“Ausreiseverbot” – “Ansehen der Bundesrepublik Deutschland „erheblich schädigen“ könnte”

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Wer waren die DDR Reisekader und gibt es heute noch eine vergleichbare Einrichtung? Die DDR ist heutzutage – im weitesten Sinne – für seine Menschenrechtsverletzungen bekannt. Es gab viele Möglichkeiten für die Bevölkerung, ihre Rechte einzuschränken oder sie sogar vollständig zu beseitigen. Eines dieser Mittel war der sogenannte Status der “DDR Reisekader” .

“Phantasie der Grenzbürokratie” – “Grenzüberschreitung ans Rentenalter, die Erfindung einer neuen Spezies der Reisekader” 

>>Grenzland Europa von Karl Schlögel (Buch) <<

“Wir haben verstanden, dass es einen Unterschied zwischen wohleingerichteten, seit Jahrhunderten existierenden Grenzübergängen gibt und solchen an ganz jungen und künstlichen Grenzen. Wir haben dort Langzeitstudien getrieben und Lektionen fürs Leben erteilt bekommen. Jede Veränderung der Großwetterlage in der Weltpolitik hatte dort unmittelbare Auswirkungen. Wir haben das ganze Spektrum von Neuerungen studieren können, die der Phantasie der Grenzbürokratie entsprungen waren: die Bindung der Grenzüberschreitung ans Rentenalter, die Erfindung einer neuen Spezies der Reisekader, die Erneuerung des Instituts der Sippenhaft, die Leibesvisitation und Durchleuchtung.”

“Phantasie der Grenzbürokratie” – “Erneuerung des Instituts der Sippenhaft, die Leibesvisitation und Durchleuchtung” 

Der DDR Reisekader bestand aus Personen, die von den Behörden ausgewählt wurden, um in bestimmte Gebiete des Landes zu reisen. Dies sollte verhindern, dass Bürger ohne Erlaubnis in andere Gebiete reisten und Informationen über das System preisgaben. Diese Personen galten als besonders treu und loyal gegenüber dem Regime und erhielten somit besondere Privilegien, wie zum Beispiel Zugang zu den “Reisepapieren”, die es ihnen ermöglichten, faktisch in jedes beliebige Land zu reisen. Das ganze System war aber noch viel weitreichender gewesen.

“Schriftsteller, Theaterleute, Schauspieler, Rockmusiker, Juristen, Wissenschaftler, Kirchenleute oder SED-Funktionäre tummelten sich nach Belieben im Westen”

>>Endspiel: Die Revolution von 1989 in der DDR von Ilko-Sascha Kowalczuk (Buch) <<

“Stefan Heym war nur die Speerspitze all jener ostdeutschen Intellektuellen, die sich seit Jahr und Tag in den Läden des Westens bedienen konnten, und nun all jene verunglimpften, die das auch endlich wollten. Die Liste der Reisekader wäre sehr lang. Nicht nur Schriftsteller, Theaterleute, Schauspieler, Rockmusiker, Juristen, Wissenschaftler, Kirchenleute oder SED-Funktionäre tummelten sich nach Belieben im Westen, auch einige lautstark gegen die Einheit auftretende Bürgerrechtler hatten Westluft geschnuppert.”

“Die Liste der Reisekader wäre sehr lang” – “Seit Jahr und Tag in den Läden des Westens bedienen konnten”

Neben der offenkundigen “Mauer” hat es also noch eine unsichtbare innerhalb der DDR gegeben. Vereinfacht: Die DDR-Bevölkerung wurde zwischen Privilegierten und den Rest eingeteilt. Die Mitglieder der “Privilegierten” mussten streng nach den Richtlinien des Systems leben und durften niemals etwas tun oder sagen, was die DDR-Regierung kritisierte oder in Frage stellte. Im Gegenzug erhielten sie exklusive Hotels und Restaurants für ihre Reisen und manchmal sogar Zugang zu geheimen Bereichen des Landes. Wenngleich viele dieser “Privilegierten” keinen allzu guten Ruf genossen, was sicherlich Gründe hatte.

“Prokop war »bestätigter Reisekader« auch ins »nichtsozialistische« Ausland und hatte »engen offiziellen Kontakt« zur Abt. IX des MfS”

>>Seziert: Das Leben von Otto Prokop von Mark Benecke & Otto Prokop (Buch) <<

“Prokop war »bestätigter Reisekader« auch ins »nichtsozialistische« Ausland und hatte »engen offiziellen Kontakt« zur Abt. IX des MfS. … Dass das MfS die Nähe zu Prokop suchte, lag an seiner Arbeit mit Toten. Da bestimmte Fälle – etwa die Mauertoten – zwangsläufig von der Stasi bearbeitet wurden, war der Kontakt wie gesagt zwingend vorgeschrieben. Zwar wurden erkannte, verdächtige Leichen vorab »gesondert«, also vom MfS, untersucht, doch das war nicht immer der Fall.”

“Etwa die Mauertoten” – “MfS die Nähe zu Prokop suchte, lag an seiner Arbeit mit Toten”

Obwohl die Mitglieder des DDR Reisekaders immer noch mit Kritik an der Politik und auch anderen Unannehmlichkeiten konfrontiert waren, war es doch ein privilegiertes Leben verglichen mit anderen Bürgern in der DDR. Sie hatten mehr Freizügigkeit als andere Bürger und genossen luxuriösere Unterbringungsmöglichkeiten als andere.

System der Reisekader: Alles nur ein Kapitel für Geschichtsbücher?

Der DDR-Reisekader ist daher einer der wichtigsten Aspekte der deutschen Geschichte. Heutzutage ist der DDR-Reisekader ein Symbol für das Ende der DDR-Zeit und eine Erinnerung an die Repression einer längst vergangene Epoche. Doch ist dieses Kapitel der Vergangenheit wirklich reif für das Geschichtsbuch?

“Ausreiseverbot” – “Ansehen der Bundesrepublik Deutschland „erheblich schädigen“ könnte”

>>taz<<

“Ausreiseverbot für Antifaschisten – Die Polizei zog den 34-Jährigen aus der Schlange – und verfügte gegen ihn für das Wochenende eine Ausreiseuntersagung. Zwei Stunden wurde Gutsche nach eigener Auskunft von Bundespolizisten festgehalten und befragt, sein Gepäck durchsucht. … Die Bundespolizei äußerte sich auf Anfrage vorerst nicht zu dem Vorgang. In ihrem Bescheid für die Ausreiseuntersagung wird Gutsche nach taz-Informationen aber als Person mit „linksextremer Ideologie“ bezeichnet. …. Es bestehe die Gefahr, dass er sich im Ausland an gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligen und das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland „erheblich schädigen“ könnte.”

“Bescheid für die Ausreiseuntersagung”

Die politische Gesinnung soll mal hier außen vor bleiben. Trotzdem lässt die Argumentation der Behörden tief blicken: Mit der Formulierungdas Ansehen der Bundesrepublik Deutschland „erheblich schädigen“ könnte” ist praktisch schon mal eine Tatsache geschaffen worden, welche später auf alle möglichen Personen ausgedehnt werden könnte. Damit könnte das Grundrecht auf Freizügigkeit eingeschränkt werden.