Neutralitätspflicht & gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb versus Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk

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Existiert ein Staatsfunk? Vor dem Hintergrund der oft einseitigen und teilweise voreingenommenen Berichterstattung ist diese Frage durchaus legitim. Zudem sorgt die teilweise völlig überholte Rundfunkgebühr bei zahlreichen Menschen für erhebliche Kritik. Also, existiert ein Staatsfunk?

“Immer wieder wird ARD und ZDF in der öffentlichen Debatte unterstellt, im Auftrag von Politik und Regierung zu senden”

>>Norddeutscher Rundfunk<<

“Staatssender”, “Staatsfernsehen”, “Staatsfunk”: Immer wieder wird ARD und ZDF in der öffentlichen Debatte unterstellt, im Auftrag von Politik und Regierung zu senden. Was unterscheidet die Öffentlich-Rechtlichen von einem “Staatsfunk”? … Der Staat darf nicht diktieren, wie das Programm von ARD, ZDF oder Deutschlandradio aussieht. “Maßgeblich für die Entwicklung dieses staatsfernen Verständnisses des öffentlich-rechtlichen Rundfunks war und ist das Bundesverfassungsgericht”, erklärt der Medienrechtler Tobias Gostomzyk von der TU Dortmund im Gespräch mit dem ARD-faktenfinder. Die Karlsruher Richter haben in ihren Fernsehurteilen immer wieder klargemacht: In Deutschland darf es keinen Staatsfunk geben.”

“In Deutschland darf es keinen Staatsfunk geben”

Die Antwort ist jedoch lediglich teilweise korrekt. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen hat sich das Bundesverfassungsgericht ausschließlich auf die Gremien der Rundfunkanstalten konzentriert und dabei lediglich die Frage betrachtet, wie viele Vertreter direkt von politischen Parteien entsandt werden. Diese Sichtweise ist jedoch vollkommen unzureichend und lässt wesentliche Aspekte vollständig außer Acht.

“Öffentlich-Rechtlichen im Internet” – “In Wahrheit geht es um Einfluss auf die öffentliche Meinung”

>>Spiegel<<

“Jeder darf mal in diesen Tagen: Gewerkschaften, Politiker, Verbände – alle fordern Freiheit für die Öffentlich-Rechtlichen im Internet. In Wahrheit geht es um Einfluss auf die öffentliche Meinung. … Innerhalb der eigentümlichen Koalition derer, die nun so heftig für mehr öffentlich-rechtliches Internet streitet, kennt man einander: weil Gewerkschaften, Parteien und Verbände gemeinsam die Rundfunkräte stellen, die Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Anstalten.”

“Gewerkschaften, Parteien und Verbände gemeinsam die Rundfunkräte stellen”

Es ist mitnichten ein isolierter Vorfall. Die Gesichter sind derart austauschbar, dass es für Außenstehende kaum möglich ist, die jeweilige Rolle einer Person zu identifizieren.

Anna Engelke – ARD-Hauptstadtstudio oder Sprecherin des Bundespräsidenten?

>>Spiegel<<

“Ab Juli arbeitet Anna Engelke, Ex-Sprecherin von Frank-Walter Steinmeier, im ARD-Hauptstadtstudio. Manche warnen vor einer Verquickung von Politik und Journalismus.”

“Manche warnen vor einer Verquickung von Politik und Journalismus”

Ein Sprecher der Regierung wechselt in die journalistische Tätigkeit, während ein Journalist die Rolle des Regierungssprechers übernimmt. Die Positionen und Personen sind so flexibel, dass selbst Fachleute, die mit den Abläufen vertraut sind, gelegentlich den Überblick verlieren können.

“Ein Regierungssprecher wechselt in den Journalismus, ein Journalist wird Regierungssprecher”

>>Stern<<

“Ein Regierungssprecher wechselt in den Journalismus, ein Journalist wird Regierungssprecher. Während manche Kollegen den Wechsel misstrauisch beäugen, stärkt ihm sein Vorgänger vorsichtshalber den Rücken.”

“Während manche Kollegen den Wechsel misstrauisch beäugen, stärkt ihm sein Vorgänger vorsichtshalber den Rücken”

Ein weiterer Punkt ist ebenfalls von Bedeutung. Die Existenz der “Freundeskreise” innerhalb der Gremien von Fernsehen und Rundfunk stellt seit längerer Zeit eine Herausforderung für die Legitimität der öffentlich-rechtlichen Aufsichtsräte dar. In diesem Zusammenhang sind die Farben „Rot“ und „Schwarz“ von erheblicher Relevanz.

“Regime der „Freundeskreise“ in Fernseh- und Rundfunkräten ist schon länger ein Problem für die Legitimation”

>>Netzpolitik<<

“Das Regime der „Freundeskreise“ in Fernseh- und Rundfunkräten ist schon länger ein Problem für die Legitimation öffentlich-rechtlicher Aufsichtsratsgremien.  … Freundeskreise, die sich vor den offiziellen Plenumssitzungen zu Vorberatungen treffen, sind kein Spezifikum des ZDF-Fernsehrats. Auch in den Rundfunkräten der ARD gibt es „Freundeskreise“, neben roten und schwarzen gibt es dort auch „graue“ Freundeskreise, in denen sich zum Beispiel kirchliche und andere zivilgesellschaftliche Mitglieder vorab abstimmen.”

