Lausitzer Mythen: Die Wassermannsfrau und die Wehmutter
Es ging einmal in der Gegend des nach Bautzen gehörigen Dorfes Döbschütz eine Wehmutter am See vorüber. Da begegnete ihr eine große Kröte. Die Kröte saß traurig am Ufer und sah die Wehmutter mit betrübten Augen an und bat sie, sie möchte doch mit ihr gehen, ihre Herrin sei in Kindesnöthen und wolle gebären, sie würde sie gewiß reichlich belohnen.
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Von Johann Georg Theodor Grässe
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Die Wehmutter bedachte sich ein Weilchen, dann sagte sie: „ja! ich will mit Dir gehen, führe mich nur!“ Da sprang die Kröte sofort ins Wasser, das Wasser theilte sich und zeigte eine breite Treppe. Auf der Treppe aber stand ein junges Mädchen, das sagte ganz freundlich zu der Wehmutter: „steige nur getrost hinab, es wird Dir kein Leid widerfahren!“ Denn die Frau fürchtete sich. Doch sie stieg hinab ins Wasser, dasselbe schloß sich wieder über ihr und nun gelangte sie an der Hand ihrer Führerin in einen wunderschönen Palast von lauter durchsichtigen und glänzenden Krystallen und es war Alles sehr schön und prachtvoll eingerichtet und auf einem seidenen Ruhebette lag eine wunderschöne Frau in Kindesnöthen. Als Alles vorüber war und ein munteres Knäblein zur Welt gefördert worden war, da erzählte die Wöchnerin der Wehmutter, sie habe einst im See gebadet, da habe sie der Nix geraubt; anfänglich habe sie sich vor ihm gefürchtet, aber hernach sei sie seine liebe Frau geworden. Einmal kam auch der Nix ins Wohnzimmer, liebkosete die Frau und das Kind und belohnte die Wehmutter sehr reichlich und außerdem ward sie da unten fürstlich bewirthet. Als alle Gefahr vorüber war, führte das junge Mädchen die Wehmutter wieder auf die Oberwelt und das Wasser schloß sich wieder hinter ihr. Von ihrem reichlichen Lohne aber hat sie lange gelebt.