Die europäischen Konflikte am Ende des 16. und im frühen 17. Jahrhundert: Vom Religionskrieg zum Weltkrieg

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts brach im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation erneut ein Feuer der religiösen Gegensätze zwischen Lutheranern und Katholiken aus. Obwohl mit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 auf den ersten Blick ein Frieden zwischen den Konfessionen erzielt worden war, entluden sich die Spannungen im Laufe der Jahre immer wieder in heftigen Konflikten. Die Friedensvereinbarungen schienen nur eine fragile Ruhe bewahrt zu haben, während im Hintergrund die zugrunde liegenden Gegensätze weiter schwelen.

Im Jahr 1608 gründete Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz die sogenannte „Protestantische Liga“, eine Verteidigungsbaktei, die die Interessen der Lutheranischen Christen im Reich vertreten sollte. Nur ein Jahr später, im Jahr 1609, antwortete Herzog Maximilian von Bayern mit der Gründung der „Katholischen Liga“. Diese beiden Bündnisse trugen die Keime eines offenen Krieges in sich, da sie die Fronten zwischen den Konfessionen verhärteten und die Spannungen zwischen den Parteien weiter eskalieren ließen.

Das Heilige Römische Reich war zu dieser Zeit im Gegensatz zu Frankreich kein zentralistisch organisierter Staat. Es bestand aus über dreihundert eigenständigen Territorien, Fürstentümern, Herzogtümern, Bistümern und freien Städten. Diese Vielfalt an politischen Einheiten innerhalb eines Europas, das bereits als ein höchst konfliktträchtiges Machtzentrum galt, führte zu einer äußerst komplizierten und instabilen Situation.

Die Machtkämpfe der Kaiser und die Gegenmacht der Territorialherren

Die Kaiser, die von den Kurfürsten gewählt wurden, waren fast ausschließlich Angehörige des Hauses Habsburg. Diese Dynastie strebte danach, ihre Macht im Reich möglichst stark und direkt auszuüben, um die Kontrolle über die vielfältigen Reichsgebiete zu festigen. Ziel war es, die eigene Autorität zu zentralisieren und die Einflussnahme auf die einzelnen Territorien zu maximieren.

Doch zahlreiche Reichsgebiete, darunter die Schweiz, Norditalien sowie die heutigen Staaten Belgien und die Niederlande, wehrten sich gegen diese Zentralisierung. Sie wollten ihre Selbstständigkeit bewahren und verhinderten aktiv die Machtansprüche der Habsburger. Gleichzeitig herrschten die Habsburger über große Teile Europas: Spanien, Süditalien, Böhmen, Ungarn und weitere Gebiete.

Dadurch blieb Frankreich ab dem frühen 16. Jahrhundert nur noch eine Außengrenze – und blieb zugleich ein Gegner der Habsburger. Die beiden Mächte standen sich gegenüber, wobei Frankreich versuchte, seine Grenzen zu sichern und auszubauen, während die Habsburger ihre Macht im Westen und Süden Europas ausdehnten.

Der Prager Fenstersturz und der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges

Im Jahr 1618 kam es zu einem dramatischen Ereignis, das den Beginn des Dreißigjährigen Krieges markierte. Anlass war eine angebliche Verletzung des sogenannten „Majestätsbriefes“, der den Protestanten in Böhmen Religionsfreiheit garantierte. Im Zuge einer politischen Krise kam es am 23. Mai 1618 zum sogenannten Prager Fenstersturz: Eine Gruppe von aufgebrachten böhmischen Ständen unter Führung des Heinrich Matthias Thum warf die beiden kaiserlichen Statthalter Jaroslav Martinitz und Wilhelm Slavata sowie deren Sekretär aus den Fenstern der Prager Burg, der Hradschin.

Aus etwa 17 Metern Höhe stürzten die Männer auf den Boden, was in der Geschichte als Symbol für den offenen Aufstand der böhmischen Stände gegen das Haus Habsburg gilt. Dieser Akt der Revolte war der Auslöser für den sogenannten Böhmischen Krieg (1618–1620), der sich rasch auf das gesamte Reich ausdehnte. Die Aufständischen erhoben den protestantischen Kurfürsten Friedrich V., Schwiegersohn von Jakob I. von England, zum König von Böhmen – ein Schachzug, der den Konflikt weiter anheizte.

Der Dreißigjährige Krieg: Die Ursprünge und die Akteure

Der Böhmische Krieg war nur der Auftakt zu einem weitaus größeren Konflikt, der sich im sogenannten Pfälzischen Krieg (1621–1624) fortsetzte. Während des Dreißigjährigen Krieges schloss sich dem katholischen Feldherrn Johann von Tilly ein konvertierter böhmischer Edelmann: Albrecht von Wallenstein. Nach den Ausführungen von Leopold von Ranke war Wallenstein eine der „außerordentlichsten Gestalten“ des Krieges.

