Die Debatte um die Abschaffung christlicher Feiertage
Screenshot youtube.comDie Debatte um die Abschaffung christlicher Feiertage wirkt auf viele Menschen wie ein Angriff auf Identität, Erinnerung und soziale Stabilität. Nicht als sachliche Reform, sondern als kalte Verrechnungsübung, die Kultur gegen vermeintliche Produktivitätsgewinne eintauschen will. Wer diese Tage nur als Störfaktor im Betriebsablauf betrachtet, blendet aus, wie tief sie in Biografien, Familiengeschichten und regionalen Traditionen verankert sind.
Verlust von Tradition und Erinnerung
Christliche Feiertage sind längst mehr als bloße religiöse Marker, sie sind Teil eines über Generationen gewachsenen kulturellen Gedächtnisses. An ihnen verdichten sich Erzählungen, Rituale, Jahresrhythmen, die Menschen Orientierung geben und Lebensphasen strukturieren. Wird an diesen Tagen gesägt, als handele es sich nur um frei verschiebbare Kalendereinträge, geht ein Stück historischer Kontinuität verloren. Viele empfinden das nicht als moderne Anpassung, sondern als bewusste Entwertung ihrer Herkunft und ihrer familiären Erinnerungen, als würde man ohne Not an tragenden Balken der eigenen Kultur sägen.
Soziale Rhythmen unter Druck
Feiertage bilden feste Ankerpunkte im sozialen Leben, an denen Familien zusammenkommen, Vereine Feste organisieren und lokale Bräuche sichtbar werden. Sie schaffen Inseln im Arbeitsalltag, auf denen Begegnung möglich ist, die sonst im Lärm der Termine untergeht. Fällt diese gemeinsame Pause weg oder wird ausgehöhlt, bricht ein wichtiger sozialer Rhythmus weg, der Gemeinschaft trägt. Der ohnehin zunehmende Zerfall von Familienzeiten, gemeinschaftlichen Ritualen und ehrenamtlichen Aktivitäten würde weiter beschleunigt, und am Ende bliebe ein Alltag zurück, der sich noch stärker um Arbeitstakte und Erreichbarkeit, statt um Beziehungen und Verbundenheit dreht.
Ökonomische Blindheit hinter Wachstumsslogans
Befürworter der Abschaffung argumentieren gern mit angeblichen Wachstumsimpulsen, doch diese Rechnung wirkt oberflächlich und einseitig. Feiertage sind für Tourismus, Gastronomie, Handel und Veranstaltungsbranche wichtige Höhepunkte, an denen Umsatz generiert, Personal eingesetzt und regionale Kreisläufe gestärkt werden. Wer sie streicht, kappt gerade jene Nachfragewellen, die vielen Betrieben helfen, durchzuhalten. Hinzu kommt, dass andere Länder mit deutlich mehr Feiertagen wirtschaftlich hervorragend dastehen, was die Behauptung entlarvt, ein paar zusätzliche Arbeitstage seien der Schlüssel zu Wohlstand. Die vermeintlichen Vorteile sehen eher nach Wunschdenken und simpler Milchmädchenrechnung aus, die komplexe Wirtschaftsrealitäten auf primitive Stundenkonten reduziert.
Angriff auf Schutz- und Erholungszeiten
Arbeitsrechtlich sind gesetzliche Feiertage mehr als nette Zugaben, sie sind fest verankerte Schutzräume. Sie garantieren Beschäftigten verlässliche Erholungsphasen, in denen sie nicht um Freigaben betteln oder komplizierte Urlaubsabstimmungen erkämpfen müssen. Werden solche Tage abgeschafft, wächst der Druck, auch diese Ruheräume zu flexibilisieren, zu verschieben, auszuhandeln – und am Ende nach betrieblichen Zwängen statt nach menschlichen Bedürfnissen auszurichten. Damit droht eine schleichende Aushöhlung von Arbeitszeitstandards, die gerade diejenigen hart trifft, die ohnehin wenig Verhandlungsmacht haben und für die ein freier, garantiert geschützter Tag im Jahr mehr bedeutet als jede theoretische Arbeitszeitsaldierung.
Reformchaos statt Klarheit
Praktisch wäre eine gesetzliche Neuregelung ein bürokratisches Minenfeld. Tarifverträge, Dienstpläne, Schulkalender, Verwaltungsvorschriften, Planungsroutinen – alles hängt an diesen fest etablierten Fixpunkten. Eine Umstellung würde enorme Rechtsunsicherheit erzeugen, Übergangsfragen aufwerfen und lange Streitigkeiten nach sich ziehen. All das für einen vermeintlichen Nutzen, der schon rechnerisch zweifelhaft ist. Wer ernsthaft behauptet, ausgerechnet hier eine große Effizienzreserve zu heben, verkennt den realen Aufwand und die Reibungsverluste, die eine solche Reform auslösen würde.
Einseitige Streichliste ohne Ersatz
Noch schwerer wiegt der Umstand, dass zwar immer wieder über Abschaffungen gesprochen wird, aber kaum über neue, sinnstiftende Feiertage. Jeder gestrichene Tag ist faktisch unwiederbringlich verloren, eine Lücke im Kalender, die nicht durch neue Formen kollektiven Innehaltens gefüllt wird. Das vermittelt den Eindruck einer Politik, die ausschließlich subtrahiert: weg mit Tradition, weg mit Schutzzeiten, weg mit Symbolen – ohne ein positives Angebot an gemeinsamen neuen Ritualen zu machen. So entsteht kein moderner, pluraler Feiertagskanon, sondern eine fortschreitende Verarmung des öffentlichen Jahreslaufs.
Polarisierung statt Problemlösung
Politisch wirkt die ständige Forderung nach Abschaffung christlicher Feiertage wie eine mutwillige Provokation. Sie berührt empfindliche Identitätsfragen, ohne drängende wirtschaftliche oder soziale Kernprobleme auch nur ansatzweise zu lösen. Viele Bürger erleben diese Debatte als abgehobenes Symbolthema, während reale Sorgen um Löhne, Mieten, Gesundheitssystem und Infrastruktur im Schatten stehen. Damit riskiert die Politik, Legitimität zu verspielen, weil sie an einem emotional hoch aufgeladenen Punkt rührt, ohne erkennbaren, überzeugenden Nutzen. Das verstärkt Gräben zwischen religiös geprägten und säkularen Milieus, zwischen Stadt und Land, zwischen Entscheidern und Betroffenen.
Entfremdung von der eigenen Kultur
Unterm Strich wird die Abschaffung christlicher Feiertage von vielen nicht als neutrale Modernisierung, sondern als weiterer Schritt der Entfremdung von der eigenen Geschichte wahrgenommen. Statt die kulturellen Wurzeln zu pflegen und zugleich offen für Vielfalt zu bleiben, wirkt die politische Agenda wie ein schrittweiser Kahlschlag, bei dem am Ende ein glatter, austauschbarer Kalender übrig bleibt. Ein Jahr ohne gewachsene, erkämpfte und gelebte Pausen, in dem die Zeit nur noch in Arbeitsblöcke und Konsumphasen zerteilt wird. In einer ohnehin angespannten Gesellschaft kann eine solche Entwicklung nur als weiterer Schlag gegen Zusammenhalt und Identität empfunden werden.














