Brisant: „Zölibat und Kindesmissbrauch in der Katholischen Kirche!“ – Gibt es einen Zusammenhang? (2)
Regelmäßig tauchen neue Vorwürfe hinsichtlich sexuellen Missbrauchs in der Katholischen Kirche auf. Dabei wird immer wieder der Zusammenhang zwischen Pädokriminalität und dem Zölibat hergestellt, wie ich bereits im 1. Teil erläuterte.
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Von Guido Grandt
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Zölibat widerspricht dem Evangelium Der renommierte Tübinger Theologe Hans Küng gab im Februar 2010 dem Zölibats-Gebot für Geistliche eine Mitschuld an dem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen an katholischen Schulen. Es sei auffällig, so Küng, dass Kindesmissbrauch „massenhaft gerade in der von Zölibatären geleiteten katholischen Kirche“ vorkomme. Zudem widerspreche das Zölibatsgesetz dem Evangelium und gehöre abgeschafft.
Tatsächlich schafft die Zwangsverpflichtung zur Ehelosigkeit und damit zu einem enthaltsamen Leben in Verbindung mit der hierarchischen Kirchenstruktur „Risikozonen“.
Die Macht der Priester als Repräsentanten des Gottessohnes
In dieser Diskussion darf keineswegs vergessen werden, dass sich die Männer in den Soutanen aufgrund ihrer Stellung oftmals als etwas „Besonderes“ sehen, weil sie „Jesus Christus“ repräsentieren.
Dazu meint etwa der Zürcher Gerichtspsychiater Frank Urbaniok: „Wenn sich ein Mensch überlegen fühlt, liegt der Schritt zu einem Übergriff näher als in einer partnerschaftlichen Beziehung.“
Kommt ein sogenannter Zölibatär mit seiner Sexualität nicht zurecht und ist zudem noch labil, kann er in der kirchlichen Jugendarbeit leicht in Versuchung geraten. Der Seelsorger wird dann zum Seelen-, mitunter sogar zum Körperzerstörer. Und damit ist auch die sexualfeindliche Moral der Kirche, die Sexualität als Sünde abstempelt, zwangsläufig eine Gefahr für Kinder.
Zölibat als Mitverursacher sexuellen Missbrauchs
Schon 1996 erklärte der Diplom-Psychologe Wunibald Müller: Auch wenn sich keine direkte Verbindung zwischen Zölibat als Ursache für sexuellen Missbrauch nachweisen ließe, „auf der anderen Seite mag es in manchen Fällen einen indirekten Zusammenhang zwischen der Zölibatsverpflichtung und sexuellem Missbrauch an Minderjährigen zu geben.“
Den möglichen Zusammenhang sieht Müller in dem beeinträchtigten psychosexuellen Reifeprozess und die damit „verbundene intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität, der eigenen sexuellen Orientierung, vor allem aber auch der mühevolle Weg, der zur Intimitätsbefähigung führt, unterbleiben.“ Sein Fazit: „Es ist die zum Teil erheblich beeinträchtigte psychosexuelle Reife, die – unterstützt von falschen Vorstellungen über das Zölibat oder kaschiert durch das Zölibat – zum Mitverursacher sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen werden kann.“ Gerade dieser Aspekt ist bislang zu wenig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, der Kleriker und vor allem auch der Ermittlungsbehörden gesickert. Er sollte neu diskutiert und vor allem geprüft werden.
Letztlich gilt, dass die Katholische Kirche noch immer die nötige Transparenz missen lässt. Nur wenige Täter werden bekannt gemacht und deshalb noch weniger verurteilt. Wer versucht solche pädokriminellen Verbrechen unter den Teppich zu kehren, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dazu beizutragen, den Nährboden für sexuellen Missbrauch in der Kirche weiter bestehen zu lassen.