Der Kaiser nutzte sein Angebot, ein privates Söldnerheer aufzustellen, um die Aufständischen zu bekämpfen. Doch das führte laut Ernst Gombrich zu einem „grässlichen Gemetzel“: schlechtbezahlte, wilde Soldatenhorden, die vor allem auf Raub und Plünderung aus waren. Die Seiten wechselten je nach Aussicht auf Beute, und sowohl Kaiser als auch Glaube traten in den Hintergrund.

Auch heute, im 21. Jahrhundert, erleben diese Art der Kriegsführung undenkbar brutale Praktiken eine gewisse Renaissance. Private Söldnerarmeen, wie sie die USA heute einsetzen, agieren oftmals außerhalb staatlicher Kontrolle und setzen Recht und Ordnung außer Kraft. Staatliche Souveränität wird so immer mehr zur Herrschaft des Stärkeren – eine Entwicklung, die im Zusammenhang mit den kriegerischen Konflikten jener Zeit steht.

Wallenstein, seine Macht und die Folgen

Im Jahr 1628 erhielt Wallenstein das eroberte Mecklenburg als Reichslehen und wurde zudem zum „General der gesamten kaiserlichen Schiffsflotte“ auf Wasser und Meeren ernannt. Mit diesem Machtzuwachs begann eine Phase der intensiven Kriegsführung. Die Sorge der Habsburger, vor allem des spanischen Zweiges, wurde durch Wallenstein bestärkt: Sie fürchteten, dass der habsburgische Kaiser an Nord- und Ostsee eine mächtige Seemacht aufbauen wollte.

Die Situation verschärfte sich, als sich der schwedische König Gustav II. Adolf im Juli 1630 mit einer starken Armee auf den Weg nach Nordosteuropa machte. Seine Landung auf Usedom zwang die deutschen Fürsten in Pommern, Mecklenburg, Brandenburg und Sachsen, ein Bündnis mit Schweden einzugehen. Gustav Adolf präsentierte seinen Krieg dabei als Verteidigung des deutschen Protestantismus und ließ sich dafür auch von Frankreich bezahlen.

Frankreichs Intervention und europäische Machtpolitik

Die französische Regierung, unter Leitung von Kardinal Richelieu, sah in Gustav Adolf einen nützlichen Verbündeten gegen die Habsburger. Diese Allianz wurde durch den Bärwalder Vertrag vom 23. Januar 1631 besiegelt. Frankreich versprach jährlich eine Million Livres (etwa 400.000 Reichstaler) Unterstützung, um den deutschen Krieg gegen die Habsburger zu fördern. Ziel war es, die Habsburger in ihrer Expansion zu schwächen und die Machtbalance in Europa zu beeinflussen.

Nach dem Ende des Böhmischen Krieges 1635, bei dem sowohl protestantische als auch katholische Reichsfürsten Friedensverträge schlossen, begann Frankreich aktiv den Kampf gegen das habsburgische Haus Österreich und die spanische Verwandtschaft. Der Krieg wurde zu einer Zerreißprobe für das Reich: Ausgehend von einem lokalen Konflikt in Böhmen entwickelte er sich zu einem Kampf zwischen zwei katholischen Machtblöcken – den spanischen und österreichischen Habsburgern auf der einen Seite sowie Frankreich auf der anderen.

Die wahren Motive des Dreißigjährigen Krieges

Letztlich ging es bei diesem Krieg nicht um Glaubensstreitigkeiten im klassischen Sinne. Vielmehr wurden religiöse Konflikte instrumentalisert, um machtpolitische Interessen durchzusetzen. Es war ein Machtkampf, bei dem die Religion nur als Vorwand diente – ähnlich wie heute bei den Konflikten zwischen Schiiten und Sunniten, die oft durch äußere Mächte geschürt werden.

Die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges, der Europa in Chaos stürzte, fanden am 24. Oktober 1648 im Westfälischen Frieden ihr Ende. Dieser Frieden regelte den Augsburger Religionsfrieden von 1555 neu und erkannte alle christlichen Konfessionen als gleichberechtigt an. Gleichzeitig veränderte er die Landkarte Europas grundlegend: Die Schweiz und die Niederlande wurden unabhängig, Schweden sowie Frankreich stiegen zu Großmächten auf.

Die territorialen Veränderungen und die neue europäische Landkarte

Der Westfälische Frieden brachte bedeutende territorialen Veränderungen: Frankreich erhielt zahlreiche deutsche Festungen und Städte, besonders nahe am Rhein, und festigte somit seine Vormachtstellung in Europa. Die protestantische Ostsee-Macht Schweden bekam Vorpommern, Rügen, Wismar und das Erzbistum Bremen sowie das Stift Verden zugesprochen.

Gleichzeitig wurde der Katholizismus in den österreichischen Erblanden nahezu vollständig zurückgedrängt. Die Macht des Hauses Habsburg wurde geschwächt, und weite Gebiete wurden verwüstet. Für Richelieus Nachfolger, den Kardinal Giulio Mazzarino, bedeutete der Frieden einen Triumph über Österreich und eine Schwächung des Heiligen Römischen Reiches. Frankreich konnte nun jederzeit in die inneren Angelegenheiten des Reiches eingreifen, auch ohne formale Kriegserklärung.

