Könnte eine Wehrpflichtarmee tatsächlich die Landesverteidigung übernehmen?
Die Wiedereinführung der Wehrpflicht wird in regelmäßigen Abständen gefordert. Offiziell darf die Wehrpflicht nur zur Landesverteidigung dienen. Allerdings bisher hat noch niemand die Frage beantwortet: Könnte eine Wehrpflichtarmee tatsächlich die Landesverteidigung übernehmen? Was würde im fiktiven Verteidigungsfall wirklich passieren und wie würden sich Bundeswehr und übrige Verwaltungseinrichtungen – im Ernstfall – verhalten?
„Ziemlicher Schock“ – „Guten Abend, zu Wasser und zu Luft sind heute Nacht … „
„Einstieg in das „heute journal“ … war für viele Zuschauer ein ziemlicher Schock. Moderator … blickte mit einem ernsten Gesicht in die Kamera und verkündete: „Guten Abend, zu Wasser und zu Luft sind heute Nacht amerikanische, deutsche und andere europäische Verbündete unterwegs nach Estland, um die die russischen Verbände zurückzuschlagen, die sich dort wie vor einigen Jahren auf der Krim festgesetzt haben.“ Ein Krieg zwischen Nato-Streitkräften und Russland im Baltikum?“
Was würde im fiktiven Verteidigungsfall wirklich passieren?
Allerdings stellte sich diese Meldung als makaberer Scherz heraus: Der staatliche Rundfunk lieferte hier eine sehr seltsame Form von Humor ab. Doch genau mit solchen Nachrichten wird die Wiedereinführung der Wehrpflicht forciert.
Warum die Wehrpflicht als „allgemeine Dienstpflicht“ wiederkommen könnte
„Heute ist die Wehrpflicht ausgesetzt – aber nicht abgeschafft. Als „allgemeine Dienstpflicht“ könnte sie noch einmal wiederkommen. … Der Dienst an der Waffe und damit die Pflicht der (männlichen) Bürger, sich für die Verteidigung der Grundwerte wie Freiheit und Menschenwürde einzusetzen, notfalls unter Gefährdung des eigenen Lebens, stelle mehr als eine bloße Ergänzung dar.“
Selbst offizielle Kreise sprechen über eine „Unterschichtenarmee“
Aus genau jenen Grund hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt: Zur Wehrpflicht sind schwerwiegende Gründe nötig. Verkürzt: Ohne einen angriffslustigen Nachbarstaat – respektive Bedrohungslage – ist da Nichts zu machen. Irgendwelche wahnhaften Vorstellungen eines Moderators reichen da nicht aus. Außerdem hat es „die Wehrpflicht“ ohnehin nie wirklich gegeben: Seit Napoléons-Zeiten hat sich die Pflicht im Militär zu Dienen als reines Phantasieprodukt herausgestellt: Denn rein praktisch haben nur die ärmeren Bevölkerungsschichten einen Armeedienst abzuleisten und daran hat sich – bis heute – nichts geädert.
„Überdurchschnittlich viele Soldaten aus den neuen Ländern leisten Auslandsdienste“
„Ostdeutsche sind häufiger im Kampfeinsatz – Überdurchschnittlich viele Soldaten aus den neuen Ländern leisten Auslandsdienste. Der Historiker Michael Wolffsohn sieht einen Zusammenhang mit der ökonomischen Situation in Ostdeutschland und spricht von einer „Ossifizierung“ der Bundeswehr.“
„Zu Auslandseinsätzen melden sich überproportional viele Ostdeutsche“
„Zu Auslandseinsätzen melden sich überproportional viele Ostdeutsche, weil sie offenbar sonst keine Arbeit finden. Besonders die unteren Dienstgrade kommen aus Ostdeutschland.“
Auf zur Bundeswehr: „Weil sie offenbar sonst keine Arbeit finden“
Obwohl im Ostdeutschland nicht mal 20 Prozent der Gesamtbevölkerung leben, machen sie etwa die Hälfte aller Soldaten im Auslandseinsatz aus. Der Begriff „Unterschichtenarmee“ hat sich schon längst eingebürgert. Ohnehin rufen am liebsten diejenigen Politiker nach einer Wehrpflicht ganz laut: Die sie selbst niemals Antreten würden.
„Besonders die unteren Dienstgrade kommen aus Ostdeutschland“
Jedoch bisher hat noch niemand die Frage geklärt: Wie effektiv würde eine Wehrpflichtarmee bei einen echten militärischen Angriff funktionieren? – Immerhin wurde die Wehrpflicht – also der verpflichtende Dienst an der Waffe – mit genau jenen Argument begründet.
„heute journal“ – „Guten Abend, zu Wasser und zu Luft … “
Da im Jahr 1939 das Land Polen angegriffen wurde, lautet also nun das fiktive Szenario im „heute journal“ : „Guten Abend, zu Wasser und zu Luft … “ – Allerdings das mit „Zurückschlagen“ dürfte dann wohl kaum machbar sein. Sofern sich die polnischen Truppenverbände unverdächtig im Rahmen einer Großübung bereits an der Grenze gesammelt haben und der Angriff Samstag 01:00 Uhr früh stattfindet: Dann dürfte Gegenwehr kaum möglich sein. Denn viele Bundeswehr-Kampfverbände befinden sich entweder im fernen Ausland im Einsatz oder haben sich – ganz banal – ins Wochenende verabschiedet.
Regierungsmotto: „Nun sind sie halt da“ – „An „die neue Realität“ anpassen“
Mit zwei Stoßtruppen könnten die polnischen Streitkräfte entlang der Autobahn 4 und Autobahn 2 in wenigen Stunden an die Westgrenze vorstoßen. Die hiesigen Autobahntankstellen würde die Treibstoffversorgung sicherstellen. Am Ende müssten diese langen Flanken nur mit regulären Streitkräfte verstärkt werden. Die wenigen verbliebenen Kampfeinheiten der Bundeswehr müssten nicht mal direkt angegriffen, sondern sie müssten nur von ihrer Versorgung abgeschnitten werden. Am Ende würde ihnen Treibstoff und Munition – vergleichbar wie im Irakkrieg 2003 – ausgehen. Polizei und Verwaltungseinheiten würden vermutlich keinen Widerstand leisten und sich an „die neue Realität“ anpassen, ganz nach dem Regierungsmotto: „Nun sind sie halt da.“ – Denn die Aufgabe eines Landes ist ohnehin schon sehr weit fortgeschritten und dazu war keine fremde militärische Armee nötig.