“Sinkende Reallöhne »Ausdruck struktureller Verbesserungen« am Arbeitsmarkt seien”
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Können sinkende Reallöhne ein “Ausdruck struktureller Verbesserungen” am Arbeitsmarkt seien? Nach der internen Logik eines Armutsberichtes müsste die Antwort darauf “Ja” lauten. Allgemein wird sehr viel dafür getan, um Armut und negative Lohnentwicklung klein zu rechnen.
“Der Entwurf sei »nicht ressortabgestimmt« und entspreche »nicht der Meinung der Bundesregierung«, … “
“Lohnentwicklung im oberen Bereich positiv steigend war, sind die unteren Löhne in den vergangenen zehn Jahren preisbereinigt gesunken. Die Einkommensspreizung hat damit zugenommen.« Diese verletze »das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung« und könne »den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden«. Der Bericht wird vom Arbeits- und Sozialministerium vorgelegt. Vor seiner offiziellen Veröffentlichung des Berichts haben die anderen betroffenen Ministerien Gelegenheit, sich zu äußern. … Der Entwurf sei »nicht ressortabgestimmt« und entspreche »nicht der Meinung der Bundesregierung«, ließ … in einem internen Vermerk festhalten – das »Handelsblatt« sorgte dann dafür, dass der Vermerk nicht intern blieb. Vor allem störten sich … daran, dass im Entwurf des Armutsberichts ein für eine bürgerliche Regierung geradezu revolutionärer Gedanke auftauchte: »Die Bundesregierung prüft, ob und wie über die Progression in der Einkommensteuer hinaus privater Reichtum für die nachhaltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden kann.«
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“Unteren Löhne in den vergangenen zehn Jahren preisbereinigt gesunken”
Verhältnismäßig kommen interne Vermerke und Vorabversionen von kritischen Berichten ans Licht. Meist werden diese Bereinigt und allzu negative Aussagen entweder getilgt oder zu wachsweichen Aussagen verändert.
“Klare und richtige Satz »Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt« wurde aus der Einleitung des Berichts gestrichen”
“Der klare und richtige Satz »Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt« wurde aus der Einleitung des Berichts gestrichen. Auch die Aussagen zu den Löhnen waren noch mal in der Redigatur. Von den deutlichen Formulierungen des Entwurfs zu Lohnentwicklung, Einkommensspreizung und Gerechtigkeitsempfinden blieb nur übrig, dass sinkende Reallöhne »Ausdruck struktureller Verbesserungen« am Arbeitsmarkt seien. … Vorsichtiger beschrieb die Bundesregierung nun auch, dass manchen Alleinstehenden mit Vollzeitjob der Stundenlohn nicht für die Sicherung des Lebensunterhalts reicht. In der ersten Fassung stand noch, dass mittlerweile die Löhne oft nicht mehr für die Sicherung des Lebensunterhalts ausreichen, dass also Arbeit kein Schutz gegen Armut sei und dass dies den sozialen Zusammenhalt gefährde. Das wurde gestrichen. Übrig blieb, diese Entwicklung sei »kritisch zu sehen«. … Die Taktik der Vernebelung begleitet das Thema Armut von Anfang an.”
“Alleinstehenden mit Vollzeitjob der Stundenlohn nicht für die Sicherung des Lebensunterhalts reicht”
Dieses Spiel mit “bereinigen Aussagen” und schöngerechneten Zahlen setzt sich nahtlos bei der Inflationsberechnung fort. Auch dort ist das selbe Muster zu beobachten.
“Hatten Haushaltsenergie und Kraftstoffe bisher ein Gewicht von mehr als 10 Prozent, beträgt dieses nun nur noch knapp 7 1/2 Prozent”
“Zwar hat der Bereich Wohnen weiterhin das größte Gewicht, es wurde allerdings verringert. Andere Bereiche bekamen mehr Gewicht. “Hatten Haushaltsenergie und Kraftstoffe bisher ein Gewicht von mehr als 10 Prozent, beträgt dieses nun nur noch knapp 7 1/2 Prozent”, … . “Zwar ist gleichzeitig das Gewicht der Nahrungsmittel um zwei Prozentpunkte gestiegen. Aber deren Preise haben nicht so massiv zugelegt wie die Energiepreise.” … Studien zufolge machen notwendige Ausgaben, zum Beispiel für Nahrung, Mieten und Energie, bei weniger Einkommensstarken tendenziell einen größeren Anteil ihres Budgets aus als bei finanzkräftigeren Privathaushalten.”
