Indien: Christen befürchten nationales Anti-Bekehrungs-Gesetz
Erfahrungen aus Bundesstaaten zeigen mögliche Konsequenzen – Christen bitten um Gebet
Die mutmaßliche Bedrohung durch Zwangskonversionen beschäftigt in Indien derzeit Vertreter der Zentralregierung und des obersten Gerichts. Zunächst erhob das Gericht das Thema am 14.11. trotz mangelhafter Beweislage zu einer Frage der nationalen Sicherheit.
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Von Open Doors
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Am 28.11. bekräftigten Vertreter der hindu-nationalistischen Regierung in einer öffentlichen Anhörung die Schwere der Bedrohung und betonten die Wichtigkeit gesetzlicher Gegenmaßnahmen. Christen befürchten, dass schon bald ein nationales Anti-Bekehrungs-Gesetz erlassen werden könnte.
Ein „landesweites Problem“ ohne Beweise
Während ihrer Erklärung im Rahmen der Anhörung am 28.11. wiesen Vertreter des Innenministeriums darauf hin, dass das Recht auf Religionsfreiheit nicht das Recht auf Bekehrung (anderer) einschließe. Sie führten die in elf indischen Bundesstaaten geltenden Anti-Bekehrungs-Gesetze als positive Beispiele dafür an, wie dem Problem von Zwangskonversionen begegnet werden könne. Die Richter betonten dagegen das grundsätzliche Recht auf Glaubenswechsel und forderten die Zentralregierung auf, Belege für die Zwangskonversionen aus den betroffenen Bundesstaaten einzuholen und eine ausführliche eidesstattliche Erklärung zu dieser Frage abzugeben. Während der Beschwerdeführer Ashwini Upadhyay, Politiker der Regierungspartei BJP, in seinem Antrag von „massenhaften Zwangskonversionen“ und einem „landesweiten Problem“ sprach, hat er bislang weder vor Gericht noch auf eingehende Nachfrage von Journalisten des TV-Senders NDTV Beispiele vorlegen können.
Kontaktpersonen von Open Doors zufolge könnte die Zentralregierung noch im Lauf des Winters ein Anti-Bekehrungs-Gesetz auf nationaler Ebene erarbeiten und zur Ratifizierung vorlegen. Viele lokale christliche Gruppen hegen entsprechende Befürchtungen. Dr. Yohan Murry, Politikexperte und einer der örtlichen Partner von Open Doors, äußerte sich alarmiert: „Die indische Verfassung besagt, dass Religion in die Zuständigkeit der Bundesstaaten fällt, nicht in die der nationalen Regierung. Wenn ein zentrales Anti-Bekehrungs-Gesetz verabschiedet wird, sind alle Bundesstaaten gezwungen, nachgeordnete Gesetze zu formulieren. Außerdem könnte ein solches Gesetz auf bundesstaatlicher Ebene niemals aufgehoben werden, es sei denn, das zentrale Gesetz wird außer Kraft gesetzt.“
Was für die Kirchen auf dem Spiel steht
Bisherige Erfahrungen aus den Bundesstaaten mit geltenden Anti-Bekehrungs-Gesetzen lassen Schlüsse auf die erwartbaren Konsequenzen eines nationalen Anti-Bekehrungs-Gesetzes zu. Nach Inkrafttreten solcher Gesetze kam es häufig zu einer deutlichen Zunahme von Angriffen auf Christen.
So hat Open Doors in den letzten Jahren verstärkt die Zerstörung von Kircheneigentum, Brandanschläge, die Konfiszierung von Bibeln und christlicher Literatur sowie Verbote von Gottesdiensten und Kirchengründungen beobachtet. Gläubige wurden öffentlich gedemütigt, beschimpft, verprügelt und kahlgeschoren. Auch Fälle von sexuellem Missbrauch und Mordversuche an Gläubigen wurden gemeldet. Dr. Murry resümiert: „Die ‚Gesetze zur Religionsfreiheit‘ [offizielle Bezeichnung der Anti-Bekehrungs-Gesetze] dienen der brutalen Unterdrückung und Ausbeutung christlicher Minderheiten und der Bestrafung von Pastoren, Priestern, Nonnen und kirchlichen Mitarbeitern.“ Dr. Murry rechnet auch mit einer deutlich verstärkten Überwachung aller kirchlichen Aktivitäten durch die staatlichen Behörden. Diakonische Hilfsangebote würden die Kirche in Gefahr bringen: „Jegliche kirchlichen Aktivitäten zur Verbesserung der sozioökonomischen Lage der armen und marginalisierten Menschen werden als Verführung zur Bekehrung wahrgenommen werden.“
Angesichts derartiger Drohszenarien ruft Open Doors zusammen mit den Christen in Indien dazu auf, für den Erhalt der Glaubensfreiheit im Land zu beten.Auf dem Weltverfolgungsindex 2022 belegt Indien den 10. Platz unter den Ländern, in denen Christen am stärksten wegen ihres Glaubens verfolgt werden.