Keine vollwertige Mahlzeit am Tag: Absenkung der Armutsdefinition? – “Ob man sich jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit leisten könne”

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Was versteht man unter Armut? Wer wird als arm betrachtet? Diese scheinbar einfachen Fragen lassen sich in Zeiten von hoher Inflation nicht so leicht klären. Insbesondere die offiziellen Statistiken führen eher zu weiteren Fragen als zu klaren Antworten. Aus diesem Grund haben sich alternierende “Index-Modelle” herausgebildet.

“Angefangen hat das mit dem sogenannten »Big-Mac-Index«, der vom Economist 1986 erstmals veröffentlicht wurde”

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“Wie der Zufall so spielt, gibt es eine lange Tradition, wirtschaftliche Zusammenhänge in Hamburgern zu messen. Angefangen hat das mit dem sogenannten »Big-Mac-Index«, der vom Economist 1986 erstmals veröffentlicht wurde und seitdem regelmäßig erhoben wird. Der Hamburger-Index vergleicht die Preise des Big Mac in verschiedenen Ländern dieser Erde und kann dadurch auch die Über- und Unterbewertungen einzelner Währungen aufzeigen.”

“Big-Mac-Index” – “Die Über- und Unterbewertungen einzelner Währungen aufzeigen”

Der als “Big-Mac-Index” bekannte Indikator mag zwar von einigen belächelt werden, wirft jedoch bedeutende Fragen auf, insbesondere im Hinblick auf die Inflation. Es ist offensichtlich, dass Länder eigene Interessen verfolgen und bestrebt sind, ihre Inflation möglichst gering zu halten, da ansonsten auch Löhne und Sozialleistungen deutlich stärker ansteigen müssten.

Geldentwertung in Argentinien: “Entwertung in Kauf genommen, da sie im Vergleich zu harten Sparmaßnahmen politisch leichter umsetzbar ist”

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“Offiziell haben die Argentinier eine Inflation von 10 %, in Wahrheit sind es aber eher 25 %. Was passiert? Na klar, die Menschen flüchten in Sachwerte. In Buenos Aires explodieren die Immobilienpreise und der Absatz von Autos rast von Rekord zu Rekord. Löhne und Staatsausgaben steigen ebenfalls stark an. Da die Staatsausgaben zuletzt mit 35 % noch stärker als die Inflation gestiegen sind, ist eine Entschuldung Argentiniens mit dieser Politik nicht möglich. Dennoch wird die Entwertung in Kauf genommen, da sie im Vergleich zu harten Sparmaßnahmen politisch leichter umsetzbar ist. … Es geht um den bekannten Big-Mac-Index, mit dem man weltweit die Kaufkraftparität von Währungen vergleicht. Er zeigte einen Preisanstieg von 19 % an und damit das Doppelte der offiziellen argentinischen Inflationsrate.”

“Big-Mac-Index” – “Preisanstieg von 19 % an und damit das Doppelte der offiziellen argentinischen Inflationsrate”

Die Differenz zwischen den offiziell veröffentlichten Inflationsraten und dem Big-Mac-Index ist demnach signifikant. Jeder kann sich zwar eine eigene Meinung über den “Big-Mac” als Nahrungsmittel bilden, dennoch eignet er sich gut als finanzielle Vergleichsgröße. Ähnliche auffällige Widersprüche zeigen sich auch bei anderen Themen, die Ernährung und Armut betreffen.

“Fast jedem Sechsten fehlt Geld für vollwertige Mahlzeiten”

>>Süddeutsche Zeitung<<

“Fast jedem Sechsten fehlt Geld für vollwertige Mahlzeiten – Hunderttausenden Menschen in NRW fehlt nach eigener Einschätzung das Geld für eine tägliche vollwertige Mahlzeit. Das teilte das Statistische Landesamt IT.NRW am Montag mit. … Überdurchschnittlich stark betroffen sind laut der Statistik Alleinerziehende mit ihren Kindern (30,7 Prozent) und Arbeitslose, bei denen 43 Prozent der Befragten angaben, auf vollwertige Mahlzeiten verzichten zu müssen. Bei den Erwerbstätigen lag der Anteil bei 12,6 Prozent.”