“Nahrung, Mieten und Energie, bei weniger Einkommensstarken tendenziell einen größeren Anteil ihres Budgets aus als bei finanzkräftigeren Privathaushalten”
Die Inflationsberechnung ist nicht im Gänze falsch, aber dürfte vermutlich mehr auf die Lebenswirklichkeit der oberen zehn Prozent der Einkommensskaler zutreffen. Manchmal taucht – aus welchen Gründen auch immer – ein wenig Wahrheit auf. Wobei es auch hier die ständige Praxis der Veränderung von Berechnungsgrundlagen belegt.
“Reallöhne in Deutschland sind im vergangenen Jahr noch spürbar stärker gesunken als bislang angenommen”
“Die Reallöhne in Deutschland sind im vergangenen Jahr noch spürbar stärker gesunken als bislang angenommen. … Bei den Nominallöhnen war die Berechnungsbasis verändert worden, weshalb ihr Anstieg um 0,9 Prozentpunkte niedriger ausfiel, als zunächst mitgeteilt. … Die Menschen hatten weniger Kaufkraft. Bereits im Jahr zuvor hatte die Inflation den Lohnanstieg zunichtegemacht.”
“Bei den Nominallöhnen war die Berechnungsbasis verändert worden”
Diese Berechnungsbasis der “Reallöhne” ist mit zahlreichen Fragezeichen zu versehen. Denn für die Berechnungen werden die Brutto- und nicht die Nettolöhne herangezogen.
“Nominallohnindex bildet die Entwicklung der Bruttomonatsverdienst”
“Der Nominallohnindex bildet die Entwicklung der Bruttomonatsverdienste von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einschließlich Sonderzahlungen ab.”
Nominallohnindex: Warum bleiben Steuern, Sozialabgaben und kalte Progression unberücksichtigt?
Eigentlich hätte den staatlichen Statistikern auffallen müssen: Nicht die Bruttoverdienst, sondern das Nettoeinkommen wird ausgezahlt. Zu allen Überfluss bleibt die Steuerprogression unberücksichtigt.
“Erhöhung des Nominallohns” – “Aufgrund der Steuerprogression vorkommen, dass der Nettolohn nach einer Gehaltserhöhung niedriger ausfällt”
“Eine Erhöhung des Nominallohns erfreut zunächst die meisten Arbeitnehmer. In einigen Fällen kann es jedoch aufgrund der Steuerprogression vorkommen, dass der Nettolohn nach einer Gehaltserhöhung niedriger ausfällt.”
Statistiken: Wo am Ende sprichwörtlich Äpfel mit Birnen verglichen werden
Vereinfacht: Es sind Statistiken, wo am Ende sprichwörtlich Äpfel mit Birnen verglichen werden. Zumal auf internationaler Ebener nicht viel Wert auf solche Aussagen gelegt wird. Für die Inflations- und Preisberechnungen stehen ganz andere Methoden zur Verfügung.
“Mithilfe von Webcrawler-Software sammelten sie Tag für Tag die Preise einer halben Million in den USA erhältlicher Produkte”
“Mithilfe von Webcrawler-Software sammelten sie Tag für Tag die Preise einer halben Million in den USA erhältlicher Produkte. Die Daten sind unscharf, lassen sich mitunter nicht gut miteinander vergleichen. Aber durch eine ausgefeilte Analyse dieser Big-Data-Erhebung konnte das Projekt praktisch in Echtzeit eine deflationäre Tendenz der Verbraucherpreise erkennen, die direkt nach dem Insolvenzantrag von Lehman Brothers im September 2008 einsetzte. Wer auf die offiziellen Zahlen wartete, erfuhr davon erst im November. Aus dem MIT-Projekt ist ein kommerzielles Unternehmen hervorgegangen, das sich PriceStats nennt. Banken und andere Interessenten nutzen es als Hilfe bei wirtschaftlichen Entscheidungen. Es sammelt die Preise mehrerer Millionen Produkte, die von Hunderten Einzelhändlern in über 70 Ländern täglich verkauft werden. Natürlich müssen diese Zahlen sehr sorgfältig interpretiert werden, sie können aber die Entwicklung der Inflationsrate besser als die offizielle Statistik vorhersagen. Weil mehr Preise und Zahlen in Echtzeit abrufbar sind, gewinnen Entscheidungsträger einen wichtigen Vorteil. (Die Methode ist außerdem ein zuverlässiges Mittel, um von neutraler Seite offizielle staatliche Statistiken zu überprüfen. So kritisiert zum Beispiel die Zeitschrift The Economist die Inflationsberechnung der argentinischen Regierung und verlässt sich lieber auf die PriceStats-Daten.)”
“Die Methode ist außerdem ein zuverlässiges Mittel, um von neutraler Seite offizielle staatliche Statistiken zu überprüfen”
Es sind also sehr wohl zeitgemäße und zuverlässige Methoden zur Inflationsberechnung vorhanden. Grundsätzlich sind staatliche Methoden zur Inflationsberechnung immer mit einen Interessenkonflikt verbunden.
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