Krisen am Kapitalmarkt: Warum sie selten sind – und wie Sie souverän damit umgehen
Historisch betrachtet sind große Wirtschafts- und Finanzkrisen wie der Ölschock in den 1970er Jahren, das Platzen der berühmten Tech-Blase im Jahr 2000, die globale Finanzkrise im Jahr 2008 oder die jüngste Corona-Pandemie im Jahr 2020 eher äußerst seltene Ereignisse. Solche einschneidenden Krisen hinterlassen oft tiefe Spuren im kollektiven Gedächtnis der Anleger und rufen Ängste hervor. Dennoch zeigen die Erfahrungen der Vergangenheit, dass schon kleinere, aber dennoch heftige Marktschwankungen – auch sogenannte »leichte« Korrekturen – die Gemüter der Anleger erheblich belasten können. Manch einer ist überrascht, wenn er erfährt, dass der US-amerikanische Aktienmarkt zwischen 1979 und 2022 in jedem vierten Jahr innerhalb eines Jahres mehr als 20 Prozent an Wert verloren hat. Diese Statistik offenbart, wie häufig und regelmäßig größere Schwankungen auftreten, die auf den ersten Blick bedrohlich wirken, aber in der Realität Teil des normalen Marktes sind.
Typische Szenarien: Wenn die Medien Panik schüren
Ein anschauliches Beispiel für eine sogenannte »Scheinkrise« ist das Jahr 2016. Anfang des Jahres hatte der deutsche Leitindex DAX seit Ende November 2015 mehr als 20 Prozent an Wert eingebüßt. Trotz dieser erheblichen Einbußen äußerten viele Anleger, die eigentlich rational handelten, eine erstaunliche Haltung. Einer meiner Klienten, ein sonst sehr nüchterner Investor, sagte damals: „Dass mein Depot 7 Prozent im Minus ist, stört mich eigentlich nicht so sehr. Aber die Nachrichtenlage ist so schlecht …“ Diese Aussage zeigt, wie stark die Medien die Stimmung beeinflussen können. Die Kombination aus schlechten Nachrichten und fallenden Kursen ist im Finanzmarkt alles andere als ungewöhnlich. Es ist fast eine Art Regel, dass schlechte Nachrichten oft mit fallenden Kursen Hand in Hand gehen.
Was genau war damals passiert? Welches Ereignis hat die Märkte so stark verunsichert, dass das renommierte Wirtschaftsmedium Focus Money am 27. Januar 2016 titelte: „Soll ich wirklich alle meine Aktien verkaufen? Es kommt der größte Crash dieser Generation. Großbank warnt vor 75 Prozent Einbruch.“ Hierbei handelte es sich um eine Panikmeldung, die viele Anleger in Angst versetzte. Viele griffen damals zum Verkauf ihrer Aktien, obwohl es kaum einen konkreten, handfesten Anlass dafür gab. Einen Monat später wurde sogar Professor Hans-Werner Sinn, einer der angesehensten Wirtschaftswissenschaftler, in einer großen Wirtschaftszeitung mit einem äußerst pessimistischen Szenario erneut auf den Titel gehoben – und das, obwohl er selbst keine direkte Verbindung zu den Berichten hatte. Er selbst versicherte, dass er nie mit den Autoren gesprochen habe und solche Einschätzungen nur aus der öffentlichen Diskussion stammen.
Der Einfluss der Medien auf das Anlegerverhalten
Diese Beispiele sind exemplarisch dafür, wie Medien und Panikmache das Verhalten von Anlegern maßgeblich beeinflussen. Erinnern Sie sich noch an die Marktsituation im Jahr 2000, kurz vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie? Am 17. Februar 2020 stand der DAX bei 13.795 Punkten. Innerhalb von nur einem Monat fiel der Index um 40 Prozent. Ähnliche Bilder gab es in ganz Europa, in den USA, Asien und in Schwellenländern. Für viele Anleger, die damals investiert waren, fühlte sich das an wie ein Albtraum: die Kurse rutschten in den Keller, das Vertrauen in den Markt schwand. Die Angst, alles zu verlieren, war greifbar.
