Römisches Reich: Der Aufstand nach dem Ableben des Augustus
Screenshot youtube.comMit dem Ableben des römischen Kaisers Augustus breitet sich unter den römischen Legionen eine Welle der Unruhe und Unsicherheit aus. Viele Soldaten sind von tiefer Trauer ergriffen und nehmen an den offiziellen Trauerfeiern teil. Dadurch werden zahlreiche dienstliche Verpflichtungen und militärische Übungen abgesagt. Diese ungewohnte Untätigkeit führt dazu, dass die Soldaten sich mehr und mehr der Langeweile, dem Müßiggang und schließlich dem Unfug hingeben. Es entstehen Streitigkeiten, Spannungen und Auseinandersetzungen innerhalb der militärischen Gemeinschaft.
Verlust von Struktur und Disziplin
In dieser Phase beginnt ein gefährlicher Kreislauf: Die Soldaten hören auf, ihre Aufgaben zu erfüllen, und suchen stattdessen nach Ablenkung. Sie lassen sich von Gerüchten, negativen Äußerungen und Klagen beeinflussen, sehnen sich nach Ausschweifungen, fordern Freiheiten ein und wehren sich schließlich offen gegen die Disziplin und Ordnung, die sonst das Rückgrat der römischen Legionen bildet. Damit ähneln sie plötzlich Armeen anderer, nicht-römischer Kulturen, bei denen das Fehlen eines geregelten Dienstbetriebs regelmäßig zu Unfug, Aufständen oder Ungehorsam führt.
Gefahren eines fehlenden Dienstalltags
Normalerweise sorgt ein straff organisierter Alltag dafür, dass Soldaten nicht auf gefährliche Gedanken kommen. Doch jetzt herrschen im römischen Heer an der Rheinfront genau die Verhältnisse, die man sonst verabscheut: Disziplinlosigkeit, Orientierungslosigkeit und die ständige Gefahr, dass das Heer die Kontrolle verliert.
Ein neuer Kommandant am Rhein
Besonders dramatisch ist die Situation an der Westgrenze des Reiches, am Rhein. Hier hat seit kurzem Germanicus das Kommando übernommen. Er wurde im Jahr 15 v. Chr. geboren und ist damit nur ein Jahr jünger als Arminius. Germanicus ist zu diesem Zeitpunkt in dem Alter, in dem sein Vater Drusus durch einen Reitunfall ums Leben kam. Schon immer hatte er das Ziel, den Rhein zu überschreiten und das Werk seines Vaters zu vollenden. Kaiser Augustus hat ihm mit Tiberius einen neuen Vater zur Seite gestellt und Germanicus wurde offiziell adoptiert.
Die Erwartungen an Germanicus
Augustus setzt große Hoffnungen in den jungen, von den Legionen verehrten Feldherrn. Dies sorgt allerdings dafür, dass das Verhältnis zu Tiberius belastet ist, da die Truppen Germanicus als ihren eigentlichen Anführer betrachten. In dieser angespannten Situation kommt es zu massiven Meutereien in weiten Teilen des Heeres. Die Soldaten fordern Germanicus sogar dazu auf, selbst nach der höchsten Macht zu greifen und sich gegen Tiberius zu stellen.
Die Entscheidung des Germanicus
Trotz aller Versuchungen bleibt Germanicus seinem Stiefvater Tiberius treu – eine Treue, wie sie in der Geschichte oft gegenüber den falschen Personen zu finden ist. Mit großer Strenge unterdrückt er die Meutereien, unterstützt von seinem Unterfeldherrn Caecina. Es gelingt ihnen, die aufständischen Soldaten gegeneinander aufzuhetzen, sodass sie beginnen, sich gegenseitig anzuklagen und zu bekämpfen.
Das blutige Schauspiel im Lager
Ein nie dagewesenes Schauspiel spielt sich im Lager ab: Soldaten, die noch am Vortag gemeinsam gegessen und geschlafen haben, geraten nun in erbitterte Auseinandersetzungen. Geschosse fliegen, Schreie hallen durch das Lager, Blut wird vergossen und die wahren Ursachen bleiben im Verborgenen. Die Befehlshaber halten sich zurück und lassen die Meute gewähren, bis sich die Gewalt von selbst entlädt. Als Germanicus später ins Lager zurückkehrt, weint er über das Geschehene und bezeichnet es nicht als Sieg, sondern als Niederlage.
Unterschied zwischen Anlass und Grund
Es ist notwendig, zwischen dem Anlass und den tieferen Gründen der Meuterei zu unterscheiden. Der unmittelbare Anlass war die günstige Gelegenheit, während eines Machtwechsels neue Privilegien herauszuschlagen. Die eigentlichen Gründe für das blutige Gemetzel liegen jedoch viel tiefer und sind nicht einfach mit Unzufriedenheit oder Gier zu erklären.
Die psychologischen Hintergründe
Die Legionen bestehen aus Männern, die jahrelang darauf gedrillt wurden, mit der Waffe zu töten. Ihr Alltag ist geprägt von Gewalt, Blut und Entbehrung. Seit vier Jahren fehlt ihnen der gewohnte „Rhythmus“ aus Kampf, Raub und Gefahr. Es entsteht eine Art „Blutrausch“, vergleichbar mit einer Sucht nach Alkohol oder Drogen. Zu Beginn ist das Töten eine Überwindung, doch diese Hemmschwelle sinkt rasch, und der Drang nach Gewalt wird zu einer festen Gewohnheit.
Das Entstehen von Gewohnheiten und Abhängigkeiten
Wer einmal die Schwelle zur Gewalttat überschritten hat, wird mit der Zeit immer abhängiger davon. Dies zeigt sich auch in anderen Kontexten: Wer regelmäßig trinkt oder raucht, erinnert sich oft an den Widerwillen beim ersten Versuch – und erlebt später eine kaum mehr zu kontrollierende Abhängigkeit. Das Bedürfnis nach Gewalt kann ebenso stark werden wie andere Süchte. Die Kriminologie spricht von Triebtätern, für deren Handlungen keine besonderen psychischen Defekte nötig sind. Wer zum Morden erzogen wird, wird zum Mörder.
Vergleiche mit anderen Extremen
Auch bei den Folterern und Wächtern in Konzentrationslagern zeigt sich dieses Muster: Anfangs sind sie gehemmt, doch nach Überwindung der ersten Schwelle tauchen sie immer tiefer in ihr grausames Handwerk ein. Die Sucht nach Gewalt ist stärker als jede rationale Überlegung, und die Betroffenen folgen ihr fast zwanghaft.
Die Kontinuität menschlichen Verhaltens
Man könnte versucht sein, diese Vorgänge als Relikte der Vergangenheit zu betrachten. Doch das, was hier beschrieben wird, ist keineswegs überwunden. Die äußeren Umstände und „Requisiten“ unseres heutigen Lebens mögen sich geändert haben, das Bühnenbild sieht anders aus, aber die Rollen und Verhaltensmuster der Menschen bleiben gleich.
Systematische Entladung von Emotionen
Immer wieder werden Menschen dazu gebracht, sich mit den Systemen, die sie beherrschen, zu identifizieren. Mit den gleichen Methoden und Emotionen, die schon in der Antike wirkten, wird auch heute noch ein künstlich erzeugter Gefühlsstau erzeugt und schließlich entladen. Die Parallelen zwischen den damaligen und heutigen Verhaltensweisen sind frappierend. Die Geschichte der menschlichen Gesellschaften ist somit auch eine Geschichte der sich wiederholenden Muster von Gewalt, Loyalität, Sucht und Systemzwang.

















