„Autoritär geprägtes Staatsverständnis“ – Vom Rechtsstaat zur neuen Untertanenmentalität

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Autoritärer Staat“  – Der deutsche Geheimdienst soll große Angst davor haben. Finstere Mächte und ihre dunklen Hintermänner wollen sich mittels Staatsstreich an die Macht putschen. – Klingt alles ein bisschen zu Absurd? Keinesfalls. Mit vielen Ressourcen wird genau dieser steilen These – in ganz offiziellen Dokumenten – nachgegangen. Und tatsächlich nimmt „das autoritär geprägte Staatsverständnis“ im großen Ausmaß zu.

„Autoritär geprägtes Staatsverständnis“ – „Ablehnung der in Demokratien üblichen Gewaltenteilung“

>>Bundesamt für Verfassungsschutz<<

„Bei Rechtsextremisten kommt in der Regel ein autoritär geprägtes Staatsverständnis hinzu. Oft geht dies einher mit einer Ablehnung der in Demokratien üblichen Gewaltenteilung. Neonazis fordern in Anlehnung an den historischen Nationalsozialismus einen „Führerstaat“, in dem alle staatliche Macht auf die Entscheidungen einer Einzelperson zurückgeführt wird.“

„Autoritärer Staat“ – „Vermeintlich einheitliche Wille des Volkes soll dabei von staatlichen Führern intuitiv umgesetzt“ 

>>Landesamt für Verfassungsschutz<<

„Autoritärer Staat – Der Staat wird im völkischen Kollektivismus als „ethnisch-rassisch“ homogene „Volksgemeinschaft“ angesehen. Der vermeintlich einheitliche Wille des Volkes soll dabei von staatlichen Führern intuitiv umgesetzt werden. In einem so verstandenen autoritären Staat würden damit wesentliche Kontrollelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fehlen, z.B. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen auszuüben oder das Recht auf Bildung und Ausübung einer Opposition.“

„Autoritärer Staat“ – „Wesentliche Kontrollelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fehlen“

Im Prinzip hat der Verfassungsschutzmit seiner Analyse – über den „Autoritärer Staat“ völlig recht: Allerdings dürfte die Gefahr von meist kleinen Splittergruppen überschaubar sein: Schließlich war bisher bei allen größeren rechtsextremen Gruppen wie NSU oder NPD der Geheimdienst selbst in das Geschehen meist als aktiver Akteur eingebunden.

„Autoritärer Staat“ – Wo tauchen diese Erscheinungsformen auf?

Zuweilen tauchen aber noch ganz andere Fragen auf: Nichtsdestotrotz fallen die Ideen des „Autoritärer Staat“ ganz woanders auf sehr fruchtbaren Boden hinab. Die gemachten Aussagen so mancher Minister stehen hierbei für sich selbst.

Aufforderung des Bundesinnenminister: „Kinder wieder stärker zu Respekt vor Vertretern des Staates zu erziehen“ 

>>T-Online<<

„Bundesinnenminister … hat alle Eltern aufgefordert, ihre Kinder wieder stärker zu Respekt vor Vertretern des Staates zu erziehen. „Früher waren Pfarrer, Polizisten, Lehrer und Beamte Respektspersonen.“

Autoritäres Verständnis des Bundesinnenminister: „Früher waren Pfarrer, Polizisten, Lehrer und Beamte Respektspersonen“

Wie soll eigentlich dieses Aussage mit Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar sein? Anders als allgemein propagiert: Beamte müssen keineswegs zwangsläufig eine besondere Qualifikation vorweisen. Selbst die Ausbildung als Lehrer oder Polizist ist durchaus sehr überschaubar und keinesfalls mit einen Ingenieursstudium vergleichbar. Man muss sich nur mal von einen Polizisten die allgemeine Verhältnismäßigkeit einer konkreten Amtshandlung erklären lassen und für gewöhnlich wird dieser Beamte sehr schnell ins Straucheln geraten. Die Polizeiausbildung und zwei abgeschlossene juristische Staatsexamen sind nun mal nicht dasselbe. Es findet also eine ungerechtfertigt Überhöhung von staatlichen Funktionären  – ohne sachliche Grundlage – statt. Aber die neue Liebe an der „Autoritären Staatsform“ kann der Bundesinnenminister selbst viel besser erklären.