Gefühle in Krisenzeiten: Mehr als nur Zahlen
Wenn die Kurse fallen, ist es für Anleger nicht nur eine Frage der Zahlen auf dem Bildschirm. Es geht um viel mehr – um die eigene Sicherheit, die Zukunft der Familie und das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, das Vermögen zu bewahren. Dieses Gefühl der Bedrohung ist verständlich und menschlich. Es ist absolut normal, in solchen Phasen Angst zu empfinden. Genau deshalb ist es so wichtig, die eigenen Reaktionen zu hinterfragen und die bisherige Anlagestrategie kritisch auf den Prüfstand zu stellen. Doch die große Frage ist: Wie gelingt das, ohne in Panik zu geraten oder falsche Entscheidungen zu treffen?
Psychologische Mechanismen in Krisenzeiten: Angst und irrationale Reaktionen
Gerade in Zeiten großer Unsicherheit greifen viele Menschen zu Begriffen wie „Volatilität“, „Maximum Draw Down“ oder „Value at Risk“. Diese Fachbegriffe werden in der Finanzwelt benutzt, doch im Kern bedeuten sie nichts anderes als Stress, Angst und Panik. Wenn die Märkte um mehr als 30 Prozent einbrechen, das eigene Depot um 20, 30 oder sogar mehr Prozent im Minus ist, spüren die Anleger die Härte dieser Verluste tief im Inneren. Dabei ist das, was wirklich auf dem Spiel steht, nicht nur das Konto, sondern vor allem die eigene Lebensqualität.
Warum Angst in Krisenzeiten so verständlich ist
Ist es nicht menschlich, sich Sorgen zu machen? Ist es nicht sogar rational, alte Entscheidungen zu hinterfragen, um den Schaden zu begrenzen? Gerade beim Kursabsturz während der Corona-Pandemie gab es viele Gründe, die die Angst verstärkten: Bilder von vollbeladenen Särgen in Bergamo, die Angst um die eigene Gesundheit oder die der Angehörigen, soziale Isolation, homeschooling, Unsicherheiten beim Arbeitsplatz und im eigenen Unternehmen. In solchen Situationen ist es nahezu unmöglich, ruhig und rational zu bleiben.
Langfristige Krisen: Wenn die Krise länger dauert
Während die Corona-Krise relativ schnell wieder in den Griff zu bekommen war, waren die großen Finanzkrisen der Vergangenheit deutlich langwieriger. Die Krise 2008, ausgelöst durch den Zusammenbruch der Lehman-Bank im September, zog sich über mehrere Monate hin. Die Kurse fielen in dieser langen Phase deutlich stärker, und die Verluste waren im Vergleich zu heutigen Krisen sogar noch gravierender. Es dauerte lange, bis sich die Märkte wieder erholten.
Der Umgang mit Verlusten: Wie man die Krise durchstehen kann
In solchen Zeiten stellen sich viele die Frage: Wie kann man das überhaupt durchstehen, ohne alles aufzugeben? Ist es nicht vielleicht sogar klüger, die eigene Anlagestrategie neu zu überdenken? Bei solchen Krisen ist die Versuchung groß, alles zu verkaufen, um den Schmerz zu lindern. Doch diese Entscheidung hat oft schwerwiegende Folgen: Aus virtuellen Verlusten werden reale, die die Lebensqualität dauerhaft beeinträchtigen.
Der Teufelskreis des Panikverkaufs
Viele Anleger reagieren in Panik so, dass sie alles verkaufen, um den Schmerz zu stoppen. Sie glauben, damit das Schlimmste verhindert zu haben. Das ist allerdings eine gefährliche Fehleinschätzung. In Wirklichkeit realisieren sie Verluste, die später kaum wieder wettzumachen sind. Die Hoffnung, später günstiger wieder einzusteigen, ist meist eine Illusion. Während sie zögern, steigen die Kurse weiter an, und die Anleger sitzen am Rand und beobachten, wie sie teurer wieder einkaufen müssten, als sie verkauft haben.
