Energiesteuer – Düngeverordnung – Insektenschutzgesetz: “Läuft Gefahr, durch »Bauernlegen« enteignet zu werden” – Moderne Form der Umverteilung?

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Während der Bauernaufstände in der Frühen Neuzeit wurde eine neue Interpretation der Bibel gefordert, die die Frage aufwarf: “Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?” Die Grundherren unterdrückten nicht nur die Bauern, sondern waren auch ihren herrschaftlichen Verpflichtungen gegenüber verpflichtet. Die ‘gottgewollte Ordnung‘ der Gesellschaft geriet seit dem Spätmittelalter zunehmend ins Wanken. In der Frühen Neuzeit brachen in ganz Europa immer mehr Konflikte zwischen Bauern und Feudalherren aus. Ähnlich tiefe Gräben sind auch heute zu beobachten und es geht – damals wie heute – im Hintergrund um ganz handfeste wirtschaftliche Interessen.

“Wenigen, die überhaupt bereit waren, mit mir, dem vermeintlichen Presseheini aus der Großstadt, zu reden”

>>Bauernsterben von Bartholomäus Grill (Buch) <<

“Der Zorn der Landwirte: Traktor-Blockade auf einer holländischen Autobahn – Die deutschen Landwirte gehen zwar nicht so militant vor, rollen aber auf ihren Mammuttraktoren regelmäßig gen Berlin, um selbst gegen kosmetische Veränderungen Sturm zu laufen, gegen eine harmlose Düngeverordnung oder ein zaghaft nachgebessertes Insektenschutzgesetz. Bei einer Schlepperdemo vor dem Brandenburger Tor sah ich ein Banner an einem Frontlader hängen: »Sie säen nicht und sie ernten nicht, aber sie wissen alles besser!« Die Landwirte fühlen sich gegängelt und missverstanden, die wenigen, die überhaupt bereit waren, mit mir, dem vermeintlichen Presseheini aus der Großstadt, zu reden, beteten das Credo der Agrarindustrie nach: Weiter so! Erträge steigern! Wachsen oder weichen! Wir sind schließlich die Ernährer und Grundversorger der Nation!”

“Sie säen nicht und sie ernten nicht, aber sie wissen alles besser!”

Die Kluft ist auch heute noch sichtbar. Diese scheinbaren oberflächlichen Veränderungen bedrohen das Bestehen eines landwirtschaftlichen Betriebes insgesamt. Die Energiesteuer allein bedeutet einen schweren wirtschaftlichen Verlust für viele Bauern.

“Fällt die Agrardieselvergütung, werden die Landwirte im Durchschnitt mehrere tausend Euro Energiesteuer pro Jahr zusätzlich zahlen”

>>Agrarheute.com<<

“Diesel ist in der Landwirtschaft auf absehbare Zeit unverzichtbar, etwa für die Bodenbearbeitung. Fällt die Agrardieselvergütung, werden die Landwirte im Durchschnitt mehrere tausend Euro Energiesteuer pro Jahr zusätzlich zahlen müssen.”

“Diesel ist in der Landwirtschaft auf absehbare Zeit unverzichtbar”

Egal ob es um Energiesteuer, Düngeverordnung oder Insektenschutzgesetz geht, sie alle haben eines gemeinsam, das oft übersehen wird: Landwirtschaftliche Betriebe müssen sich gegen die internationale Konkurrenz behaupten, die oft nicht mit solchen wirtschaftlichen Hindernissen konfrontiert ist. Hierzu wurden auch Handelsabkommen geschlossen. Anhand von Beispielen lässt sich erkennen, wie teilweise willkürlich bestehende Regeln durchgesetzt werden.

