Lausitzer Mythen: Die Teufelsschmiede bei Friedersdorf an der Spree
Geht man von Spremberg nach dem freundlichen Friedersdorf, so zeigen sich linker Hand dem Waller einige wild übereinander geworfene Felsstücke, welche unter dem Namen Teufelsschmiede, bekannt sind.
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Folgendes meldet von ihnen die Sage:
Lebte in langer Vorzeit in Spremberg ein geschickter Huf- und Waffenschmid, – (der Name vermag nicht angegeben zu werden, weil zur damaligen Zeit weder Kirchenbücher noch Bürgerlisten nicht in gegenwärtiger Ordnung gehalten wurden) – welcher Tag und Nacht arbeitete, blos Sonntags ruhte und als frommer Christ ordentlich die Kirche besuchte.
Hatte einst bei ihm ein stattlicher Ritter aus dem Frankenlande einen Harnisch, unter genauer Angabe der Zeit und Stunde des Abholens, bestellt. Meister Ehrlich, – denn so wollen wir ihn so lange, bis wir seinen wahren Namen zuverlässig erfahren, einstweilen nennen – der ein Mann von Treu und Glauben war, schlug ein und versprach den Harnisch pünktlich in der bestimmten Zeit zur Zufriedenheit zu liefern.
Er begann nun auch sein Werk; allein sonderbar; dem erfahrenen Mann, dem so manche Arbeit gelungen war, und der so manchem mannlichen Ritter mit Schild, Helm, Arm- und Beinschienen redlich versorgt hatte, verunglückte Alles; denn bald verloschen ihm die Kohlen, oder sie flammten in so unbändiger Gluth, daß Eisen und Stahl untauglich wurde, bald zerschellte ein Hammer, gleich Glasscherben, bald versagte anderes Handwerkszeug den Dienst, und so verstrich ein Tag nach dem andern, ohne daß Meister Ehrlich Etwas zu Tage zu fördern vermochte, worüber denn freilich bei ihm nicht der Himmel voll Geigen hing.
Er versuchte Alles, was ihm seine Erfahrung an die Hand gab, wendete Alles an, was er auf seinen Wanderungen durch Welschland und Frankreich gesehen und von seinen Mitgenossen gehört hatte; Alles vergebens; jeder Kunstgriff erlahmte, jeder Versuch schlug fehl. Nur noch vier Tage fehlten bis zum Ablauf des Termins und – da der Ritter übrigens kein Zutrauen erweckendes Antlitz hatte – bangte dem armen Kyklopen nicht wenig vor seinem Buckel.
Am Abende des dritten Tages, wo er nochmals alle Künste erschöpft und sich von der Unmöglichkeit Etwas zu leisten, überzeugt hatte, warf er sich – bangend vor den Dingen, die da kommen sollten – auf’s Lager. Allein da dem Sorgenvollen gemeiniglich der Schlummer flieht; so geschah’ es auch ihm und ruhelos zählte er die vom glänzenden Mondlicht erleuchteten runden Fensterscheiben in seiner niedern Behausung. Da klopft’ es in der Mitternachtsstunde hastig an die Thüre und rasch erhob sich der Meister – den Ritter ahnend – von seiner Ruhestätte. Allein da es nicht der Ritter war, beruhigte sich der Feuerarbeiter und nöthigte, nach angezündeten Spahn, freundlich, den Fremden einzutreten.
Dieser gab sich für einen aus fernen Landen kommenden und nach Prag – wohin man ihn berufen – wandernden Schmiedeknecht aus und bat – weil er ermüdet und es fast spät bei Nacht sey – höflich um ein Nachtquartier. Da nun damals die Polizei weniger wachsame Augen als gegenwärtig hatte, so wurde sein Begehren erfüllt und er noch obendrein mit Speis’ und Trank erquickt.