Warum irrationales Handeln in Krisen so häufig vorkommt
Obwohl die meisten Menschen die Theorie kennen, dass man in Panik nicht verkaufen sollte, handeln sie trotzdem so – aus Verlustaversion, also der Angst, Geld zu verlieren. Dieses Verhalten ist tief in unserer Psyche verwurzelt. Viele rationalisieren ihr Handeln sogar: „Ich muss jetzt raus, um noch schlimmeres zu verhindern“, oder „Ich habe Verantwortung für meine Familie.“ Diese rationalen Rechtfertigungen verschleiern nur die eigentliche Ursache: die Angst vor Verlust und Unsicherheit.
Psychologische Hintergründe: Warum Verluste so schmerzhaft sind
Dieses Verhalten lässt sich wissenschaftlich erklären: Die sogenannte Verlustaversion ist ein Konzept aus der Nobelpreis-gekrönten Verhaltensökonomie. Es besagt, dass Verluste emotional doppelt so stark empfunden werden wie gleich große Gewinne. Das bedeutet, der Schmerz über einen Verlust ist doppelt so intensiv wie die Freude über einen Gewinn gleicher Höhe. Früher war das sinnvoll, um das Überleben zu sichern, denn in der Natur war es wichtiger, Verluste zu vermeiden, als Gewinne zu maximieren.
Evolutionäre Wurzeln unserer Reaktionen
Diese tief sitzenden Verhaltensmuster stammen aus einer Zeit, in der Menschen noch vor echten lebensbedrohlichen Gefahren standen. Das Flucht- oder Angriffsverhalten war überlebenswichtig, um Raubtieren zu entkommen. Beim heutigen Kapitalmarkt heißt das: Bei drohenden Verlusten reagieren viele Anleger reflexartig mit Flucht, auch wenn das in der modernen Welt unvernünftig ist. Die evolutionären Muster, die in unserer DNA verankert sind, wirken auch heute noch – nur eben in einem völlig anderen Kontext.
Emotionen als Überlebensmechanismus: Warum wir bei Verlusten so stark reagieren
Wenn die Börse abstürzt, brennt innerlich die Scheune, Mäuse laufen durch die Kornkammer, die Kartoffeln faulen kurz vor der Ernte. Das Gefühl von Gefahr, Verlust und Bedrohung ist tief in uns verwurzelt. Diese emotionalen Reaktionen sind so alt, dass sie sogar bei Primaten nachweisbar sind. Sie sind Überbleibsel unserer Entwicklungsgeschichte und unseres kulturellen Gedächtnisses.
Der Konflikt zwischen Instinkt und moderner Welt
Doch diese uralten Verhaltensmuster, die in der Vergangenheit das Überleben sicherten, sind heute oft kontraproduktiv. Eine Krise am Kapitalmarkt ist kein Säbelzahntiger, der sofort angreift. Unser Leben basiert auf Wissen, Dienstleistungen und Innovation. Die alten Muster des Fluchtverhaltens führen in der komplexen Welt der Finanzmärkte nur dazu, dass wir uns selbst schaden.
Wie Sie Ihre Emotionen kontrollieren können
Damit Sie in solchen Situationen nicht nur von Emotionen überwältigt werden, ist es essenziell, Techniken zu entwickeln, um die eigenen Gefühle zu steuern. Es geht darum, Strategien zu erlernen, die die tief verwurzelten Reaktionsmuster erkennen und in den Griff bekommen. Nur so können Sie langfristig klug handeln und Ihre Vermögensstrategie auch in turbulenten Phasen konsequent verfolgen.
Kontrolle über Emotionen – der Schlüssel zum Erfolg
Krisen und Markteinbrüche sind unvermeidliche Bestandteile des Investierens. Entscheidend ist, wie Sie darauf reagieren. Wer seine Emotionen versteht, sie gezielt steuert und diszipliniert bleibt, kann auch in schwierigen Zeiten ruhig bleiben und seine Ziele verfolgen. Letztlich geht es nicht nur um Zahlen auf dem Konto, sondern um Ihre Lebensqualität, Ihre Sicherheit und Ihren inneren Frieden. Diese lassen sich nur bewahren, wenn Sie eine bewusste Haltung entwickeln, die auf Sachverstand, Gelassenheit und Selbstbeherrschung basiert. Nur so können Sie langfristig erfolgreich sein – unabhängig von den Schwankungen an den Märkten.

















