Lausitzer Geschichte: Die große Wasserflut im oberen Rödertale im Jahre 1804

Wiederholt ist das obere Rödertal von gewaltigen Hochfluten heimgesucht worden, das letzte Mal am 29. und 30. Juli 1897. Doch die größte Wasserflut, die die Bewohner des oberen Rödertales heimsuchte, brach bereits im Juni 1804 herein. Der Winter zuvor war äußerst strenge gewesen. Sämtliche Wassermühlen des Rödertales froren ein, und das Eis in Flüssen und Teichen reichte bis auf den Grund. Die tiefsten und festesten Keller vermochten die beißende Kälte nicht mehr von sich abzuhalten.
Der harte Winter 1804: Kälte, Frost und Wassermangel
Das Röhrwasser fror vollständig ein, und die Brunnen hörten auf zu fließen. Infolgedessen trat großer Wassermangel ein. In Pulsnitz zersprengte die extreme Kälte den großen Wassertrog auf dem Marktplatz. Die Bewohner Stolpens mussten das Wasser in Rennersdorf kaufen, da ihre eigenen Brunnen versiegt waren. Auch in Radeberg herrschte Wasserknappheit. Die Wintersaaten litten unter der furchtbaren Kälte so sehr, dass sie im Frühling umgepflügt werden mussten.
Frühling mit Hoffnung, doch bald folgte das Unwetter
Der Frühling brachte zunächst günstige Witterung, doch bald änderte sich das Wetter wieder. Anfang Juni hatten die Sonnenstrahlen acht Tage hindurch ein strahlenloses, milchweißes Licht ausgestrahlt, was gerade zu jener Zeit passierte, als der Vesuv und Ätna furchtbar wüteten. Am 12. Juni begann es zu regnen; der Regen wurde bald zu einem Wolkenbruch, und es schien, als hätten sich alle Fenster des Himmels geöffnet.
Die Flut breitet sich aus: Hochwasser und Zerstörung
Bald stiegen die Wasser der Gräben und Bäche aus ihren Ufern empor. Von den Bergen herab stürzten wahre Gießbäche, und die Röder vermochte die Wassermassen nicht mehr zu fassen. Sie trat aus ihren Ufern und überflutete weite Flächen des angrenzenden Landes. Der höchste Wasserstand wurde am 14. Juni erreicht. In Groß- und Kleinröhrsdorf, Wallroda und Radeberg standen viele Wohnhäuser bis zum zweiten Stock unter Wasser. Die Wege und Stege waren zerrissen, alle Brücken zerstört, die Wiesen mit Schlamm und Geröll bedeckt, und das Getreide auf den überfluteten Feldern wurde weggespült. Es war ein Elend ohnegleichen.
Menschen, Tiere und neue Quellen im Überfluss
Viele Menschen und Tiere ertranken in den Fluten. Die Erde war, so weit man sie aufgrub, durchnässt und mit Wasser vollgestopft. Überall brachen neue Quellen aus dem Boden hervor. Am Wege des oberen Kirchberges zu Großröhrsdorf, unweit der Schule, schoss ein starker Wasserstrom aus dem Berge, den man in einen besonderen Graben ableiten musste. Nachdem die Wasserflut sich gelegt hatte, kam wieder Regenwetter. Der ganze Sommer hindurch regnete es ununterbrochen.
Der verheerende Sommer: Verfaulendes Getreide und Hunger
Das wenige Getreide, das die Wassermassen verschont hatten, begann zu wachsen, doch ein Ernten war unmöglich, weil die Felder überschwemmt und das Korn verfaulte. Die Menschen gerieten in Verzweiflung. Mit Bangen blickte man dem kommenden Winter entgegen. Der Preis für ein Scheffel Korn stieg auf 9 Taler, für Weizen sogar auf 11 Taler.
Teuerung und Not: Hunger und Verzweiflung
Eine schreckliche Teuerung war die unmittelbare Folge der Naturkatastrophe. Im Juli 1805 kostete ein Scheffel Korn bereits über 18 Taler. Ein Lot Brot musste mit zehn Pfennigen bezahlt werden. Für dieses kleine Stück Brot gab es kaum noch etwas zu kaufen. Auf den Märkten kämpften die Menschen um das knappe Getreide, bei den Bäckern um das Brot. Ein kleines Brot kostete oft einen ganzen Taler – eine enorme Summe. Besonders hart traf es die ärmeren Leute, die damals kaum Unterstützung erhielten, wie es heute der Fall ist.
Verzweifelte Nahrungsbeschaffung: Kräuter, Wurzeln und Obst
Um zu überleben, griffen die Menschen zu unnatürlichen Mitteln: Sie aßen Gras, allerlei Kräuter und gruben Wurzeln aus der Erde, die sie teils roh, teils gekocht verzehrten. Die hungernden Kinder suchten das Obst der Bäume, das oft schon verblüht war. Bleiche, abgemagerte Gestalten schlichen durch die Dörfer, und die Arbeiter mussten hungrig ihrer Arbeit nachgehen.
Der edle Einsatz des Kurfürsten Friedrich August
Obgleich der Lohn der Arbeiter verhältnismäßig hoch war, reichte er kaum aus. Ein sogenanntes „Guldenbrot“ reichte für eine Person kaum aus. In dieser schweren Zeit zeigte sich der damalige Kurfürst von Sachsen, Friedrich August der Gerechte, als wahrer Landesvater. Er öffnete die Getreidemagazine und ließ Korn nach Sachsen fahren. Die Gemeinde Großröhrsdorf im oberen Rödertale erhielt am 22. Juli 1805 etwa 60 Scheffel Getreide. Am 23. Juli wurde es an die hungernden Bewohner verteilt. Am 2. August kamen noch einmal 60 Zentner Mehl, 3 Zentner Reis und 26 Scheffel Korn, da die Ernte infolge anhaltender Nässe erneut schlecht ausfiel.
Vergleichbare Notstände in anderen Teilen Sachsens
Ähnliche Katastrophen und Notlagen herrschten in anderen Teilen des sächsischen Vaterlandes in jenen Jahren. Während die Bevölkerung die besseren Jahre mit Dank und Lob begrüßte, erzählten die Eltern später ihren Kindern von den schweren Zeiten, die sie durchlebt hatten.
Eine Zeit des Elends und der Hoffnung
Die schweren Naturkatastrophen und die daraus resultierende Not prägten das Leben vieler Menschen in jener Zeit. Trotz aller Härten wurde auch Hoffnung gesät, und die Erinnerung an die Leiden und die Opfer wurde von Generation zu Generation weitergegeben.

















