Fehlendes Verantwortungsbewusstsein – Fürchten tatsächlich alle den Krieg?

Zahlreiche Personen empfinden Angst vor einem Krieg. Doch diese grundlegende Erklärung ist jedoch unzureichend, da es auch Individuen gibt, die nicht nur keine Furcht vor dem Konflikt verspüren, sondern ihn sogar unterstützen, weil sie selbst keine Bedrohung fürchten müssen. Obwohl sie möglicherweise nach außen hin einen anderen Eindruck erwecken.
Haben wirklich alle Angst vor dem Krieg?
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„Ich lebe in Brandenburg, daneben ist Polen und dann kommt die Ukraine. In Brandenburg fragen mich die Schülerinnen und Schüler, was ist, wenn die ukrainischen Truppen die Russen nicht zurückhalten können. Dann kommt Polen und dann kommt Ostdeutschland. Zum Beispiel Brandenburg, wo die Oder grenzt“, so die Grünen-Politiker.”
Warum der hochgelobte Patriotismus plötzlich schnell vergessen ist
Die erwähnte Politikerin hat sich vermutlich aus strategischen Überlegungen der Partei dorthin begeben, um in diesem Wahlkreis antreten zu können. Inwieweit sie tatsächlich ihren Lebensmittelpunkt dorthin verlagert hat, muss an dieser Stelle unklar bleiben. Es ist zwar bekannt, dass hochrangige Parteifunktionäre und Staatsvertreter gerne den Patriotismus betonen – solange es ihnen nützt. Doch sobald sie selbst betroffen sind, ziehen sie schnell das Weite, und der zuvor gepriesene Patriotismus gerät rasch in Vergessenheit, was durch verschiedene Beispiele eindrucksvoll bestätigt wird.
“Der ehemalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat in aller Stille Deutschland verlassen”
“Der ehemalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat in aller Stille Deutschland verlassen. Bereits Ende August ist der CSU-Politiker samt Familie in den US-Bundesstaat Connecticut umgezogen, erfuhr der SPIEGEL. Er hat dort ein über drei Millionen Euro teures Anwesen erworben, rund eine Autostunde von New York entfernt.”
“Er hat dort ein über drei Millionen Euro teures Anwesen erworben”
Der besagte frühere Minister wurde nicht durch Krieg oder noch schlimmere Umstände bedroht, sondern seine Unbeliebtheit führte dazu, dass er offensichtlich nur selten freundlich empfangen wurde. Von einem ehemaligen Bundesverteidigungsminister kann also nicht allzu viel Patriotismus erwartet werden. Dies stellt keinen Einzelfall dar, vielmehr gedeiht unter den Entscheidungsträgern eine Kultur der organisierten Verantwortungslosigkeit. Daher ist nicht zu erwarten, dass im Falle eines möglichen Krieges irgendein Verantwortlicher zur Rechenschaft gezogen wird, was auch der letzte große Krieg sehr eindrücklich demonstriert hat.
“Vom Massenmörder bis zum Mitläufer entkamen Tausende Nationalsozialisten in Länder wie Argentinien, Bolivien oder Syrien”
“Als im Mai 1945 in Europa die Waffen schwiegen, verkrochen sich jene Männer, die einst die Menschheit beherrschen wollten, in die entlegensten Winkel der Welt. Vom Massenmörder bis zum Mitläufer entkamen Tausende Nationalsozialisten in Länder wie Argentinien, Bolivien oder Syrien. Den verfolgten Nazis kam aber nicht nur das Chaos nach dem Weltkriegsende mit seinen Millionen Vertriebenen und Entwurzelten zugute. Sie konnten auch auf ein professionelles Netzwerk an Fluchthelfern in Österreich und Italien zurückgreifen. “Rattenlinie” taufte die CIA die beliebteste Fluchtroute: über die österreichischen Alpen nach Südtirol, dann in die Hafenstadt Genua – und von dort nach Südamerika.”
“Konnten auch auf ein professionelles Netzwerk an Fluchthelfern in Österreich und Italien zurückgreifen”
Im Verlauf des Krieges konnten zahlreiche NS-Vertreter vom Kriegsgeschehen in hohem Maße profitieren und suchten anschließend das Weite. Doch damit nicht genug, viele von ihnen setzten ihre Laufbahn nach dem Krieg ohne nennenswerte Unterbrechung fort.
