Die Sicherung von Grenzen in der Antike zur Zeit des Römischen Reiches
Die Sicherheit des römischen Imperiums war eng mit der Stabilität seiner Grenzen verknüpft: Auf dem Höhepunkt der römischen Macht zur Zeit des Kaisers Hadrian (117–138 n. Chr.) erstreckte sich die Außengrenze über 7500 Kilometer, von Britannien über Germanien, den Balkan, Armenien, Mesopotamien, Arabien, Ägypten und Nordafrika bis nach Mauretanien. Für den Schutz dieser Grenzen war ein Heer verantwortlich, das nahezu 500.000 Soldaten umfasste. Statistisch betrachtet kamen somit etwa 70 Soldaten auf jeden Kilometer der Grenze. Bei einer Bevölkerung von rund 60 Millionen war das römische Imperium nicht stärker militarisiert als die vergleichsweise kleine westdeutsche Bundesrepublik bis 1990. Diese Konstellation konnte nur funktionieren, weil die römische Armee ihren potenziellen Feinden in Bezug auf Ausbildung, Organisation und Technologie deutlich überlegen war. Ein entscheidendes Element der Asymmetrie lag darin, dass die Römer ihre Gegner besser kannten als diese das Imperium. Ähnlich wie im Hannibalkrieg, jedoch in viel größerem Maßstab, waren Informationen das entscheidende Gut, das oft über Sieg oder Niederlage entschied. Relevantes Wissen wurde durch die Befragung von Überläufern und Kriegsgefangenen erlangt. Eine weitere wichtige Informationsquelle waren Kaufleute, für die die Grenzen durchlässiger waren als für gewöhnliche Bürger. Die Römer wussten genau, warum sie 298 n. Chr. in einem Vertrag mit den Persern festlegten, dass der gesamte Handel zwischen den beiden Reichen künftig über die Grenzstadt Nisibis abgewickelt werden sollte. Indem sie die Karawanen durch einen Engpass lenkten, erleichterten sie es den Grenzschützern, Spione aus der Menge der Kaufleute herauszufiltern.
Um Informationen zu beschaffen und insbesondere schnell weiterzuleiten, reichten solche passiven Maßnahmen jedoch bei weitem nicht aus. Die Armee benötigte vor allem eigene Spezialkräfte zur Informationsbeschaffung sowie ein Übermittlungssystem, das es ermöglichte, Nachrichten schneller zu transportieren als selbst mit dem cursus publicus. Der Archäologe David J. Woolliscroft hat römische Grenzbefestigungssysteme in Britannien und Germanien – Hadrians Wall und seinen Vorgänger Stanegate sowie den Obergermanisch-Rätischen Limes – untersucht und interessante Erkenntnisse gewonnen: Nach seinen Forschungen verfügten die Legionen über ein umfassendes Arsenal an Signaltechniken, mit denen Botschaften auch über größere Distanzen sicher übermittelt werden konnten: von Brieftauben über Rauch-, Feuer- und Flaggen- bis hin zu akustischen Signalen und Zeigertelegrafen. Grenzkastelle und kleine Posten, sogenannte Mile Castles, wurden so im Gelände angelegt, dass eine visuelle Signalübermittlung störungsfrei möglich war.
Darüber hinaus verlief der Limes in Germanien, insbesondere in der Wetterau, spornartig tief ins Barbarengebiet hinein. Auf den ersten Blick erscheinen solche Ausbuchtungen unlogisch, da sie lediglich die Verteidigungslinien verlängerten und somit die personellen und materiellen Kosten des Grenzschutzes erheblich erhöhten. Eine solch unregelmäßige Anordnung der Grenzbefestigungen rechtfertigte den Aufwand nur dann, wenn sie der Gewinnung und Übermittlung von Informationen diente. Tatsächlich war der Wetterau-Limes so gestaltet, dass Entwicklungen viele Kilometer vor den römischen Hauptlinien beobachtet werden konnten. Erkenntnisse konnten per Licht- oder Zeigersignal ohne Verzögerung an das Hauptquartier weitergeleitet werden, das ebenso schnell Truppen zur Verstärkung mobilisieren konnte. Der Limes erfüllte somit nicht nur Funktionen im Rahmen des Grenzmanagements und der Verteidigung, sondern fungierte auch als eigenes Frühwarnsystem zur Minimierung des Risikos unerwarteter Überraschungen.
Jede Information ist jedoch nur so gut wie die Personen, die sie beschaffen. Die römische Armee verfügte über eine Vielzahl von Spezialkräften, die als Augen und Ohren für ihre Kameraden fungierten. Bereits bei Caesar finden sich speculatores wieder, die der Feldherr im Gallischen Krieg nutzte, um Stellungen sowie Bewegungen des Feindes auszukundschaften und das Terrain zu erkunden. Auch Caesars Widersacher setzten Kundschafter ein. Im Bürgerkrieg zwischen dem Diktator und den Anhängern Pompeius gelang es dem jüngeren Gnaeus Pompeius, einen speculator in Caesars Lager einzuschleusen. Dieser wurde enttarnt und getötet; ob sein Auftrag darin bestand, das Lager auszuspionieren oder taktische Informationen zu sammeln oder gar den Diktator zu töten, bleibt unklar.
