“Außergerichtliche Hinrichtung” – “Die Seite bietet Crowdfunding für Morde an”

Screenshot youtube.com Screenshot youtube.com

Die Möglichkeit, einen Auftragsmörder einfach durch einen Mausklick im Darknet zu engagieren, wirft Fragen auf. Ist es tatsächlich so unkompliziert? Angesichts der hitzigen Diskussionen über dieses Thema wird nun über ein Verbot des Zugangs debattiert, während die “klassische” Welt des Verbrechens irgendwie in den Hintergrund gerät. Zugleich sich offizielle staatliche Strukturen immer mehr in eine vergleichbare Richtung sich hin entwickeln.

“Sommer 1986” – “Er hatte im Auftrag von Größen aus dem Hamburger Rotlicht-Milieu gemordet und als Lohn dafür Geld erhalten”

>>Focus<<

“Den Namen Werner Pinzner kannte im Sommer 1986 wahrscheinlich jeder Hamburger, der sich auch nur ein bisschen für das interessierte, was in der Hansestadt vor sich ging. Denn Pinzner hatte es geschafft, als Freigänger während der Verbüßung einer zehnjährigen Haftstrafe und danach mehrere Menschen umzubringen, bevor die Polizei ihm auf die Spur gekommen war. Er hatte im Auftrag von Größen aus dem Hamburger Rotlicht-Milieu gemordet und als Lohn dafür Geld erhalten.”

“Geschafft, als Freigänger während der Verbüßung einer zehnjährigen Haftstrafe und danach mehrere Menschen umzubringen” 

Anhand des Datums ist klar erkennbar, dass das Internet zu dieser Zeit solche Optionen noch nicht bereitgestellt hat. Des Weiteren sind die meisten Dienste im Darknet auf eine völlig andere Zielsetzung ausgerichtet.

„Er hatte im Darknet einen Auftragsmord bestellt“

>>Tarnkappe.info<<

„2x Geld weg statt Auftragsmord: Niederländer im Darknet abgezockt – Er hatte im Darknet einen Auftragsmord bestellt und wurde mehrfach abgezockt. … Abzocker der gleichen Gruppierung sollen mit dem gleichen Trick gleich doppelt abkassiert haben.“

Die großen und kleinen Verbrechen im Darknet

Viele Personen, die als potenzielle Auftragskiller erscheinen, entpuppen sich bei genauerer Betrachtung als einfache Betrüger ohne tatsächliche Absichten zu morden. Einige dieser “Angebote” sind äußerst professionell gestaltet und haben sicherlich schon so manchem Betrüger zu beträchtlichem Reichtum verholfen. Die Opfer haben Schwierigkeiten, zur Polizei zu gehen und den Betrug anzuzeigen. Es scheint, als würde der Zustrom an gutgläubigen “Kunden” nicht abreißen. Darüber hinaus sind auch andere zwielichtige Gestalten im Darknet aktiv.

„Kopfgeld von 80 000 Dollar für die Ermordung des Angestellten“

>>Global Hack von Marc Goodman (Buch) <<

„Als Dread Pirate Roberts bemerkte, dass man ihn betrog, war dies ein Verrat, den er nicht tolerieren konnte. Als Reaktion setzte er sich mit einem der vielen professionellen Auftragskiller auf seiner Website in Verbindung und vereinbarte ein Kopfgeld von 80 000 Dollar für die Ermordung des Angestellten (50 Prozent im Voraus, gemäß dem allgemeinen Geschäftskodex der Auftragskiller). DPR war über den mangelnden Respekt seitens seines Angestellten derart außer sich vor Zorn, dass er dem Killer bestimmte Instruktionen erteilte, wie dieser seinen – bald ehemaligen – Systemadministrator vor dessen Tod zu quälen habe.“

„Killer bestimmte Instruktionen erteilte“ – „Systemadministrator vor dessen Tod zu quälen habe“

Gelegentlich tauchen auch sogenannte “Abschusslisten” auf. Ihr Funktionsprinzip ähnelt am ehesten der Schwarmfinanzierung.

“The Assassination Market” – “Die Seite bietet Crowdfunding für Morde an”

>>St. Galler Tagblatt<<

“Der Preis für ein Menschenleben hängt von verschiedenen Faktoren ab. Der Auftraggeber kann angeblich die Todesart («mit blossen Händen» oder «ein Schuss zwischen die Augen») wählen. Seine Spezialität seien Tötungen, die wie ein Unfall oder Suizid aussehen. In Europa dauere es in der Regel ein bis drei Wochen, in den USA bis zu acht Wochen. … Der Preis für ein Menschenleben hängt von verschiedenen Faktoren ab. Der Auftraggeber kann angeblich die Todesart («mit blossen Händen» oder «ein Schuss zwischen die Augen») wählen. Seine Spezialität seien Tötungen, die wie ein Unfall oder Suizid aussehen. In Europa dauere es in der Regel ein bis drei Wochen, in den USA bis zu acht Wochen. … So richtig schräg wirkt «The Assassination Market». Die Seite bietet Crowdfunding für Morde an. … Auf der Abschussliste stehen auch andere bekannte Namen. Wer sich registriert, kann anonym Geld einzahlen und auf einen bestimmten Todestag «wetten».”

