruppe von etwa 500 untereinander verwandten und verschwägerten Familien befanden, die bereits 1913 zur Oberschicht und Geldaristokratie gehörten und schon damals über ähnliche wirtschaftliche Machtbastionen verfügten wie sechzig Jahre später. Die Beantwortung der Frage, wem die Bundesrepublik eigentlich gehört, führt uns, schreibt Engelmann, zu den

»heute noch steinreichen und mächtigen Erben der Geld- und Machtelite des Kaiserreichs, deren Vermögen zumeist schon in früheren Jahrhunderten gebildet wurde – durch Bauernlegen, Menschenschinderei, Wucher und Geldfälschung, mittels Bestechung erschlichene Monopole, Soldatenverkauf, Straßenraub und Erpressung oder mit den verfeinerten Methoden frühkapitalistischer Ausbeutung …«

“Heute noch steinreichen und mächtigen Erben der Geld- und Machtelite des Kaiserreichs, deren Vermögen zumeist schon in früheren Jahrhunderten gebildet wurde”

Es ist wichtig, sich dieser historischen Zusammenhänge zu verstehen und die Bedeutung für die heutige Zeit zu reflektieren. Denn nur dadurch kann ein Verständnis zur heutigen Vermögensungleichheit die Gegenwart gezogen werden und mögliche ähnliche Tendenzen lassen sich frühzeitig erkennen. Denn auch heute ist die Vermögensbildung für gewöhnlich Arbeitnehmer erheblich erschwert.

“Denn auch nach 30 Jahren deutscher Einheit würden Vermögen fast nur im Westen vererbt”

>>Welt<<

“Der CDU-Vorsitzende … dringt auf bessere Möglichkeiten zur Vermögensbildung für Arbeitnehmer. Ein ausführliches Konzept hierfür müsse im nächsten Grundsatzprogramm der CDU enthalten sein, das im kommenden Jahr verabschiedet werden soll, sagte der Oppositionsführer im Bundestag am Donnerstag beim Deutschen Sparkassentag in Hannover. Er warnte: «Wir werden in diesem Land sozialen Frieden nicht erreichen, wenn wir nicht Wohneigentum- und Altersvermögensaufbau besser machen, als wir das gegenwärtig tun.» Anzeige Eine «besondere Zuwendung» brauchen hier … die ostdeutschen Länder. Denn auch nach 30 Jahren deutscher Einheit würden Vermögen fast nur im Westen vererbt, wie das Aufkommen der Erbschaftssteuer zeige. «Die waren 40 Jahre lang nicht dabei und haben 40 Jahre lang die Chance nicht gehabt, in Frieden, Freiheit und marktwirtschaftlicher Ordnung auch Vermögen zu bilden», sagte der CDU-Chef mit Blick auf die Menschen in Ostdeutschland. «Wir haben keine wirklich durchgreifend gute Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland am Produktivvermögen unserer Volkswirtschaft», bemängelte … .”

“Wir haben keine wirklich durchgreifend gute Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland am Produktivvermögen unserer Volkswirtschaft”

Das Bauernlegen führte nicht nur zur Verarmung zahlreicher Familien, sondern verstärkte auch die Macht einiger weniger Menschen, welche teilweise ihre Macht bis heute ausbauen konnten. Eine “temporäre Krisenabgabe” würde das Vermögen der wirklich Reichen ohnehin nicht treffen, sondern deren Vermögen – im Zuge darauf folgenden Umverteilung – noch weiter vergrößern und den sozialer Zusammenhalt negativ beeinflussen.