Lausitzer Mythen: Querxe
Der Breiteberg bei Haynewalde war einst in seinem Innern von einem Zwergvolke – Querxe in der Volkssprache genannt – bewohnt, welches gutartig gewesen ist und Niemanden was zu Leide gethan hat.
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Der Ort, wo die Zwerge ein- und ausgingen, heißt das Querxsloch; ein Quell am Berge der Querxborn. Von ihrem Thun und Treiben erzählt man Folgendes: Ein Bertsdorfer Bauer, welcher am Fuße des Breitenberges arbeitete, sah einmal die Zwerge in Menge herauskommen, und hörte einen nach dem andern rufen: wirf mir mein Käppel (Käppchen, Mützchen, so viel als Nebelkappe) heraus. Er rief endlich ebenfalls: wirf mir meins auch heraus; das geschah, und ein Zwerglein sagte ihm, daß sie jetzt nach Bertsdorf gehen und einem Hochzeitschmause beiwohnen wollten. Das Käppchen mache sie unsichtbar; er könne also ebenfalls getrost mitgehen, und werde, so lange als er das Käppchen aufhabe, allen Hochzeitgästen unsichtbar bleiben. Essen und trinken möge er, so viel er wolle und könne; einstecken dürfe er aber durchaus nichts. Der Bauer ging mit, wohnte unsichtbar dem Hochzeitschmause bei und ließ sich Essen und Trinken wohl schmecken; als aber Schweinebraten kam, konnte er der Lust, ein Stück einzustecken, nicht widerstehen. Kaum war dies geschehen, so riß ihm ein Zwerglein das Mützchen vom Kopfe und er saß nun auf einmal, allen Hochzeitgästen sichtbar, in Alltagskleidung am Tische. Das Erstaunen war groß, bis er die Veranlassung zu seinem Kommen und die Anwesenheit der Zwerge erzählte, auch sagte, daß deren einige zwischen jedem Hochzeitgaste säßen. Nun konnte man sichs auch erklären, warum jede Schüssel immer so bald ausgeleert und so viel auf dieser Hochzeit gegessen worden sey.
Einst ging eine Frau an den Breiteberg um Beeren dort zu suchen, und nahm ein kleines Kind mit sich. Sie erblickte zu ihrem Erstaunen einen sonst nie gesehenen Eingang in den Berg, und faßte endlich Muth hineinzugehn. Drinnen sah sie einen großen Haufen Geld, und ein Zwerglein, welches dabei war, erlaubte ihr, so viel zu nehmen als sie nur wolle. Um recht bequem ihre Schürze füllen zu können, legte sie ihr Kind auf die Seite; noch aber war sie nicht fertig, als sie ein gewaltiges Rollen und Donnern hörte. Voll Schreck stürzte sie aus der Höhle und ließ ihr Kind in derselben liegen. Kaum war sie heraus, so schob sich die Oeffnung zu, und diese konnte sie auch mit aller Mühe nicht wieder finden; auch waren alle wiederholten Versuche, in den Berg zu gelangen, vergebens. Endlich fragte sie den Pfarrer, was zu thun sey, und wie sie ihr Kind wieder erlangen könne; dieser gab ihr den Rath: im nächsten Jahre an demselben Tage und zu derselben Stunde wieder an den Berg zu gehen, vielleicht sey er wieder offen. Sie that dies, fand glücklich den Berg offen, eilte hinein und fand ihr Kind unbeschädigt wieder. Mit dem Gelde war es aber nichts; das erstemal hatte sie alles aus Schreck weggeworfen, und das zweitemal dachte sie nur an ihr Kind.
Manchmal mögen die Zwerge den Leuten auch lästig gewesen seyn, denn sie kamen oft in die Häuser und holten sich besonders Brod. Nach langem Ueberlegen, wie dieses Brodstehlen zu hindern, gab Jemand den Rath, man solle Kümmel in das Brod backen. Den konnten sie nicht vertragen, und das Brodstehlen unterblieb. Diese Vorkehrungen mögen ihnen schon nicht gefallen haben, und als man in der Umgegend Glocken anschaffte, deren Klang ihren Ohren zu stark war, wanderten sie fort. Ein Bauer aus Bertsdorf hat sie auf einem Wagen fortgefahren, tief hinein in das böhmische Gebirge; und der Wagen ist so voll gewesen, daß zwischen allen Leitersprossen und selbst zwischen den Speichen der Räder Zwerge in zahlloser Menge gesessen haben. Sie schieden mit den Worten: wenn Sachsen kommt ans Böhmerland, dann wird gute Zeit, und dann kommen wir wieder.
Wenn diese Auswanderung statt gefunden, und ob Verdrängung der Heiden und Einführung des Christenthums, oder die Reformation zu dieser Sage Veranlassung gegeben hat, läßt sich eben nicht ausmitteln.
Derselbe Grund, der sie bewog, den Breitenberg zu verlassen, Anschaffung der Glocken, bewog sie auch, den Berg bei Dittersbach zu verlassen. Frenzel in Nomencl. utriusque Lusat. in Hoffmanni Scriptor. II. p. 36. sagt: Testatur chorographia autoris vetusti districtus dotalitii (des Eigenschen Kreises) avorum proavorumque memoria lemures demum abhinc discessisse. Verba ita sonant: Die Einwohner melden, daß vor der Zeit, ehe die große Glocke ist gegossen worden, so geschehen a. 1514 im Dietrichsbacher Berge Zwerge gewohnt haben. Sie sind oft ins Dorf kommen, und haben sich in die Häuser und Stuben verfüget, also daß die Leute ihrer gar gewohnt gewesen. Nachdem aber die große Glocke gegossen und geläutet worden, hat sie der harte Schall des Erzes, welchen sie nicht erdulden können, vertrieben, daß man derselben bisher keines mehr gespüret hat.“