Das Ende eines europäischen Großreichs

Durch den Frieden von Ryswick 1697, der die letzten Streitigkeiten beendete, kam es zu einem bedeutenden Umbruch in der europäischen Machtbalance. Frankreich musste alle eroberten Gebiete bis auf Elsass, Lothringen und einige andere Gebiete zurückgeben. Das Heilige Römische Reich war durch den Krieg stark geschwächt, und die Machtverhältnisse in Europa verschoben sich grundlegend.

Der Friede bedeutete jedoch nur eine kurze Atempause. Mit dem Tod des spanischen Königs Karl II. am 1. November 1700 endete die habsburgische Linie in Spanien. Das führte zu einem erbitterten Machtkampf zwischen den europäischen Großmächten.

Der Spanische Erbfolgekrieg: Beginn der neuen Großmachtkonstellation

Der englische König William III. sah in dem Erbfolgestreit eine Gefahr für das europäische Gleichgewicht. Er mobilisierte eine breite Koalition, bestehend aus England, Holland, Österreich, Preußen, Hannover, Portugal und dem Heiligen Römischen Reich, um die Dominanz Ludwigs XIV. zu brechen. Nur Bayern blieb auf Seiten des französischen Königs.

William III. strebte das Ziel an, das europäische Machtgleichgewicht zu sichern, doch er verstarb kurz vor Beginn des Krieges im Jahr 1702 bei einem Pferdesturz. Die Nachfolge wurde zunächst bei der englischen Thronfolge geregelt: Die Wahl fiel auf Anne, die zweite Tochter Karls II. Sie war katholisch erzogen, hatte sich während der Glorious Revolution auf die Seite Wilhelms gestellt und galt als stabilisierende Figur.

Der Krieg um die europäischen Vorherrschaftsbereiche

Der Konflikt, bekannt als der Spanische Erbfolgekrieg, dauerte bis 1714. Er wurde geprägt von militärischen Auseinandersetzungen in Europa, in denen Großmächte ihre Interessen durch Kampf und Diplomatie durchzusetzen versuchten.

Im Ergebnis wurde die europäische Landkarte neu geordnet: Spanien musste die Niederlande, Gibraltar, Menorca und weitere Gebiete an Großbritannien abtreten. Frankreich erkannte die protestantische Thronfolge in England an und versprach, die Festungsanlagen in Dünkirchen abzubauen.

Die Folgen des Friedens von Utrecht und die europäische Neuordnung

Der Friede von Utrecht 1713 markierte das Ende eines der blutigsten Konflikte Europas. Es war ein diplomatischer Erfolg für Großbritannien, das sich durch den Krieg erheblichen Einfluss sicherte. Die Vereinbarungen brachten territoriale Zugewinne: Die Briten erhielten Kontrolle über Gibraltar, Menorca und die Hudson Bay-Gebiete in Nordamerika, während Frankreich seine Position in Nord- und Westeuropa festigte.

Der Frieden führte jedoch auch zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse: Großbritannien avancierte zum führenden Seemächter Europas, während Frankreich seine Expansion im europäischen Festland beschränken musste. Die Niederlande, Österreich, Preußen und andere Staaten gewannen an Einfluss, während das Heilige Römische Reich zunehmend an Bedeutung verlor.

Die europäische Stabilität im Wandel

Mit dem Frieden von Utrecht begann eine Phase relativer Stabilität, doch die Machtverhältnisse in Europa waren grundlegend verändert. Großbritannien entwickelte sich zur führenden Seemacht, die durch ihre Kolonialreich und ihre Handelswege eine weltumspannende Bedeutung gewann. Die Niederländer und die Österreicher festigten ihre Positionen, während Frankreich sich vorerst zurückziehen musste.

In Deutschland hingegen wurde die Kleinstaaterei weiterhin gepflegt, obwohl die Macht der Kaiser zunehmend schwand. Das Kaiserreich verlor an Bedeutung, und die einzelnen deutschen Fürstentümer gewannen mehr Eigenständigkeit. Der europäische Kontinent war in einem sich ständig wandelnden Machtgefüge gefangen, das durch Diplomatie, Krieg und Bündnisse geprägt war.

Am Ende des 16. und im frühen 17. Jahrhundert zeigte sich, wie tief verwoben politische, religiöse und militärische Interessen in Europa waren. Konflikte, die ursprünglich auf Glaubensfragen basierten, wurden zunehmend zu Machtkämpfen zwischen den großen Dynastien und Staaten. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges und die darauf folgenden Friedensschlüsse markierten den Beginn einer neuen Ära, in der europäische Mächte ihre Grenzen neu zogen und ihre Einflussbereiche neu ordneten. Doch die Zwänge und Konflikte dieser Zeit wirkten noch lange nach und prägten die Entwicklung Europas bis ins 18. Jahrhundert hinein nachhaltig.