Sorbische Bildung in Schulen: “Sprachkenntnisse in der Grundschule schlechter als im Kindergarten sind”

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Was würde die Gründung einer Universität der Sorben und Wenden bringen? Die Rückverlegung der Sorbischen Lehrerausbildung in die Lausitz ist überfällig. Doch das allein reicht nicht aus, um die Sprache und Kultur der Lausitzer Sorben nachhaltig zu erhalten.

„Die Lehrerin kann doch gar kein Sorbisch!“ 

>>Neues Deutschland<<

„Die Lehrerin kann doch gar kein Sorbisch! Sie sagt nur immer: ›Dobry źeń.‹« Das ist Niedersorbisch und heißt: »Guten Tag.« Viel mehr von dieser in der Niederlausitz nur noch wenig verwendeten Sprache der slawischen Minderheit beherrscht die Lehrerin angeblich nicht. Dabei soll sie Niedersorbisch unterrichten.“

Niedersorbisch konnte nur Dank privater Initiativen gerettet werden

Anfang der 1990er – also am Ende der DDR – war das Niedersorbische fast schon verschwunden. Dank privater Initiativen wie das WITAJ-Sprachzentrum konnte die Sprache überleben. Allerdings das WITAJ-Sprachzentrum ist nur für Kleinkinder gedacht und nach der Einschulung stehen kaum Lehrer bereit, die die Sprache auch tatsächlich beherrschen. Dabei ist das Problem keinesfalls vom Himmel gefallen, sondern kann auf einen langen Vorgeschichte zurückblicken.

Institut für Sorabistik: Es hat nur einen einzigen Lehrstuhl

>>Europäisches Journal für Minderheitenfragen (PDF-Datei) <<

„Hier wurde das weltweit führende (weil einzige) Institut für Sorabistik mit bis 1989 drei Lehrstühlen zum Füllen von Lücken bei anderen Instituten
genutzt. Es ist jetzt auf einen einzigen Lehrstuhl und so wenig Personal zurückgestutzt, dass es seine Hauptaufgabe, die Lehrerausbildung, nicht mehr wahrnehmen
kann.“

Institut für Sorabistik: „Hauptaufgabe – Die Lehrerausbildung, nicht mehr wahrnehmen kann“

Daher fordern Lausitzer Sorben konkrete Schritte zur Erhalt der Sprache und Kultur. Die Lausitzer Sorben setzen sich vehement für den Erhalt ihrer sprachlichen und kulturellen Identität ein. Besonders besorgt sind sie über das Problem der “Sorbischen Schule als Verlernort” .

„Muttersprachliche Kinder wussten am Ende des Schuljahres weniger von ihrer Muttersprache als am Anfang“

>>Gesellschaft für bedrohte Völker<<

„Doch wie sieht es allgemein an den Schulen aus? Als unlängst die Untersuchung der Ergebnisse des Sorbisch-Unterrichts im Nachbarland Brandenburg das Licht der Öffentlichkeit erblickte, war der Schrecken groß: Es gebe zum Beispiel Schüler, die in der 6. Klasse weniger Sorbisch können als im Kindergarten. Schule als Verlernort? In Sachsen ergab die Evaluation der neu eingeführten „2plus“-Methode, bei der Kinder in zwei Sprachen – sorbisch und deutsch – gleichzeitig alphabetisiert werden, schon vor Jahren Ähnliches: Muttersprachliche Kinder wussten am Ende des Schuljahres weniger von ihrer Muttersprache als am Anfang. … 14 Leiter sorbischer Institutionen wandten sich in einem Brandbrief an den sächsischen Kultusminister und die Amtskollegin in Brandenburg. Sie artikulierten dringenden Gesprächsbedarf: Es sei „sehr schwer“, überhaupt noch „Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit den erforderlichen sorbischen Sprachkenntnissen zu finden.“ Sie stellen die Funktionsfähigkeit des Bildungssystems mit Blick aufs Sorbische infrage.“

Sorbischuntericht: „Schule als Verlernort?“

Diese Untersuchung ist nicht neu, aber faktisch immer noch aktuell. Es ist alarmierend festzustellen, dass sorbische Kinder in der Grundschule schlechtere Sprachkenntnisse aufweisen als im Kindergartenalter. Noch beunruhigender ist die Tatsache, dass muttersprachliche sorbische Kinder am Ende des Schuljahres weniger von ihrer Muttersprache wissen als zu Beginn.