Etwas wunderbar kam nun wohl freilich der Fremde dem ehrlichen Schmid vor, und hätte er die eigenen Augen oder Nasen von Paßexpedienten besessen, so würde er in seinem Gaste wenigstens einen ausgewanderten Polen erblickt, oder einen irrenden Demagogen gewittert haben; denn sein schwarzes Barett mit der goldenen Kante und der rothen Feder würde gewiß einen Teutonen, das krause, schwarze Haar und der struppige Bart, einen Burschen das spitze Kinn und die durchstechenden, schwarzen Augen einen göttinger Relegirten und der hinkende linke Fuß einen aus Frankfurt am Main Entsprungenen, verrathen haben. Es wurde natürlicher Weise vom Handwerke gesprochen, und obwohl der Fremde kein empfehlendes Aeußere hatte, so war doch um so anziehender sein Gespräch, welches einen Mann von Gewandtheit und Weltkenntniß, so wie einen seinem Fache vollkommen Gewachsenen, verrieth. Dieses nun erweckte des ehrlichen Meisters Zutrauen, so, daß er dem Wanderer seine Verlegenheit entdeckte.
„Je!– sprach der Unbekannte – das ist ja Spaß; es passiren Einem manchmal dergleichen Abenteuer, und wer weiß, guter Meister! wer euch, als geschicktem Mann, – die gemeiniglich die meisten Neider und Feinde haben, – irgend einen hämischen Streich gespielt hat; doch dafür wissen Leute meines Schlages schon Rath und That – man müßte nicht in Salamanka[WS 2] gewesen seyn, und wenn gleich nicht studirt, doch neben bei so Etwas von der weißen Magie begriffen haben – kurz, ich kann und will euch helfen. – Morgen früh haltet euch bereit, dann soll’s frisch an’s Werk gehen; jetzt bedarf ich Ruhe, daher schlaft wohl!“
Der Morgen begann – schon glühten die Kohlen, Stahl, Eisen und anderer Nothbedarf war bei der Hand, aber noch schnarchte der Fremde gleich einer Sägemühle, bis ihn Meister Brontes[WS 3] zum Frühstücke weckte. Jach stand er auf, verschluckte gleich dem Erysichton – hungrigen Andenkens – das Aufgetragene und dann ging’s straks an die Arbeit.
Doch, wie riß Meister Ehrlich die Augen auf, denn dergleichen hatte er auf allen seinen Wanderungen nie erblickt. Mit welcher geschicklichen Behendigkeit wendete der Zugewanderte sein Eisen, wie flog sein Hammer, mit welcher Zuversicht und Gewandtheit faßte er die Zange. Alles verrieth den Meister und sein Wirth keuchte und schwitzte schon bei den Handleistungen. Am Abende war die Rüstung fix und fertig, so schön, so herrlich, wie man sie gewiß in keiner Rüstkammer der alten oder neuen Welt erblickt hat. „Nun kann sie der gestrenge Ritter abholen lassen, wenn ihm beliebt!“ sagte der Fremde, indem er den Hammer niederlegte und sich den Schweiß trocknete.
Am andern Tage erschien der ebenbürtige Ritter, entzückt über die Arbeit und zahlte nach Herzenslust das Dreifache von dem Geforderten
Früh des dritten Tages, als sich der Fremde zur Abreise anschickte, forschte der Meister nach dessen Lohn, mit der Versicherung, ihm das Doppelte recht gern seiner Geschicklichkeit, seines Fleißes und Uneigennützigkeit wegen, zu reichen.
„Ist nicht Ursach’, ist nicht Ursach’! lieber Meister – arbeite nicht um schnöden Lohn, freut mich meinem Nebenmenschen förderlich und dienstlich zu seyn, behaltet das Eure, ich bedarf nichts! Doch – fuhr er nach einer Pause fort – eine Kleinigkeit, werdet ihr mir gewiß nicht versagen, – nicht wahr?“ fragte er – ihn scharf fixirend – mit hämischen Lächeln.