“Nur das Privathaus nebenan tatsächlich auch angeschlossen” – “Wieso der Abwasserzweckverband „Weißer Schöps“ einen Beitrag auf Quadratmeterbasis festsetzte”

>>Alles-Lausitz.de<<

“Ein Anschlusszwang an das Abwassersystem, obwohl ein Anschluss für sie und ihren Mann gar nicht nötig war, fraß nach jahrelanger Stundung nun ihre Ersparnisse auf, um eine Zwangsvollstreckung zu vermeiden. … Nicht mehr abwehren ließ sich ein Schmutzwasserbeitrag für den Hof, der 2007 auf über 34.000 Euro taxiert wurde. Die riesigen Wälzer mit anwaltlichen und behördlichem Schlagabtausch lassen kaum nachvollziehen, wieso der Abwasserzweckverband „Weißer Schöps“ einen Beitrag auf Quadratmeterbasis festsetzte, der trotz geminderter Höhe im Grunde immer fiktiver Natur war, da nur das Privathaus nebenan tatsächlich auch angeschlossen war. Da Vorschriften eben Vorschriften sind, kamen nach langer Stundung auf diese Last letztlich doch die befürchteten Mahnungen. Über 22.000 Euro, die Eva-Maria Brussig nun doch gezahlt hat, waren eigentlich ihre Altersvorsorge.”

“Schmutzwasserbeitrag für den Hof, der 2007 auf über 34.000 Euro taxiert wurde”

Alleine die Abwassergebühren können zur Zwangsversteigerung führen und wirklich nachvollziehen kann diese Rechtspraxis häufig ohnehin niemand. Bei allem Kleingedruckten wird aber manchmal das Große ganze übersehen. Durch Steuern und Bürokratie müssen viele landwirtschaftliche Betriebe aufgeben und damit werden nicht selten gewaltige Ländereien umverteilt.

“Für ein industriell anschlussfähiges »Bauernlegen« (meint: Enteignung) erwies sich das über Generationen gewachsene englische Pächtersystem als ideal”

>>Kapitalfehler von Matthias Weik & Marc Friedrich (Buch) <<

“Die ersten Kapitalisten mussten Bauern von ihrem Ackerboden loseisen. Im kontinentalen Europa wurde das im Spätmittelalter erledigt. Die zugehörige soziale Innovation nannte sich »Leibeigenschaft«. Allerdings begnügten sich die adligen Grundherren mit der Aneignung mehr oder weniger großer Teile der landwirtschaftlichen Produktion. Aus freien wurden hörige, oft genug auch geknechtete Bauern. … Für ein industriell anschlussfähiges »Bauernlegen« (meint: Enteignung) erwies sich das über Generationen gewachsene englische Pächtersystem als ideal. Wohlhabende freie Bauern lassen sich nämlich kaum überreden, für Hungerlöhne 14 Stunden am Tag im Bergwerk oder in der Fabrik zu schuften. Landlose, völlig verarmte (aber immerhin noch eigenständige) Kleinpächter und verelendete Landarbeiter haben dagegen keine andere Wahl. Wenn dann der Gesetzgeber – Englands schmale Oberschicht verfügte ja schon lange über ein Parlament – noch an allen verfügbaren Schrauben von Schuld-, Immobilien- und Polizeirecht dreht, wenn man parallel aus den meisten Äckern Schafweiden macht, dann hat man binnen einer Generation eine Gesellschaft produziert, in der 80 Prozent der Menschen nicht mehr Bauern, sondern Proletarier sind.”

“Allen verfügbaren Schrauben von Schuld-, Immobilien- und Polizeirecht dreht, wenn man parallel aus den meisten Äckern Schafweiden macht”

Diese Veränderung hat nicht nur in England stattgefunden, sondern war auch in Deutschland bekannt. Im Rahmen dieser Umverteilung hat sich Großgrundbesitz angesammelt.