“Fehlt nach eigener Einschätzung das Geld für eine tägliche vollwertige Mahlzeit”

Bereits bei einer flüchtigen Betrachtung der Zahlen wird deutlich, dass es sich nicht um Hunderttausende, sondern um Millionen von Menschen handeln muss, und zwar allein im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Offensichtlich wurden die Obdachlosen hierbei nicht einmal in Betracht gezogen, und die hohe Anzahl an sichtbarer Erwerbsarmut ist ebenfalls frappierend. Doch es existieren noch weitere Widersprüche. Auf europäischer Ebene scheint die Definition von Armut möglicherweise bereits nach unten angepasst worden zu sein. Im Zusammenhang mit Ernährung wird nun lediglich erwähnt, dass man sich alle zwei Tage eine vollwertige Mahlzeit leisten kann, anstelle von täglich. Was unter Armut verstanden wird, wird somit offensichtlich immer weiter herabgesetzt.

“Ob man sich jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit leisten könne”

>>Kampf um die Armut von Ulrich Schneider (Buch) <<

“Die schwierige Frage, ab wann Menschen gemäß der EU-Armutsdefinition nur noch »über so geringe (materielle, kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar ist«, soll geradezu in Verkehrung des relativen Armutskonzepts von Bulgarien bis Luxemburg mit einheitlichen Standards beantwortet werden – ob es passt oder nicht. Gefragt wird danach, ob ein Problem bestehe, die Miete oder Ähnliches zu zahlen, ob die Wohnung angemessen geheizt werden könne, ob unerwartete Ausgaben in einer bestimmten Höhe aus eigenen Mitteln bestritten werden könnten, ob man sich jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit leisten könne, ob es ein finanzielles Problem gebe, eine Woche Urlaub woanders als zu Hause zu machen, ob man auf einen Pkw, einen Farbfernseher, eine Waschmaschine oder ein Telefon verzichten müsse. Sind drei dieser Kriterien erfüllt, sprechen die Statistiker von materieller Entbehrung, bei vier und mehr von »erheblicher materieller Entbehrung«. Es ist die denkbar simplifizierteste Form, sich der Armutsproblematik und der Problematik von Lebensstandard und Ausgrenzung empirisch nähern zu wollen.”

“Ob es ein finanzielles Problem gebe, eine Woche Urlaub woanders als zu Hause zu machen”

Besonders in der südlichen Hemisphäre der Europäischen Union wird nicht nur das Heizen während der Wintermonate, sondern auch das Kühlen in den Sommermonaten müsste als ein Thema behandelt werden, das hier anscheinend in den Hintergrund gedrängt wird. Die Problematik der “erheblichen materiellen Entbehrung” wird demnach eher tendenziell nach unten angepasst, was auch “Armuts-Fragen” aus einer anderen Epoche deutlich macht.

“Miete nicht rechtzeitig bezahlen kann, nicht jeden zweiten Tag eine »vollwertige« Mahlzeit einnimmt, keine Urlaubswoche einschaltet”

>>Armut ist Diebstahl von René Zeyer (Buch) <<

“Wer also, wohlgemerkt nach eigenen Angaben, die Miete nicht rechtzeitig bezahlen kann, nicht jeden zweiten Tag eine »vollwertige« Mahlzeit einnimmt, keine Urlaubswoche einschaltet, über kein Telefon verfügt (Prepaid-Mobiltelefon zählt nicht), die Wohnung nicht »angemessen« beheizen und »unerwartete Ausgaben« nicht begleichen kann, hat die Kriterien für materielle Deprivation bereits übererfüllt. Und ist vom Status »armutsgefährdet« bereits in das hineingerutscht, was man landläufig als arm bezeichnet.”

“Wohnung nicht »angemessen« beheizen und »unerwartete Ausgaben« nicht begleichen kann”

Das Merkmal “unerwartete Ausgaben” ist größtenteils aus dem Blickfeld geraten. Es sind weder verlässliche Zahlen dazu verfügbar, noch lässt sich eine präzise Höhe benennen. Es existiert lediglich ein Vergleich auf EU-Ebene, der zeigt, dass etwa ein Drittel der Bevölkerung keine “größeren Ersparnisse” aufweist, was selbst im Rahmen innerhalb der EU als relativ arm angesehen wird.