“Sorbisch/Wendisch: Mangelhaft! So lässt sich das Ergebnis einer Studie zusammenfassen”

>>Staatsfunk „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ <<

“Sorbisch/Wendisch: Mangelhaft! So lässt sich das Ergebnis einer Studie zusammenfassen, die den Sorbisch-/Wendisch-Unterricht in Brandenburg untersucht hat. Wissenschaftler der Universität Leipzig haben dazu an Grundschulen, an denen sorbisch/wendisch unterrichtet wird, Kinder und Lehrer befragt. Der Untersuchung zufolge fällt es den Sechstklässlern schwer, flüssig zu lesen, Texte zu verstehen und Fragen zu beantworten. Die Expterten kommen zu dem Schluss, dass die Sprachkenntnisse in der Grundschule schlechter als im Kindergarten sind. Auch die Lehrer beherrschen demnach die Sprache nicht ausreichend. Sie konnten sich auch mit den Wissenschaftlern nicht in der Fremdsprache unterhalten – obwohl sie teilweise schon jahrelang Sorbisch-/Wendischlehrer sind.”

“Sprachkenntnisse in der Grundschule schlechter als im Kindergarten sind”

Trotz jahrelanger Erfahrung im Unterrichten fehlen ihnen oft grundlegende Kenntnisse dieser wichtigen Minderheitensprache. In der Vergangenheit hat auch noch der Öffentliche Rundfunk über das Problem berichtet. Zwar kommen jüngere Untersuchungen zu ähnlich vernichtenden Fazit, aber die Berichterstattung darüber ist faktisch verschwunden.

Sorbischlehrer: “Nur in der Klasse vor den Kindern s/w (Sorbisch – Wendisch) zu sprechen, nur immer ein bis zwei Lektionen weiter als die Kinder zu sein”

>>Universität Leipzig (PDF-Datei) <<

“Zur Feststellung der Sprachkompetenzen der Lehrer_innen sollten ursprünglich auch die Einzelinterviews dienen, im Nachgang hatte die Projektleitung in einem Rundbrief auf S/W verschiedene Fragen gestellt zur Unterrichts- und Sprachsituation. … Bei den Interviews haben fast alle LuL ausgesagt, sie seien sprachlich nicht in der Lage, das Interview auch nur teilweise auf S/W zu führen. Vielfach wurde angeführt, nur in der Klasse vor den Kindern s/w zu sprechen, nur immer ein bis zwei Lektionen weiter als die Kinder zu sein, und nicht zu wollen, dass irgendjemand höre, wie man/frau s/w spricht. … Die eigenen Sprachkenntnisse sahen jedoch zumeist nur diejenigen LuL als Problem, die um Weiterbildung und aktive Sprachverwendung bemüht waren, in den Interviews war auch von SaZ-LuL zu hören, man/frau wolle ja keine kleinen Muttersprachler_innen heranzie- hen. S/w Originalliteratur wird nur in Ausnahmefällen gelesen.”

Sorbisch – Wendisch bei Sorbischlehrern: “Originalliteratur wird nur in Ausnahmefällen gelesen”

Um Missverständnisse zu vermeiden: Es handelt sich hierbei um ein Originalzitat in besten behördlichen “Wissenschaftsdeutsch” . Die Frage, weshalb kaum einer in solchen bürokratischen System Sorbischlehrer werden will ist damit auch schon halb selbst beantwortet. Ein anderer Grund dafür liegt darin begründet, dass viele Lehrer nicht ausreichend qualifiziert sind oder die sorbische Sprache nicht beherrschen.

Fehlende Sorbischlehrer: “Die Lücken könnten jetzt Kollegen aus Tschechien schließen”

>>News4teachers<<

“Der Lehrermangel trifft die sorbischen Schulen besonders hart – tschechische Kollegen sollen jetzt helfen – Die Lücken könnten jetzt Kollegen aus Tschechien schließen. … Aufgrund der noch fehlenden Sprachkenntnisse hält sie sich im Hintergrund, während die Kollegin den Unterricht mit einem Lied beginnt.”