Diese wenigen Einblicke verdeutlichen bereits die Vielseitigkeit des Aufgabenspektrums dieser Elitesoldaten. Sie leisteten Aufklärungsarbeit, sammelten Informationen und agierten als Undercover-Agenten bei der Beschaffung geheimer Daten. Bereits Marcus Antonius stellte während der Triumviratszeit eine Kohorte speculatores auf; ein Denar aus dem Jahr 32/31 v. Chr. bezeugt dies. Augustus wies später jeder Legion eine Abteilung dieser Nachrichtentruppe zu, die sowohl Aufklärungs- als auch Kurierdienste leistete und zudem als Leibwache für hochrangige Offiziere diente. Auch der Prätorianergarde in Rom war ein Kontingent von 300 speculatores zugeordnet, die für verschiedene Spezialaufgaben ausgebildet waren. Einige dienten den Kaisern als Leibwache, während andere streng geheime Botschaften überbrachten. So entsandte der Prätorianerpräfekt Macro speculatores in alle Provinzen, um die Statthalter zu informieren, als Kaiser Tiberius im Sterben lag. Bei Bedarf konnten solche Nachrichten chiffriert werden; Ammianus Marcellinus berichtet darüber aus dem 4. Jahrhundert n. Chr., wobei er selbst ein hochrangiger Offizier war.
Speculatores waren also äußerst vielseitig einsetzbar. Als Elitetruppe erhielten sie einen höheren Sold als ihre Kameraden in den Legionen oder bei den Prätorianern. Viele von ihnen machten eine steile Karriere mit sozialem Aufstieg: Der um 15 n. Chr. geborene speculator Sextus Cetrius Severus avancierte bis 68/69 zum Tribun und kommandierenden Offizier einer Prätorianerkohorte; zahlreiche speculatores dienten nach längerer Dienstzeit im Stab von Provinzstatthaltern und gehörten somit zur kleinen Verwaltungselite der römischen Provinzen.
Die Aufgaben der speculatores überschnitten sich teilweise mit denen einer anderen Kategorie militärischer Fachkräfte: den exploratores. Auch diese waren Kuriere und nahmen nachrichtendienstliche Funktionen wahr; ihre Hauptaufgabe lag jedoch in der Feind- und Geländeaufklärung. Sie fungierten sowohl im Frieden als auch im Krieg als Augen und Ohren der Legionen. Im Einsatz ritten sie weit auseinander gefächert einer marschierenden Legion voraus, um Feindaktivitäten sowie Geländebeschaffenheit an den Befehlshaber zu melden. Auch in Friedenszeiten erfüllten sie bedeutende Funktionen beispielsweise als Besatzung vorgeschobener Außenposten im Barbarengebiet.
In der Spätantike nutzten die Aufklärungsdienste der Armee vermutlich speziell dafür ausgestattete Boote zur Informationsbeschaffung auf Flüssen im feindlichen Gebiet. Exploratores gehörten in der Regel den Hilfstruppen an, die ethnisch unter Nichtrömern rekrutiert wurden; erst mit ihrer Entlassung aus dem Heeresdienst erwarben sie das römische Bürgerrecht. Dieses Rekrutierungsmodell hatte den Vorteil, dass sich die Römer so die Kampftechniken verschiedener Ethnien zunutze machen konnten: Für Spähdienste eigneten sich besonders gut Nomaden aus afrikanischen sowie vorderasiatischen Wüsten- und Steppengebieten oder auch Bewohner der Nordwestprovinzen; sie waren geübt im Reiten und kannten sich wie Bataver oder Germanen gut im schwierigen Gelände aus.
Der Militärschriftsteller Vegetius empfiehlt im späten 4. Jahrhundert n.Chr., stets berittene exploratores zur Aufklärung voranzuschicken; dies sei besonders wichtig zur Vermeidung eines Hinterhalts hinter der nächsten Biegung – vor allem nachts sei dies entscheidend gewesen. Diese Soldaten sollten zuverlässig sowie erfahren sein; Dunkelheit verringerte das Risiko eines Zusammentreffens mit dem Feind erheblich – geschah dies doch einmal, kehrte sich der Vorteil durch Aufklärung schnell ins Gegenteil um: In Gefangenschaft geraten könnten Späher unweigerlich Informationen über das Herannahen einer Armee preisgeben.
Hatten die Römer Erfolg bei ihren Bemühungen um umfassende Informationen über ihre Gegner? Sicherlich verschaffte ihnen ihre Fähigkeit zur schnellen Informationsbeschaffung sowie -weiterleitung einen taktischen Vorteil gegenüber äußeren Reichsfeinden; militärische Krisensituationen ließen sich entschärfen durch rasches Zusammenziehen von Truppen an kritischen Stellen – so konnte qualitative Überlegenheit hergestellt werden trotz möglicherweise unterlegener Zahlenverhältnisse.
Strategisch gesehen waren jedoch die Kenntnisse aus diesen Informationen offenbar nur begrenzter Wert: Das Imperium wurde durch Entwicklungen östlich des Rheins und nördlich der Donau ab dem 1., verstärkt ab dem 2. Jahrhundert n.Chr., völlig überrascht – dass sich dort kleine sesshafte Stämme zu großen hochmobilen Konföderationen unter charismatischen Führern wie Marbod oder Arminius formierten stellte eine tödliche Bedrohung für das Imperium dar; diese Entwicklungen blieben den Römern lange verborgen – sie kannten nicht einmal anfangs die Namen jener Stämme, welche ihnen besonders im 3. Jahrhundert große Schwierigkeiten bereiteten.
Dies zeigt aufschlussreich auf was es den Römern mangelte: Selbst wenn sie Informationen beschafften vermochten sie es nicht mit wissenschaftlichen Methoden ein umfassendes Lagebild zu erstellen – aus diesem Grund scheiterte das Imperium letztendlich daran eine effektive Strategie gegen seine Feinde zu entwickeln.”