Machtmissbrauch durch LOVEINT: “Sie lasen deren E-Mails, hörten deren Telefongespräche ab und stalkten sie online“
Einfach mal die Telefonnummer einer Frauenbekanntschaft über eine Behördendatenbank herausfinden? – Polizei und Geheimdienste haben viele Datenbanken über die Bürger angelegt. Doch nicht alle Abfragen dieser Datenbanken laufen streng nach Gesetz ab. Schon alleine der halboffizielle Begriff „LOVEINT“ legt nahe, dass es mit dem Unrechtsbewusstsein nicht all zu weit her sein kann. Zugleich die Dreistigkeit des Vorgehens lässt so manchen Menschen erschaudern.
„LOVEINT“ – Wie Polizisten so mancher Frauenbekanntschaft nachstellen?
„Ein Polizist aus Baden-Württemberg lernt privat eine Frau kennen, merkt sich ihr KfZ-Kennzeichen, recherchiert im Zentralen Verkehrsinformationssystem ihren Namen, fragt bei der Bundesnetzagentur ihre Telefonnummer ab und ruft sie an.“
„LOVEINT“ – „Fragt bei der Bundesnetzagentur ihre Telefonnummer ab und ruft sie an“
Für solch ein „Vorgehen“ hat sich sogar ein halb-offizielles Wort etabliert: „LOVEINT“ – Es setzt sich aus die Wörtern HUMINT und SIGINT zusammen. Ursprünglich kommt es offenkundig aus dem Geheimdienstkreisen her: Aber durch die Zunahme von Datenbanken können auch gewöhnliche Beamte mittlerweile „LOVEINT“ einsetzen. Anders als manchmal öffentlich suggeriert: Nur sehr wenige Fälle kommen tatsächlich heraus.
„LOVEINT“ – „Das Wort leitet sich von HUMINT und SIGINT ab“
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„Die Analysten, die das System missbrauchten, interessierten sich ohnehin weit weniger dafür, was es beruflich für sie leisten könnte, als vielmehr für seine privaten Möglichkeiten. Dies führte zu einer Praxis, die als LOVEINT bekannt wurde. Das Wort leitet sich von HUMINT und SIGINT ab und ist eine Perversion der Geheimdienstarbeit: Die Analysten benutzten die Programme der Behörde, um ihre derzeitigen und früheren Geliebten oder auch Objekte einer eher beiläufigen Zuneigung zu überwachen. Sie lasen deren E-Mails, hörten deren Telefongespräche ab und stalkten sie online. Die Mitarbeiter der NSA wussten eines ganz genau: Nur die dümmsten Analysten wurden irgendwann einmal auf frischer Tat ertappt.“
„Sie lasen deren E-Mails, hörten deren Telefongespräche ab und stalkten sie online“
Ohne Frage lassen sich solche Abfragen auch leicht kaschieren. Vorgeschobene Gründe lassen sich leicht erfinden und zudem kann der Betroffene keinerlei Auskunftsrechte gegenüber der Behörde geltend machen: Die Akteneinsicht greift hier viel zu kurz. Außerdem muss der Betroffene erst selbst Beweise erbringen, was nur in den aller seltensten Fälle möglich sein dürfte. Zudem ist bei vielen Beamten kein echtes Unrechtsbewusstsein vorhanden, was so mancher Fall recht deutlich macht.
„Nur die dümmsten Analysten wurden irgendwann einmal auf frischer Tat ertappt“
„Dan R. ist der Name des Polizisten. … wurde öffentlich bekannt, dass er Informationen … ohne dienstlichen Anlass aus Polizeidatenbanken abgerufen haben soll. … Die Staatsanwaltschaft aber entschied sich, keine Anklage gegen den Polizisten zu erheben. Weil es keinen hinreichenden Verdacht auf Straftaten gäbe, wurden drei Verfahren gegen R. eingestellt. Jetzt ermittelt nur noch die Datenschutzbehörde wegen einer Ordnungswidrigkeit.“
„Ohne dienstlichen Anlass aus Polizeidatenbanken abgerufen haben soll“
Nur eine Ordnungswidrigkeit? – Vermutlich dürfte der berüchtigte polizeiliche Korpsgeist bis hin zur Staatsanwaltschaft reichen: Denn der Paragraph 132 StGB Amtsanmaßung sagt im zweiten Halbsatz etwas ganz anderes aus: „… oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Es müssen keine neuen Gesetze erfunden werden, sondern vielmehr würde es reichen das bestehende Strafgesetzbuch auch mal anzuwenden. Fraglos kann niemand so einfach in eine Polizeidienststelle hinein spazieren und mal einfach unbemerkt eine Datenabfrage starten.
§132 StGB: „Eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf“
„Die Anmeldung erfolgt über die Dienstausweis-Chips und die Eingabe einer vierstelligen PIN-Nummer. … Alle Abfragen in internen Datenbanken würden aufgezeichnet. „Das Protokoll umfasst neben den abgefragten Daten auch die Informationen zum Abfragenden sowie den Abfragezeitpunkt“, so Sprecher Bastian Demann. Zudem müssten – je nach System – Gründe für die Abfrage angegeben werden.“
„Alle Abfragen in internen Datenbanken würden aufgezeichnet“
Zudem stellt so eine Abfrage ein Eingriff in das informelle Selbstbestimmungsrecht des Bürgers dar und sollte eigentlich einer gerichtlichen Prüfung unterliegen: Aber um sich dagegen wehren zu können: Dazu müsste der Betroffene erstmal vom Eingriff überhaupt erfahren und schon hier ist die Informationelle Selbstbestimmung – wohlgemerkt als Grundrecht – bereits am Ende angelangt.