Lausitzer Sorben – Weit mehr als merkwürdige Folklore: Der schleichende Sorbische Kulturverlust

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Gibt es tatsächlich einen schleichende Sorbische Kulturverlust? Und falls ja, lässt er sich an harten Fakten festmachen? Über die Sorben wird meistens nur merkwürdiges Folklore-Bild gezeichnet. Dabei haben sie großartige Künstler, Komponisten und Schriftsteller hervorgebracht, die weit über die Grenzen der Lausitz hinaus an Bekanntheit erlangten. Doch genau dieser größere Rahmen wird häufig übersehen. Dabei spiegelt bereits das gängige merkwürdige Folklore-Bild über die Lausitzer Sorben den schleichende Sorbische Kulturverlust wider.

„Kommt der Bundespräsident in die Lausitz, erinnert man sich plötzlich an die Sorben“

>>taz<<

“Sorben sind oft: bemalte Eier, Folklore, alte Damen in Trachten. Gibt es eine sorbische Moderne?

Dass diese Frage gestellt wird ist schon ein Problem, weil sie zeigt, wie wenig in der deutschen Mehrheitsgesellschaft über Sorben bekannt ist. Man greift auf uns immer als Klischee zurück. Sorben sind gut, um mit Brot und Salz und in Trachten zu begrüßen. Kommt der Bundespräsident in die Lausitz, erinnert man sich plötzlich an die Sorben. Dabei gibt es bei uns Rockmusik, es gibt Literatur aller Genres, moderne Thea­ter­stücke. Es gibt alles, was unsere deutschen Nachbarn auch haben.”

„Sorben sind oft: bemalte Eier, Folklore, alte Damen in Trachten“

Dieses Klischee ist kaum verwunderlich: Schließlich war es schon zu DDR-Zeit mitnichten anders: Die Sorben haben gewissermaßen als „buntes Aushängeschild“ der DDR gegolten. Das ganze nahm dabei regelrecht groteske Züge an: Manche Menschen – aus anderen Teilen der DDR – haben die Sorben sogar für eine reine Erfindung der SED gehalten. Aber prinzipiell sind Vergleiche mit der Gegenwart erkennbar.

Domowina gegen Sorben: „Wir Sorben wurden und werden vorgezeigt“

>>Leipziger Volkszeitung<<

„Galten die Sorben nicht offiziell als die Hätschelkinder der DDR?

Nur nach außen. Von den Sorben wurde in der DDR ein merkwürdiges Folklore-Bild produziert, das auch heute wieder Konjunktur hat. Wir Sorben wurden und werden vorgezeigt, wenn’s ums Bemalen von Ostereiern oder das Osterreiten geht. Immer wenn Ostern ist, werden wir als Folklorevolk präsentiert. Dass wir ein Kulturvolk sind mit einer Hochsprache seit der Reformation, das spielt kaum eine Rolle in der Öffentlichkeit.“

„Ein merkwürdiges Folklore-Bild produziert – Das auch heute wieder Konjunktur hat“

Dieses „Folklore-Bild“ wird faktisch seit dem Anfängen der DDR gepflegt. Die gesamte Sorbische Kultur wird auf ein paar – immer gleichlautende – Narrative eingedampft. Bei jeder anderen Kulturvolk wäre der Vorwurf des Rassismus zum Greifen nahe, aber bei der Sorbische Kultur scheint es augenscheinlich keine Rolle zu spielen. Dabei kann das Sorbische Kulturvolk auf eine Geschichte zurückblicken: Schon byzantinische Chronisten wussten davon zu berichten.

Antikes Byzanz: „Hinweise auf eine eigenständige sorbisch-wendische Musikkultur“

>>Universität Potsdam (PDF-Datei) <<

„Hinweise auf eine eigenständige sorbisch-wendische Musikkultur geben nicht nur archäologische Funde von Knochenflöten, Warzenklappern, Bronzeglöckchen und Fragmente eines Saiteninstrumentes, das „gusla“ genannt wurde, sondern auch einige historische Berichte. Als frühester gilt der des byzantinischen Chronisten Theophylaktos Simokattes (um 600), wo drei wendische Musikanten als Gefangengenommene erwähnt sind, die „ungeübt im Waffengebrauch, aber geschickt im Spiel auf der „cytara“ („gusla“) waren“. Als weiterer (unter anderen) ebenso der des Thietmar von Merseburg (975-1018), in dem mitgeteilt wird, dass die heidnischen „Surbi“ das christliche „Kyrieeleison“ mit „Vkri volša“ (Am Strauch steht eine Erle) parodierten und dass ihrem Heere „tubicinis“ (Bläser) voranschritten.“

Die lange Geschichte der Sorbischen Musik

Der sorbischstämmige Komponisten wie Johann Crügersorbisch Jan Krygaŕ – setzten die Tradition fort. Immer wieder hat das kleine Volk in der Lausitz herausragende Künstler und auch Schriftsteller hervorgebracht. Der Schriftsteller Jurij Brezan schrieb zwar vorwiegend in Sorbischer Sprache, aber seine Werke wurden in sehr vielen Sprachen übersetzt. Und genau an dieser Stelle fangen die modernen Probleme der Sorbischen Kultur an. Die Sorbisch Unterricht ist mittlerweile so schlecht geworden: Die Schüler Bücher können die Bücher von Jurij Brezan im Original schlicht nicht mehr lesen.

„Es wäre schön, wenn die Kinder Bücher von Jurij Brezan im Original lesen könnten“

>>Lausitzer Rundschau<<

„Annett Sarodnik hat durchaus Ansprüche an die sorbische Ausbildung in Lausitzer Schulen: „Es wäre schön, wenn die Kinder Bücher von Jurij Brezan im Original lesen könnten.“ Brezan (1916-2006) gilt als einer der bedeutendsten sorbischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Doch um seine Texte lesen und verstehen zu können, seien tiefgreifende Kenntnisse des Sorbischen unabdingbar.“

Jurij Brezan: Er gilt als einer der bedeutendsten Sorbischen Schriftsteller

Der schleichende Sorbische Kulturverlust lässt sich sehr wohl an harten Fakten festmachen. Sorbische Literaturwissenschaften zu studieren: Das ist praktisch unmöglich. Außer vielleicht Lehramt sind keine Sorbischen Studiengänge praktisch möglich. Zugleich bleiben viele Sorbische Manuskripte einfach beim Verlag liegen.

„Deutlich zu niedrig angesetzt scheint dem Sorbenforscher der Förderbetrag für den Domowina-Verlag“

>>Technische Universität Dresden<<

„Deutlich zu niedrig angesetzt scheint dem Sorbenforscher der Förderbetrag für den Domowina-Verlag, der u.a. Schulbücher, eine Tageszeitung, eine Wochenzeitung, eine sorbische Kulturzeitschrift und zwei Kindermagazine herausgibt. Was dann noch für Belletristik bleibt, ist nicht viel. Manches Manuskript liegt beim Verlag und kann nicht veröffentlicht werden. Dass die Stiftungsverwaltung nur etwas weniger Geld verschlingt als der gesamte Domowina-Verlag, hält Prunitsch für einen Kardinalfehler der Kulturförderung.“

„Stiftungsverwaltung nur etwas weniger Geld verschlingt als der gesamte Domowina-Verlag“

Kurzum: Viel Geld bleibt in der Verwaltung hängen, aber wenige Mittel kommen bei der echten Kulturförderung an. Der schleichende Sorbische Kulturverlust fängt bei der Bildung in Schulen und Universitäten an und hört bei der echten Kulturförderung auf.