“Wer sich den Anforderungen der Gutsherren verweigert, läuft Gefahr, durch »Bauernlegen« enteignet zu werden”

>>Karl der Große von Rolf Bergmeier (Buch) <<

“Der weltliche Feudalismus tritt nicht weniger anspruchsvoll auf. Er muss zwar die Balance zwischen König und Aristokratie aushalten, aber räumt dem Volk aus Unfreien, die an Grundherrn und Boden gebunden sind, unentgeltliche Frondienste und Abgaben zu leisten haben, kein Eigentum an Grund und Boden und keine politischen Rechte besitzen und deren Kinder wieder als Unfreie geboren werden, keinerlei verbriefte Mitsprache ein. Der Frondienst für den Grundherrn beträgt »zwei Wochen Feldarbeit im Herbst, zwei Wochen im Vorfrühling, zwei Wochen im Juni, je Woche an fünf Tagen«, und die Arbeit verlangt im Regelfall Zugtiere. Wer kein »taugliches Pflugvieh« hat, muss »mit dem Grabscheit« (Spaten) das Feld bestellen. Das äußere Zeichen der Unfreien ist das geschorene Haupt und das enge, kurze Gewand, der »Bauernkittel«. Der Historiker FRIEDRICH PRINZ umschreibt diese Form der Dreiviertel-Sklaverei eines ganzen Volkes nebelhaft mit »organisatorischer Verortung« von »etwa 90 Prozent der abhängigen Bevölkerung«. … Wer sich den Anforderungen der Gutsherren verweigert, läuft Gefahr, durch »Bauernlegen« enteignet zu werden: Der Bauer bzw. Hörige wird im Rahmen der Heerespflicht zum Kriegsdienst eingezogen, bis er verarmt ist und sein Eigentum wohl oder übel übergeben oder verkaufen muss. Diese Praxis soll das Einkommen der Gutsbesitzer durch Übernahme der Höfe und deren unmittelbare Bewirtschaftung erhöhen und wird von Bischöfen, Äbten und Grafen gleichermaßen angewendet.”

“Praxis soll das Einkommen der Gutsbesitzer durch Übernahme der Höfe und deren unmittelbare Bewirtschaftung erhöhen”

Die Übernahme von Höfen und Ländereien ist also kein neuzeitliche Phänomen. Es handelt sich hierbei auch um kein abgeschlossenes geschichtliches Kapitel, sondern diese gesellschaftlichen Kreisen sind noch heute allgegenwärtig.

“Gruppe von etwa 500 untereinander verwandten und verschwägerten Familien befanden, die bereits 1913 zur Oberschicht und Geldaristokratie gehörten”

>>Freiheit statt Kapitalismus von Sahra Wagenknecht ((Buch) <<

“Bernt Engelmann weist in seinem immer wieder lesenswerten Klassiker Das Reich zerfiel, die Reichen blieben mittels einer akribischen Untersuchung nach, dass sich im Deutschland der siebziger Jahre etwa zwei Drittel aller großen Industrieunternehmen, Handelsfirmen und Banken im Eigentum einer Gruppe von etwa 500 untereinander verwandten und verschwägerten Familien befanden, die bereits 1913 zur Oberschicht und Geldaristokratie gehörten und schon damals über ähnliche wirtschaftliche Machtbastionen verfügten wie sechzig Jahre später. Die Beantwortung der Frage, wem die Bundesrepublik eigentlich gehört, führt uns, schreibt Engelmann, zu den »heute noch steinreichen und mächtigen Erben der Geld- und Machtelite des Kaiserreichs, deren Vermögen zumeist schon in früheren Jahrhunderten gebildet wurde – durch Bauernlegen, Menschenschinderei, Wucher und Geldfälschung, mittels Bestechung erschlichene Monopole, Soldatenverkauf, Straßenraub und Erpressung oder mit den verfeinerten Methoden frühkapitalistischer Ausbeutung …« Nicht zu reden von den gigantischen Zugewinnen, die im 20. Jahrhundert noch hinzukamen: aus der Kriegsproduktion für zwei Weltkriege, aus der Naziherrschaft, der Arisierung jüdischen Vermögens und dem Todschinden zehntausender Zwangsarbeiter.”

“Die Beantwortung der Frage, wem die Bundesrepublik eigentlich gehört”

Im Zuge zunehmender Steuerbelastungen und bürokratischer Hürden werden voraussichtlich zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe aufgeben müssen, was oft zu einer Umverteilung von großen Ländereien führt. Man könnte dies als eine zeitgemäße Variante des Bauernlegens betrachten, was wohl kaum den sozialen Frieden zuträglich sein wird.