“Die sogenannte «Rattenlinie» führte Verbrecher wie Klaus Barbie oder Adolf Eichmann über Italien nach Südamerika”
>>Die Gestapo: Herrschaft und Terror im Dritten Reich von Carsten Dams & Michael Stolle (Buch) <<
“Die sogenannte «Rattenlinie» führte Verbrecher wie Klaus Barbie oder Adolf Eichmann über Italien nach Südamerika. So mancher Gestaposcherge nutzte seine Kontakte und verstand es, sich im Wirrwarr des Untergangs der Verhaftung zu entziehen, einen falschen Namen anzunehmen und so die eigene Vergangenheit zu vertuschen. Klaus Barbie avancierte in Bolivien sogar zu einem wichtigen militärpolitischen Strippenzieher und Agenten der CIA.”
“Klaus Barbie avancierte in Bolivien sogar zu einem wichtigen militärpolitischen Strippenzieher und Agenten der CIA”
Zahlreiche Militärdiktatoren in Südamerika konnten erst durch die engagierte Unterstützung und praktischen Erfahrungen von außen so richtig “aufblühen“. Diese Hilfsmaßnahmen haben oft erst die entscheidenden Wendepunkte in der Geschichte der Region ermöglicht.
“Berühmt gewordenen ‚Rattenlinie‘ verhalf er ihnen zur Flucht von Italien nach Südamerika und in den Nahen Osten”
>>Franz von Papen von Reiner Möckelmann (Buch) <<
“Mit der berühmt gewordenen ‚Rattenlinie‘ verhalf er ihnen zur Flucht von Italien nach Südamerika und in den Nahen Osten. Auch Franz Stangl, der Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka, war unter ihnen. In der neuen Heimat wurden die ehemaligen SS-Männer als erfahrene Kämpfer gegen den ‚nicht christlichen Bolschewismus‘ dringend benötigt. Seine Hilfsaktionen ergänzte der Bischof durch aufmunternde Artikel für die in Buenos Aires herausgegebene deutsche Zeitschrift Der Weg, welche unter Obhut geflüchteter NS-Journalisten den ‚Sühneopfern‘ ideologisch einen Pfad zum Dienst für südamerikanische Militärdiktatoren bereitete.”
“Rattenlinie” – “Auch Franz Stangl, der Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka, war unter ihnen”
Es sind jedoch keineswegs alle NS-Funktionäre geflohen. Eine Vielzahl von ihnen war in der Lage, ihre Laufbahn im Nachkriegsdeutschland ohne Unterbrechung fortzuführen, wobei die Justiz dabei besonders negativ auffällt. Die westlichen Siegermächte haben nämlich ihre Vorgaben bereits kurz nach dem Ende des Krieges überarbeitet.
“Rückfluß von insgesamt etwa 80 Prozent des ehemaligen Justizpersonals”
>>Hitlers Eliten nach 1945 von Norbert Frei (Buch) <<
“Die westlichen Siegermächte revidierten ihre Richtlinien soweit, daß alle früheren Juristen, die das Entnazifizierungsverfahren durchlaufen hatten, in den Dienst zurückkehren konnten. Nach Ansicht einiger Kritiker in den Reihen der Alliierten bedeutete diese Entscheidung nicht weniger als die Renazifizierung der Justiz in den Westzonen. Selbst wenn dieses Urteil im nachhinein überzogen erscheint, weil gerade die Rechtsprechung der deutschen Gerichte unter Aufsicht der alliierten Besatzer stand – in personeller Hinsicht traf es durchaus zu: Nach diesem Dammbruch setzte der Rückfluß von insgesamt etwa 80 Prozent des ehemaligen Justizpersonals ein. Und dies um so schneller, je großzügiger die Spruchkammern bald selbst vormalige Richter am Volksgerichtshof als Mitläufer entnazifizierten.”
“Selbst vormalige Richter am Volksgerichtshof als Mitläufer entnazifizierten”
Zusammengefasst und etwas überspitzt formuliert, hat das Justizpersonal sich gegenseitig einen Persilschein erteilt. In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurde tatsächlich kein einziger Richter aus der NS-Zeit jemals strafrechtlich für seine Vergehen während der nationalsozialistischen Ära verurteilt. Es gab zwar allgemein Kriegsverbrecherprozesse, jedoch wurden im Verhältnis zum Gesamtbild nur vergleichsweise wenige Verurteilungen ausgesprochen. Man könnte dies auf die einfache Redensart reduzieren: “Die Letzten beißen die Hunde” – Daher ist nicht zu erwarten, dass im Falle eines möglichen Krieges irgendein Verantwortlicher zur Rechenschaft gezogen wird, was auch der letzte große Krieg sehr deutlich gezeigt hat.