Lausitzer Geschichte: Das alte Grabgewölbe bei Radeberg
Zu den ältesten Ortschaften im oberen Rödertale Sachsens gehört die jetzige Stadt Radeberg, deren Gründung noch vor jene Zeit fällt, da die Wenden die Herren unserer Gegend wurden, was im 5. Jahrhunderte geschah.
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Von Friedrich Bernhard Störzner
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Damals soll der Ort schon einige Jahrhunderte bestanden haben. Es ist fast mit Sicherheit anzunehmen, daß die Uranfänge Radebergs in die Zeit der ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt zurückfallen.
Die ältesten Teile der Stadt Radeberg haben wir in der Nähe des jetzigen Schlosses zu suchen und zwar auf dem diesen gegenüberliegenden Gelände, also auf dem rechten Röderufer. Hier liegen unter Rasenhügeln und Feldflächen die Uranfänge Radebergs vergraben, die uns in jene Zeit versetzen, da die Römer bis an die Weser und Elbe in die deutschen Urwälder vorgedrungen waren.
Es war im Jahre 1768. Der damalige Besitzer der Schloßmühle, Herr Senf, trug sich mit dem Gedanken, die Anlagen seines Gartens zu vergrößern, der den südlichen Teil des sogenannten Schloßberges einnahm. Auf dem Lande, welches außerhalb des Gartens lag und nun zum Garten mit eingezogen werden sollte, befanden sich uralte Schanzen. Dieselben ließ der Schloßmüller ebnen und dann mit Linden bepflanzen.
Beim Graben und Abtragen der erwähnten Schanzen stieß man auf ein altes Mauerwerk. Man grub nun vorsichtig weiter und kam bald auf ein Gewölbe. Dasselbe war gegen 6 m breit und gegen 7 m lang. Die Wände hatten eine Stärke von 5/4 m, ebenso auch die gewölbte Decke. Das Gewölbe war innen weiß übertüncht und ziemlich gut erhalten. Aufgeführt war es in der Hauptsache aus behauenem Sandstein von verschiedener Gestalt und Größe. Der Eingang lag nach Norden und war nur etwas über 1 m hoch. Das Gewölbe selbst war mit Schutt vollständig ausgefüllt.
Über 50 Jahre blieb das entdeckte Gewölbe völlig unbeachtet, bis der hochverdiente Rentamtmann Preusker zu Großenhain hier Nachforschungen veranstaltete. Das Gewölbe wurde gewissenhaft untersucht, und der Erfolg blieb nicht aus. In diesem unterirdischen Raume entdeckte man kleine Nischen, welche in den Wänden angebracht waren. Die Nischen enthielten verschiedene irdene Urnen, die zum Teil recht gut erhalten waren. Dieselben waren mit unbekannten Zeichen versehen, die man nicht zu enträtseln vermochte. Außerdem wurden Überreste von eisernen Waffen aufgefunden, ferner auch Münzen. Dieselben waren meist aus Kupfer hergestellt und entweder rund oder viereckig gestaltet. Sie stammten aus der Zeit der Kaiser Augustus, Claudius, Commodus und Constantin. Die aufgefundenen Münzen aus der Zeit des römischen Kaisers Augustus zeigten auf der einen Seite den Kopf des genannten Kaisers, auf der anderen Seite das Bild einer sitzenden und auf einen Stab sich stützenden Frau, daneben die Buchstaben S. C. (Senatus Consultu.) Die Münzen aus der Zeit des Kaisers Constantin zeigten auf der Vorderseite das Brustbild dieses Kaisers mit der Umschrift: „Constantinus Junior Nobilis Caesar“, auf der Rückseite zu beiden Seiten stehende, auf ihre Speere und Schilde gestützte römische Krieger in voller Rüstung mit der Umschrift: „Gloria Exercitus“. Zwischen den Kriegern waren zwei römische Kriegszeichen angebracht.
Über die hier gemachten Fundgegenstände hat Herr Rentamtmann Preusker eine besondere Schrift verfaßt mit dem Titel: „Beschreibung einiger bei Radeberg aufgefundenen Urnen mit unbekannten Charakteren. Halle 1828.“
Münzen waren auch schon von dem Schloßmüller Senf am Schloßberge aufgefunden worden und zwar zu wiederholten Malen.
Das entdeckte unterirdische Gewölbe war ein Grabgewölbe und stammte noch aus den frühsten Jahrhunderten. Vielleicht hat es ehemals als Familienbegräbnis gedient. Praßer schreibt in seiner im Jahre 1869 verfaßten Chronik über das aufgefundene Grabgewölbe bei Radeberg folgendes:
„Man weiß wohl, daß die römischen Heere sowohl in den Zeiten vor, als nach Christi Geburt bis an die Elbe vorgedrungen waren; allein von einem Übergange derselben über dieselbe meldet die Geschichte nichts. Da sich jedoch die Römer nach den Niederlagen, die ihnen der Cherusker Hermann bereitet hatte, durchaus nicht auf die Dauer für überwunden ansahen, sogar von Zeit zu Zeit wieder festen Fuß in Deutschland gewannen, sich die Germanen tributpflichtig machten, und während ihrer Oberherrschaft Deutschland besetzt hielten; – ferner: obgleich die Römer Erbfeinde der Germanen waren, standen diese mit ihnen dennoch zeitweilig in gutem Einvernehmen und schickten z. B. ihre Jünglinge nach Rom, damit sie sich daselbst ausbilden sollten.
Darum liegt es nicht fern, anzunehmen, daß die Römer wohl auch unter der Maske guter Freundschaft die zahlreichen Besuche der Deutschen in Rom hier erwiderten, indem ihnen ja dadurch die bequemste Gelegenheit geboten wurde, das Land und Volk auszukundschaften, um sich dadurch für spätere Kriege Vorteile zu sichern. Auch ist es wohl denkbar, daß einzelne Trupps von den jenseits der Elbe lagernden römischen Heeren herüberkamen, um unter dem Schutze von Wäldern und Schluchten, darin sie sich auch jene Gruft gebaut haben, ihren Kameraden einen Weg ausfindig zu machen.
Deshalb ist es nicht unbedingt nötig, daß man, wie Preusker meint, in der erwähnten Höhle eine Grabstätte der Deutschen erkennen muß, die solche nach römischem Schnitte anlegten, nach ihrer Gewohnheit, den Römern alles nachzuahmen. Mußten es ja auch nicht eben gefallene Helden, sondern es konnten im Frieden verstorbene Römer sein, die man daselbst bestattete; denn Schlachten und Kämpfe der Germanen mit den Römern diesseits der Elbe lassen sich geschichtlich nicht nachweisen.“
Das aufgefundene Grabgewölbe ist nach Preuskers Zeit leider der Vernichtung schonungslos preisgegeben worden. Es ist völlig verfallen, die Steine hat man hie und da verwandt, so daß das alte Grabgewölbe heute spurlos verschwunden ist. Heute würde es sicherlich eine Wallfahrtsstätte für Freunde des Altertums sein und zu den größten Sehenswürdigkeiten der Stadt Radeberg gehören. Nicht ausgeschlossen ist es aber, daß durch Zufall ein ähnlicher Fund am Schloßberge gemacht werden könnte. Hoffentlich werden dann einsichtsvolle Männer für Erhaltung desselben rechtzeitig Sorge tragen!