Heimat der “Armen Kerle” – Berufssoldaten versus Wehrpflichtige: Wie die finanzielle Wehrgerechtigkeit wirklich aussieht?
Im Rahmen der Diskussion über die Wehrpflicht wird häufig der Schwerpunkt auf die vermeintliche oder tatsächliche Wehrgerechtigkeit gelegt. Dennoch existiert innerhalb der Bundeswehr eine Hierarchie von Soldaten, die wenig mit dem militärischen Dienstgrad zu tun hat. Diese Klassifizierung der Soldaten hat erhebliche finanzielle Konsequenzen für die einzelnen Angehörigen und ihre Ursprünge reichen bis in die Antike zurück.
Berufssoldat im antiken Rom: “Kriegsdienst vor allem als Erwerbsmöglichkeit betrachtete und daher seine Chancen, einen ordentlichen Schnitt zu machen”
>>Die römische Republik von Martin Jehne (Buch) <<
“Wer jetzt in der Armee diente, war nicht mehr nur ein Bauernsohn, der seine Pflicht für das Vaterland tat, sondern ein Mann, dem die politischen Traditionen nicht so sehr viel bedeuteten, da er den Kriegsdienst vor allem als Erwerbsmöglichkeit betrachtete und daher seine Chancen, einen ordentlichen Schnitt zu machen, sorgsam kalkulierte. Der Berufssoldat dieser Prägung war von einem geschickten und bei der Truppe angesehenen Kommandeur wie Sulla sehr vielseitig einsetzbar – eben auch für einen Zug gegen Rom.”
Antike – Berufssoldat & Staatsstreich: “Kommandeur wie Sulla sehr vielseitig einsetzbar – eben auch für einen Zug gegen Rom”
Schon in der Antike entwickelte sich parallel zur Wehrpflicht eine Variante des Berufssoldaten. Diese Soldaten genossen umfangreiche Vorrechte, von denen der reguläre Wehrdienstleistende nur träumen konnte. Dies fand auch Ausdruck in der erheblichen Umverteilung von Ressourcen.
“Freien Bauern, die bis zum Alter von 46 Jahren der Wehrpflicht unterlagen”
>>Rom: Aufstieg einer antiken Weltmacht von Dietmar Pieper & Johannes Saltzwedel (Buch) <<
“Der Landbesitz war höchst ungleich und ungerecht verteilt. Die Zahl der freien Bauern hatte im 2. Jahrhundert v. Chr. beständig abgenommen, während reiche Römer immer größere Flächen von Sklaven bewirtschaften ließen. Plutarch schrieb, »dass ganz Italien binnen Kurzem die freie Bevölkerung zurückgehen sah, während das Land sich mit den Kasernen ausländischer Sklaven bedeckte, die nunmehr die Ländereien bestellten, aus denen die Reichen ihre Mitbürger vertrieben hatten«. Begüterte profitierten von der beständigen Expansion des Imperiums, indem sie sich in den eroberten Gebieten Land verschafften, während die freien Bauern, die bis zum Alter von 46 Jahren der Wehrpflicht unterlagen, immer länger zum Militärdienst eingezogen und in immer weiter entfernten Gebieten eingesetzt wurden.”
“Immer länger zum Militärdienst eingezogen und in immer weiter entfernten Gebieten eingesetzt wurden”
Die Wehrpflicht kann in der Tat zu erheblichen Vermögensverlusten führen. Auch heute noch wird zwischen Wehrpflichtigen, Zeit- und Berufssoldaten unterschieden, wobei Berufssoldaten praktisch wie Beamte behandelt werden. Die Grundgehälter der Berufssoldaten orientieren sich an dem jeweiligen Dienstgrad sowie der Erfahrungsstufe. Zu dem Gehalt der Bundeswehr können verschiedene Zulagen, wie beispielsweise Amtszulagen und Stellenzulagen, hinzukommen. Besonders Kompaniefeldwebel oder Flugzeugführer haben Anspruch auf solche Zulagen. Das Einkommen von Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit wird als Besoldung bezeichnet. Berufssoldaten hingegen erhalten keinen Wehrsold. Häufig wird der Begriff fälschlicherweise mit Berufssoldaten assoziiert. Dies ist jedoch nicht korrekt, was sich auch bei der Altersversorgung widerspiegelt.
“Übernimmt der Bund als pauschalen Beitrag in die Rentenkasse 60 % des Durchschnittseinkommens aller Versicherten”
>>Beamte – Was die Adeligen von heute wirklich verdienen von Torsten Ermel (Buch) <<
“Für die Zeit, in der ein Arbeitnehmer Wehr- oder Zivildienst leistet, übernimmt der Bund als pauschalen Beitrag in die Rentenkasse 60 % des Durchschnittseinkommens aller Versicherten (vor 1981 waren es noch 100 %, danach ist der Wert immer mehr reduziert worden). … Für Beamte hingegen zählen Wehr- und Zivildienstzeiten komplett als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten.”
“Für Beamte hingegen zählen Wehr- und Zivildienstzeiten komplett als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten”
Der Wehrsold wird ausschließlich an Wehrdienstleistende und Zeitsoldaten gezahlt, deren Vertrag auf einen Zeitraum von 12 bis 33 Monaten befristet ist. Ihre Vergütung erfolgt gemäß dem Wehrdienstgesetz. Berufssoldaten hingegen haben zusätzlich zu ihrem Anspruch auf eine Besoldung auch das Recht auf eine Beihilfe sowie auf eine Pension. In Bezug auf das Gehalt stehen sie in einer ähnlichen Position wie Bundesbeamte. Daher findet bei Berufsbeamten die Bundesbesoldungsordnung Anwendung. Zwischen einen Wehrdienstleistenden und Berufssoldaten – mit selben Rang – können also durchaus finanzielle Welten liegen. Immerhin hatte man bei der Gründung der Bundeswehr offenbar auch an Ironie nicht gespart.
“Der erste Dienstsitz des Ministeriums befindet sich in der Ermekeil-Kaserne”
>>Spielball der Politik von Hauke Friederichs (Buch) <<
“Der erste Dienstsitz des Ministeriums befindet sich in der Ermekeil-Kaserne. Die Bonner verspotten die historische Anlage als »Ärme-Kääls-Kaserne« – die Heimat der »Armen Kerle«. Früher wurden in der Liegenschaft in der Südstadt in der Nähe des Rheins die Rekruten von preußischen Infanterieregimentern gedrillt, nun sind dort zunächst die gesamten neuen Streitkräfte untergebracht. Die Zentrale der Wiederbewaffnung liegt in einem Wohnviertel des neuen Regierungssitzes. In verwinkelten alten Gebäuden aus rotem Backstein und einigen neueren Bürohäusern mit hellverputzter Fassade beginnt die Wiederbewaffnung. In der Kaserne planen ehemalige Offiziere der Wehrmacht als Beamte oder als militärische Berater, wie die Armee der Demokratie aussehen soll.”
Ermekeil-Kaserne: Teilweise als Heimat der “Armen Kerle” bekannt
Die Personalengpässe der Bundeswehr stehen vermutlich auch im Zusammenhang mit der Vergütung. Auf der einen Seite existieren Berufssoldaten, die tatsächlich nicht nur deutlich höhere Geldleistungen beziehen, sondern zudem gegen nahezu alle Lebensrisiken abgesichert sind. Auf der anderen Seite befinden sich Wehrpflichtige und Zeitsoldaten, die nicht nur wesentlich geringere Löhne erhalten, sondern nach dem Ende ihrer Dienstzeit leicht in ein berufliches “Schwarzes Loch” geraten können.