„Ist es nicht gegen mein Gewissen und Pflicht, herzlich gern!“ erwiderte der Schmied – „heischt nur keck, es soll euch werden.“
„So seht denn – fuhr Jener grinsend fort – reitet – wie ihr wißt – hienieden Jeder sein Steckenpferd, also auch ich, der ich eine besondere Liebschaft für Handschriften, deren ich viel, sehr viel, auf meinen Reisen gesammelt habe, fühle. Macht mir in langen Winterabenden, wenn es draußen stürmt und tobt, als wenn der Welt Ende nahe, oder eine Kälte ist, daß die Hufnägel springen möchten, viele Freude, nun da so herum zu blättern und auf den Namen eines Freundes oder Bekanntens zu stoßen. – Also erzeigt auch mir den Gefallen und schenkt mir eure Schriftzüge. Hier ist Papier – Feder und Tinte besitzt jeder Haushalt – schreibt und wir sind quitt.“
„Nun, so unbedeutend dieses Verlangen ist – entgegnete treuherzig der Schmied – und so gern ich es immer erfüllen wollte; so ist mir’s unmöglich, Feder und Tinte ist hier im Dorfe so wenig, als ein Zitronenbaum zu Hause, nur der Herr Pfarrer besitzt Schreibmaterialien, die er mir aber nicht reichen würde, weil er weiß, daß ich weder lesen noch schreiben kann.“ „Hat nichts zu sagen – fiel ihm der Fremde schnell in’s Wort – auch dafür ist gesorgt. Hier ist ein Messer, ritzt euch schnell in die Hand und macht ein Zeichen, was für ein’s ihr wollt – nur kein Kreuz – denn das mag ich nicht leiden, weil ohnedieß Kreuz genug auf Erden ist“ – fügte er mit funkelnden Augen hinzu.
Da durchbebte den biedern Schmied die Erinnerung an Hölle und Seligkeit und schnell fuhr ihm ein Gedanke durch den Kopf. Er legte nämlich sämmtliches vom Ritter erhaltenes Geld auf den Tisch und rief aufgeregt: „Hier, nehmt Alles im Namen des allmächtigen Gottes! Ich unterzeichne nicht!“
Bei dem Namen Gottes erbebte der Fremde, verwandelte sich augenblicks in einen großen Raben und entflog unter dem höhnisch krächzenden Gekrächz’: „Nun, ich werde schon schmieden!“ durch’s Fenster.
Nun wußte der ehrliche Schmied mit wem er zu thun gehabt hatte. Sehr bangte ihm auf einer Seite vor dem Erfolg, indem er des Bösen Trug und List kannte, daher fürchtete er, wie der treffliche Harnisch sich in ein Spottkleid verwandeln und ihm Unschuldigen darob der Scheiterhaufen zum Lohn werden möchte; andrer Seits aber freute er sich höchlich, seine Seele gerettet zu haben. Er nahm also seine Zuflucht zum Gebet, fastete und kasteite seinen Leib und – so erfolgte kein Unheil.
Allein einige Tage nachher sah’ er auf dem ihm gegenüber liegenden Berge sich ein Haus erheben, welches Meister Urian in Schmiedeburschengestalt umhüpfte und dabei dem gastfreundlichen, ehrlichen Meister Mönche stach, Rübchen schabte und Schnippchen schlug.
Endlich – es war am grünen Donnerstage – stand die Schmiede fertig da und schon am Charfreitage sprühten Funken aus der Esse und kräftige Hammerschläge tönten weit umher. Da fiel der Schmied auf seine Kniee und betete inbrünstig zu Gott alles Unheil von ihm abzuwenden, ihn nicht in Versuchung gerathen zu lassen, sondern seinen heiligen Engel zu senden, der ihn leite und führe und durch das Hohnnecken des Höllenfürsten nicht stören zu lassen.
Fortwährend öffentlich und ungestört an Sonn- und Werkeltagen trieb nun Satanas sein böses Werk, dem guten Schmied aber mißlang Alles, was er begonnen, seine Kunden wendeten sich von ihm und gingen zu dem Felsenschmied – wie sie ihn nannten – wo sie bessere Arbeit für geringere Zahlung bekamen, Meister Ehrlich aber schwieg, duldete, fuhr in seinen Bußübungen fort und harrte besserer Zeiten.
Am Himmelfahrtstage frühe, als der balsamische Schlaf endlich auf die müden Augenlieder des Schmiedes, der wiederum die Nacht kummervoll durchwacht hatte, sich senkte, weckte ihn ein starker Donnerknall. Erschrocken fuhr er auf, eilte an’s Fenster, wo er dann sahe, daß der Teufel in seiner wahren Gestalt in die Erde sank, das Haus in Trümmer zusammenstürzte, die wild untereinander geworfenen Felsen – wie man sie noch heutigen Tages sieht – zusammen rollten und eine Jünglingsgestalt, in der rechten Hand ein Schwert, in der linken eine Waage haltend, sich in die Wolken schwang.
Fleißig fing nachher wiederum der Schmied zu arbeiten an, was er begann, gerieth wohl und Segen verbreitete sich über sein Haus.