“The Assassination Market” – “Auf der Abschussliste stehen auch andere bekannte Namen”

Was möglicherweise zuvor als ungewöhnlich erschien, wird nun zunehmend in offiziellen staatlichen Kreisen sichtbar. Ob ähnliche Abschusslisten in Geheimdienstkreisen existieren, bleibt hier unbeantwortet. Dennoch hat sich im Zuge des weltweiten Drohnenkriegs die Sichtweise ohnehin gewandelt.

“Auch US-Staatsbürger vogelfrei werden und auf der Abschussliste der US-Regierung landen konnten”

>>Tod per Knopfdruck von Emran Feroz (Buch) <<

“Die beiden Hellfire-Raketen schlugen nacheinander ein und töteten sechs Männer. Ein siebter Mann überlebte nur, weil der Drohne keine Raketen mehr zur Verfügung standen. Bei allen Männern handelte es sich um Personen aus der al-Qaida-Zelle Jemens, die unter Terrorverdacht standen, darunter Qaid Salim Sinan al-Haritihi, auch bekannt als Abu Ali al-Harithi, sowie Kamal Derwish, unter anderem bekannt als Ahmed Hijazi. Al-Harithi, ein Jemenite, galt als führender al-Qaida-Kopf. Unter anderem soll er für das Bombenattentat auf das amerikanische Kriegsschiff USS Cole im Oktober 2000 sowie den Angriff auf den Öltanker Limburg im Oktober 2002 mitverantwortlich gewesen sein. Die CIA bezeichnete al-Harithi einst als »Paten von al-Qaida« in der Region. Derwish, ein US-amerikanischer Staatsbürger, soll als al-Harithis rechte Hand fungiert haben. Somit tötete bereits der allererste US-Drohnenangriff außerhalb Afghanistans einen Amerikaner. Dies war selbst für viele amerikanische Beobachter, unter ihnen auch Menschenrechtler und Juristen, die den Afghanistankrieg unterstützten, ein Problem. Denn durch die Ermordung Derwishs – als nichts anderes ist diese außergerichtliche Hinrichtung zu bezeichnen – wurde deutlich, dass auch US-Staatsbürger vogelfrei werden und auf der Abschussliste der US-Regierung landen konnten. Amerikanische Patrioten und Verteidiger der Verfassung meinten, dass sich hierbei die Gründerväter der Vereinigten Staaten im Grabe umdrehen würden.”

“Ermordung Derwishs – als nichts anderes ist diese außergerichtliche Hinrichtung zu bezeichnen”

Möglicherweise könnte man dies noch irgendwie durch die Anwendung des Kriegsrechts rechtfertigen. Dennoch markiert es einen Wendepunkt, wenn Menschen ohne nennenswertes gerichtliches Verfahren auf einer Art von Todesliste gesetzt werden können.

“Nach ihrer Auffassung handelt es sich bei Mirotworez um eine von Privatpersonen betriebene Internetseite”

>>Deutscher Bundestag (PDF-Datei) <<

“Der Bundesregierung ist die ukrainische Website Mirotworez bekannt. Nach ihrer Auffassung handelt es sich bei Mirotworez um eine von Privatpersonen betriebene Internetseite. Die Bundesregierung hat den Inhalt dieser Website mehrfach in aller Deutlichkeit verurteilt und sich wiederholt gegenüber der ukrainischen Regierung für die Löschung der Website eingesetzt, zuletzt am 9. Juni 2021 anlässlich des Besuchs des damaligen Bundesministers des Auswärtigen, Heiko Maas, in der Ukraine im Gespräch mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba. Die Vertreter der ukrainischen Regierung haben versichert, dass sie die Sorge der Bundesregierung teilen.”

“The Assassination Market” – Könnte es bald eine behördliche Version geben?

Die Stellungnahme der Bundesregierung ist in vielerlei Hinsicht zweideutig. Es erscheint unwahrscheinlich, dass eine solche Website von Privatpersonen betrieben wird. Die Geheimdienstinformationen, die offensichtlich darauf enthalten sind, passen nicht wirklich zu dieser Annahme, und detaillierte Informationen wurden von der Bundesregierung geschwärzt. Daraus könnte man schließen, dass solche Listen nun offensichtlich zur deutschen Staatsräson gehören. Auch andere umstrittene Denunziations- und Diskreditierungsportale passen in dieses Bild, welche ebenfalls offenkundig Informationen aus staatlichen Stellen erhalten. Der Weg zum ersten behördlichen “The Assassination Market” ist also nicht mehr so weit entfernt.