“Auch in den Rundfunkräten der ARD gibt es „Freundeskreise“, neben roten und schwarzen gibt es dort auch „graue“ Freundeskreise”

Die Freundeskreise im öffentlich-rechtlichen Rundfunk In den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wie ARD und ZDF stellen die sogenannten Freundeskreise ein kontroverses Thema dar. Diese informellen Gruppen, die sich vor offiziellen Plenarsitzungen versammeln, sehen sich häufig der Kritik ausgesetzt, da sie eine unzulässige Verquickung zwischen Politik und Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk herstellen. Besonders bedenklich ist die Legitimität der Aufsichtsratsgremien im öffentlich-rechtlichen Sektor, in denen Mitglieder dieser Freundeskreise vertreten sind. Es ist nicht verwunderlich, dass sie sich einen schlechten Ruf erarbeitet haben.

“Kontroll- und Aufsichtsgremien der Öffentlich-Rechtlichen schließen große Teile der Gesellschaft aus”

>>Übermedien<<

“Rundfunkräte sollen die demokratischen Kontrolle der Gesellschaft über ARD, ZDF und Co. sicherstellen. … Die Kontroll- und Aufsichtsgremien der Öffentlich-Rechtlichen schließen große Teile der Gesellschaft aus. „Kungelrunden“, „Abnick-Automaten“ oder, wie TV-Moderator Günther Jauch sie einst nannte, „Gremien voller Gremlins“: Rundfunkräte haben nicht das allerbeste Image. Dabei sind sie eigentlich eine tolle Erfindung. Sie sorgen dafür, dass der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk (ÖRR) auch tatsächlich von der Öffentlichkeit kontrolliert wird.”

Rundfunkräte: “Kungelrunden” – “Abnick-Automaten” – “Gremien voller Gremlins”

Die Überwachung durch diese Rundfunkräte wirft einige Fragen auf. Obwohl es den Parteien nur gestattet ist, eine begrenzte Anzahl ihrer Vertreter auf “direkte Weise” zu entsenden, zeigt die Praxis, dass die tatsächlichen Gegebenheiten völlig anders sind.

“Wer jedoch ist der CDU-Abgeordnete Reinhard Göhner?”

>>Der Deutschland-Clan von Jürgen Roth (Buch) <<

“Wer jedoch ist der CDU-Abgeordnete Reinhard Göhner? Zu Zeiten von Helmut Kohl war er Staatssekretär im Justiz- und später im Wirtschaftsministerium. Ihm selbst wurde immer wieder vorgeworfen, er würde Privat- und andere Interessen miteinander verquicken. Schließlich ist er auch Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und Mitglied im ZDF-Fernsehrat.”

“Reinhard Göhner” – “Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und Mitglied im ZDF-Fernsehrat”

Er hat das Ticket für den ZDF-Fernsehrat – formal betrachtet – nicht aufgrund seiner politischen Zugehörigkeit, sondern aufgrund seiner Rolle innerhalb der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände erhalten. Diese zivilgesellschaftliche Organisation wird dann als Vorwand genutzt, um eine Unabhängigkeit von Staat und Parteien vorzutäuschen. Es ist offensichtlich, dass diese engen Verflechtungen der Öffentlichkeit bekannt sind, doch selbst das Bundesverfassungsgericht äußert sich in seinen Urteilen nicht zu diesem Thema. Daher ist es wenig überraschend, dass das Vertrauen der Zuschauer in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abnimmt. Dieser Einfluss auf den Rundfunk steht jedoch in direktem Widerspruch zur Pflicht zur Neutralität.

“Demokratische Legitimation im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG vermögen Wahlen und Abstimmungen aber nur zu vermitteln, wenn sie frei sind”

>>Meinungsunfreiheit von Wolfgang Kubicki (Buch) <<

“Im Juni 2020 wies das Bundesverfassungsgericht Bundesinnenminister Horst Seehofer von der CSU in die Schranken. Seehofer hatte auf der Internetpräsenz seines Ministeriums ein Interview veröffentlicht, in dem er hart gegen die AfD austeilte und deren Gebaren unter anderem als »staatszersetzend« bezeichnete. Die Karlsruher Richter kamen in einem lesenswerten Urteil zum Schluss, dass Seehofer seine Neutralitätspflicht verletzt und unzulässig in das Recht der AfD auf chancengleiche Teilnahme am politischen Wettbewerb eingegriffen habe: Demokratische Legitimation im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG vermögen Wahlen und Abstimmungen aber nur zu vermitteln, wenn sie frei sind. Dies setzt nicht nur voraus, dass der Akt der Stimmabgabe frei von Zwang und unzulässigem Druck bleibt, sondern, auch, dass die Wähler­innen und Wähler ihr Urteil in einem freien und offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen und fällen können.”

“Wähler ihr Urteil in einem freien und offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen und fällen können”

Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk befindet sich demnach nicht lediglich im Widerspruch zur Verpflichtung zur staatlichen Neutralität, sondern übt auch einen nicht gerechtfertigten Einfluss auf Wahlen aus. Dies berührt das Recht auf freie Wahlen, welches im Grundgesetz verankert ist.