“Der Lehrermangel trifft die sorbischen Schulen besonders hart”

Vielleicht sollten – nach der selben Logik – niederländische Lehrer in Zukunft die deutsche Sprache unterrichten. – Immerhin sind die beiden Sprachen auch irgendwie ähnlich. Mangelhafte Sorbischkenntnisse führen zwangsläufig dazu, dass sich auch die Qualität des Unterrichts verschlechtert. Um diesem Missstand entgegenzuwirken und eine nachhaltige Förderung der Sorbischen Spracherziehung sicherzustellen, müssen dringend konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Die Ausbildung von Lehrkräften muss verbessert werden – sowohl hinsichtlich ihrer fachlichen Kompetenz als auch bezüglich einer angemessenen Beherrschung des Sorbischen. Darüber hinaus sollten innovative Lernansätze entwickelt werden, um den Spaß an der eigenen Kultur- und Spracherfahrung bereits im frühen Kindesalter zu fördern. Nur so kann gewährleistet werden, dass die sorbische Sprache und Kultur über Generationen hinweg lebendig bleiben.

“Eine Rückverlegung der sorbischen Lehrerausbildung nach Bautzen ist historisch durchaus überfällig”

>>Europäisches Journal für Minderheitenfragen (PDF-Datei) <<

“Eine Rückverlegung der sorbischen Lehrerausbildung nach Bautzen ist historisch durchaus überfällig. Die Gründung des Instituts für Sorabistik an der Universität Leipzig im Jahr 1951 mit ihrer Lehrerausbildung fernab vom sorbischen Sprachgebiet und fernab der Hospitationsmöglichkeiten war Teil der Denationalisierungsstrategie der DDR-Regierung (die 1716 in Leipzig gegründete „Lausitzer Predigergesellschaft“ galt wie das ebenfalls 1716 in Prag gegründete „Lausitzisch-wendische Priesterseminar“ der Theologie, nicht den Lehrern). Im Jahr 1736 erfolgte die Einrichtung der sorbischen Lehrerbildungsanstalt durch die Grafen von Gersdorf in Klix. Als 1810 die Oberlausitzer Landstände die Gründung eines Lehrerseminars planten, verhandelten sie zunächst mit einem Sorben, nämlich Georg Juhr/Jurij Žur.”

“Galt wie das ebenfalls 1716 in Prag gegründete „Lausitzisch-wendische Priesterseminar“ der Theologie, nicht den Lehrern”

Die Forderungen der Lausitzer Sorben sind daher berechtigt und verdienen die volle Unterstützung – es liegt in unserer Verantwortung, den Fortbestand dieser wertvollen kulturellen Tradition zu sichern.

Gründung einer eigenen Universität

Eine wichtige Maßnahme wäre daher die Gründung einer eigenen Universität für die sorbische und wendische Bevölkerung. Eine solche Universität hätte viele Vorteile: Sie könnte den Studenten eine fundierte Ausbildung in verschiedenen Fachrichtungen bieten, wie etwa Geschichte, Sprachwissenschaften oder Kulturanthropologie. Dadurch würden sie nicht nur ihre eigene Identität stärken, sondern auch dazu beitragen, dass das kulturelle Erbe der Sorben und Wenden weitergetragen wird. Zudem könnten an dieser Universität spezielle Forschungsprojekte initiiert werden, welche sich mit dem Erhalt und der Weiterentwicklung der sorbischen Sprache befassen würde. Darüber hinaus würde eine solche Institution auch zur Stärkung des Tourismus in der Region beitragen. Interessierte Besucher hätten dann die Möglichkeit, mehr über die einzigartige Kultur sowie Geschichte der Lausitzer Sorben zu erfahren.

Sorbische Universität: Welche sich mit dem Erhalt und der Weiterentwicklung der sorbischen Sprache befassen würde

Insgesamt betrachtet wäre die Gründung einer Universität der Sorben und Wenden ein wichtiger Schritt, um die Sprache und Kultur dieser Minderheit langfristig zu bewahren. Es ist an der Zeit, konkrete Maßnahmen zu ergreifen und damit den Forderungen der Lausitzer Sorben nachzukommen. Nur so kann gewährleistet werden, dass ihre einzigartige kulturelle Identität auch in Zukunft Bestand hat.