„Autoritärer Staat“  – Ungerechtfertigt Überhöhung von staatlichen Funktionären

>>T-Online<<

„Wir brauchen jetzt ein neues Bewusstsein, dass dieser Staat für den Schutz seiner Bürger da ist. Angriffe gegen den Staat und Polizei sind auch Angriffe auf die Bürger“, sagte der Minister.“

„Autoritärer Staat“  – Einforderung von Untertanenmentalität und Obrigkeitsgehorsam

Nur leider lassen sich solche Aussagen kaum mit der gelebten Rechtspraxis vereinbaren. Der „Autoritäre Staat“ zeichnet sich nur in homöopathischen Dosen durch Schutz seiner Bürger aus: Lediglich 2,6 Prozent aller Wohnungseinbrüche werden tatsächlich aufgeklärt und Schätzungen gehen von 2.400 unentdeckten Mordenpro Jahr – aus. Offensichtlich sind diese Zahlen so peinlich, dass diese in einer offiziellen Kriminalitätsstatistik auf keinen Fall auftauchen dürfen: Der „Autoritäre Staat“ will also seine Bürger lieber in einer falschen Sicherheitsversprechen wiegen. Aber dafür treten staatliche Sicherheitskräfte exzessiv an ganz anderen Stellen hervor: Bei „Majestätsbeleidigung“ sieht es nämlich ganz anders aus.

Obrigkeitsstaat – „Wesentliche Kontrollelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung fehlen“

>>Focus<<

„Eben in jenem Jahr, am 14. April, veröffentlichte die Facebook-Nutzerin „Karina Fitzi“ ein bearbeitetes Bild des Bürgermeisters. In seiner Hand, ein Schild mit dem Schriftzug, „Alle nach #Berlin“. … Zwei Tage nach Veröffentlichung des Bildes soll er sich laut „Welt“ an den leitenden Oberstaatsanwalt … gewandt haben.“

„Sicherheit war und blieb zuerst und vor allem Staatssicherheit“

Kurz darauf haben Polizeibeamte mit einen Durchsuchungsbeschluss die Wohnung gestürmt und alle IT-Geräte mitgenommen. Allerdings muss man dazu wissen: Nicht der Bürgermeister oder der Staatsanwalt kann eine Wohnungsdurchsuchung, sondern nur ein Richter kann diese erlassen. Selbst der einzelne Polizist hätte dagegen noch Remonstrieren können. Jeder einzelne hätte also problemlos die offensichtliche Rechtswidrigkeit erkennen und stoppen können. Aber der „Autoritäre Staat“ verlangt nun mal bedingungslosen Gehorsam – und keine Rechtsstaatlichkeit – ab. Allerdings sind diese Erscheinungsformen keineswegs neu: Eine übermächtige Staatsmacht und ihre „Repräsentanten“ hat es schon einmal in der Vergangenheit gegeben.

„Staatsmacht war in Deutschland lange übermächtig“ – „Überhöhten den Staat zum Götzen“

>>Zivilcourage – Wie der Staat seine Bürger im Stich lässt von Michael Wolffsohn  (Buch) <<

„Staatsmacht war in Deutschland lange übermächtig, im Westen bis 1945, im Osten bis 1989. … Sie erhöhten, sie überhöhten den Staat zum Götzen, und der Bürger war eben nicht Citoyen, im Sinne eines einsatzfreudigen Mitentscheiders und Mitgestalters, sondern »Der Untertan«, auch ohne Heinrich Manns Roman-Karikatur. … Folgerichtig ist staatliche Sicherheit, Staatssicherheit, ist auch die Polizei nicht mehr »dein Freund und Helfer«, sondern »Bulle«. … Da war die Polizei weder Freund noch Helfer, sondern Henkershelfer. … Sicherheit war und blieb zuerst und vor allem Staatssicherheit. Sie bot den willfährigen Bürgern freilich Sicherheit, weil Gewalt knallhartes Staatsmonopol war.“

Autoritärer Staat & Obrigkeitsstaat: „Willfährigen Bürgern“ – „Gewalt knallhartes Staatsmonopol“

Ob nun „Autoritärer Staat“ oder „Obrigkeitsstaat“ letztendlich läuft beides auf das Selbe hinaus. Heinrich Manns Roman-Karikatur „Der Unteran“ ist erneut wieder sehr lebendig geworden. Es ließe sich problemlos einen Fortsetzung – unter aktuellen Gegebenheiten – schreiben, die vermutlich genau die selben Kontroversen auslösen würde.