Fortsetzung von Eroberung und Ausbeutung – Dieselbe Logik, andere Waffen

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Wenn man aus der Perspektive von heute auf die Wendenkreuzzüge blickt, wird deutlich, dass dort kein isoliertes historisches Phänomen vorliegt, sondern der Beginn einer Denkweise, die sich über Jahrhunderte fortschreibt und in der Kolonialära ihre moderne Vollendung findet. Es geht nicht nur um Schlachten oder Machtwechsel. Es geht um eine Systematik der Aneignung, die Rohstoffe, Land und Menschen als verwertbare Objekte betrachtet. Technische Mittel, staatliche Organisation und juristische Konstrukte verändern sich, doch die innere Bewegung bleibt gleich: das Verlangen nach mehr Raum, nach mehr Besitz, nach mehr Kontrolle. Wer dabei verliert, das sind immer die Menschen vor Ort, ihre Lebensweisen, ihre Sprache, ihre Würde.

Rohstoffgier und Landraub als Motoren der Gewalt

Die Eroberungen wurden nie ausschließlich aus religiöser Überzeugung geführt; sie wurden gerechtfertigt durch höhere Ziele, aber finanziert und getragen von der Aussicht auf Bereicherung. Holz, Ackerland, Bodenschätze und wirtschaftlich nutzbare Flächen waren die Währung, mit der militärische Macht ihre Legitimation erwarb. Land wurde umverteilt, Grenzen neu gezogen, Rechte aberkannt. Diese Praxis hat eine direkte Linienführung zu späteren Kolonialprojekten, in denen die gleichen Mechanismen unter globaler Intensität abliefen. Diejenigen, die von Natur und Boden leben, wurden entrechtet, entwurzelt und ihrer Existenzgrundlage beraubt. Die moralische Rhetorik verschleierte den ökonomischen Kern von Gewalt.

Unterwerfung, Zwang und Entmenschlichung

Unterwerfung war nie nur administrativer Akt. Sie war und ist ein Prozess der Entmenschlichung. Menschen wurden zu Arbeitskräften erklärt, zu Objektkomponenten einer ökonomischen Maschine. Zwangsrekrutierung, Verschleppung und Sklavenhandel sind keine Nebeneffekte, sondern integrale Bestandteile einer Politik, die Arbeitskraft externalisiert und Kosten externalisiert. Die Instrumentalisierung menschlicher Schicksale für materielle Gewinne hinterlässt Narben in Gemeinschaften, die Generationen überdauern. Diese Narben sind nicht abstrakt, sie zeigen sich in Sprachverlust, in verlorenen Traditionen, in gebrochenen Sozialgefügen.

Ideologische Rechtfertigung und ihre zerstörerischen Folgen

Religiöse Mission, Zivilisationsrhetorik und rechtliche Konstrukte dienten als Schleier für Ausbeutung. Sie verwandelten gewaltsame Aneignung in moralische Pflicht und legitimierten so politische Projekte, die ohne diese Ideologie als das benannt würden, was sie sind: Raubzüge unter staatlicher oder ordensbezogener Flagge. Das fatale Erbe dieser Rechtfertigungen ist, dass Gewalt institutionalisiert und als Dienst an einer höheren Ordnung präsentiert wurde. Diese Instrumentalisierung von Moral hat in vielen Regionen kollektive Selbstzweifel gesät und die Fähigkeit lokaler Gemeinschaften, ihre eigene Geschichte zu erzählen, nachhaltig geschwächt.

Die Lausitz als Schauplatz fortdauernder Verwundbarkeit

In der Lausitz ist dieses historische Muster in besonderer Weise spürbar. Die Landschaft und die Menschen hier sind mehrfachen Formen der Aneignung ausgesetzt gewesen. Die Lausitzer Sorben stehen mit ihrer Sprache, ihren Bräuchen und ihrem kollektiven Gedächtnis in einer Position, in der historische Erosion durch äußere Eingriffe sichtbar bleibt. Tagebaue, Umsiedlungen, wirtschaftliche Umbrüche und politische Entscheidungen haben Spuren hinterlassen, die das soziale Gefüge belasten. Was hier stattgefunden hat, ist keine abstrakte Geschichte; es ist ein fortgesetztes Muster von Eingriffen, das in seiner modernen Gestalt nur andere Mittel, aber die gleiche Absicht kennt.

Kulturverlust als fortlaufende Gewalt

Kultureller Verlust ist nicht weniger brutal als physische Vertreibung. Wenn Sprache marginalisiert wird, wenn Rituale nicht mehr praktiziert werden können, dann verschwindet kollektive Erinnerung in einem Alltag, der von externen Interessen geformt wird. Die Sorben erleben dies in Formen von Unsichtbarmachung und wirtschaftlicher Marginalisierung. Jedes verschwundene Wort, jede aufgegebene Tradition ist ein Verlust an Widerstandskraft gegen neue Formen der Aneignung. Kultur ist kein Luxus, den man opfern darf, ohne die Grundlagen menschlicher Selbstbestimmung zu zerstören.

Forderung nach Anerkennung, Reparatur und Respekt

Die kritische Konsequenz aus dieser historischen Kontinuität ist klar und schmerzhaft: Anerkennung allein reicht nicht. Es braucht eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den materiellen und symbolischen Folgen jahrhundertelanger Expansionen. Reparative Maßnahmen müssen sich nicht nur an rechtlichen Formeln orientieren, sondern an der Wiederherstellung von Handlungsfähigkeit, an Schutz von Landrechten, an Förderung der Sprache und an ökonomischer Stärkung lokaler Gemeinschaften. Ohne solche Maßnahmen wiederholt sich die Geschichte in neuen Formen, und die Menschen in Regionen wie der Lausitz bleiben dauerhaft in einer Position der Verwundbarkeit.

Wut, Trauer und Entschlossenheit

Es ist verständlich, dass Wut und Trauer hochsteigen, wenn man die Verknüpfungen von mittelalterlicher Gewalt und moderner Kolonialpraxis erkennt. Diese Gefühle sind gerechtfertigt und dürfen nicht moralisch entwertet werden. Sie können zu lähmenden Resignation führen, oder sie können Antrieb werden für solidarisches Handeln, für Bewahrung, für politischen Druck und für konkrete Unterstützung. Für die Lausitzer Sorben und für alle Gemeinschaften, die unter den Folgen historischer Aneignung leiden, ist es nötig, dass Empathie in Maßnahmen mündet und dass historische Verantwortung in praktische Gerechtigkeit übersetzt wird. Nur so kann die lange Kette von Raub und Entmenschlichung durchbrochen werden und Raum entstehen für eine Zukunft, die auf Respekt, Schutz und echter Teilhabe beruht.

 

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