Rittergüter und Schlösser in der historischen Lausitz: Wendisch-Paulsdorf

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Wendisch-Paulsdorf liegt ½ Stunde von Löbau unfern Kittlitz, am Löbauer Wasser, gegen Reichenbach, nur 3 Stunden davon entfernt. Die Strasse von Löbau nach Görlitz führt hier durch.

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Von Moritz Grimmel

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Der Name giebt hinlänglich von der Entstehung Kunde. Die Wenden, die Sorben-Wenden waren es, welche in den frühesten Zeiten hier Besitz gefasst haben. Allmählich erst breiteten sich dieselben von der Lausitz herab an der Elbe und Mulde weiter und weiter aus und legten Dörfer an, aus elenden Hütten, aus Holz und Lehm erbaut.

Von einer Ordnung und Bequemlichkeit der innern Einrichtung hatten sie keinen Begriff. Von einem Schornsteine wusste man damals nichts, sondern eine Oeffnung im Dache war Alles, wodurch man die Qualen des Rauches zu mindern suchte. Mitten im Hause befand sich eine Grube, welche zugleich als Heerd und Ofen diente, um welche herum sich am Abend Alles lagerte, bis ein Glöckchen das Zeichen gab, dass das Feuer in diesen Gruben nunmehr ausgelöscht werden solle. Wahrscheinlich rührt davon das in den Dörfern noch heute übliche Abendlauten her.

Im Jahre 929 unterwarf sich der Sachsen-Herzog Heinrich die Nieder- und Oberlausitz und derselbe theilte nun die eroberten Länder in Markgrafthümer. Mark bedeutet eine Grenze, und Markgrafthum war ein Grenzland des deutschen Reichs, Markgraf ein kaiserlicher Stadthalter, dem mehre Burggrafen als Schlosscommandanten beigeordnet waren, und so entstanden nun die Schlösser und Burgen.

Sobald als ein Kampf mit den nach langer Zeit unruhigen Besiegten und Grenznachbarn bevorstand, so beriethen sich die Markgrafen mit den Vasallen, wodurch die Landtage in der Lausitz mit entstanden.

Eben so wurde in dieser Zeit Alles aufgeboten die Ausbreitung des Christenthums unter den Wenden zu befördern und zu bewerkstelligen. Kaiser Otto errichtete darum in Magdeburg ein Seminarium zur Bildung wendischer Prediger, aus dem nun, mindestens mit einiger Kenntniss der slavischen Sprache ausgerüstete Prediger hervorgingen. Es wurden Pfarreien errichtet, schnell hölzerne Kirchen hier und da erbaut und die Neubekehrten mussten den Geistlichen den zehnten Theil aller ihrer Einkünfte abtreten, daher der Decem, der jetzt aller Orten abgelösst ist.

Wendisch-Paulsdorf gehört ebenfalls zu denjenigen Orten, dessen Entstehung in die frühesten Zeiten zurückfällt und von dem wendischen Worte Paulice seinen Namen entlehnt haben mag.

Ein Schloss soll hier schon im 11. Jahrhundert existirt haben und ein Schlosshauptmann damit beliehen gewesen sein. Die früheren Nachrichten über die Erbauung des Schlosses und dessen Besitzer fehlen übrigens gänzlich. Im Jahre 1779 war das Rittergut dem Fräulein Henriette Carolina von Rechenberg zugeschrieben, von welcher es im Jahre 1800 an August Benjamin Mühle auf Lawalde, Kaufmann zu Löbau kam, von welchem es dessen Ehefrau Louise Friederike Eleonore Mühle ererbte. Im Jahre 1820 übernahm dasselbe Johann Gottlieb Traugott von Leuthold auf Paulsdorf und Wendisch-Paulsdorf. Seit dem Ableben des Herrn von Leuthold ist im Besitze des Gutes die Familie von Nostitz und der dermalige Besitzer ist Herr Hans Carl Florian von Nostitz-Drziwieki. Wendisch-Paulsdorf ist mit Grossdehsa, Tauernick, Peschen, Eiseroda, Nechen, Breitendorf, Laucha, Carlsbrunn, Unwürde, halb Wohle, Georgewitz, Wendisch-Kunnersdorf, halb Rosenhain, Zoblitz, Bellwitz, Oppeln, Kleinradmeritz, Glossen, Lautiz, Alt- und Neu-Kunnewitz, Menschlitz und Hansebach nach dem schönen hochgelegenen Dorfe Kittlitz eingepfarrt und heisst es deshalb in den alten Urkunden:

„Die Einwohner von Wendisch-Paulsdorf sind nach Kittlitz eingepfarrt, und mit 10 Rauchen belegt.“

In der Kittlitzer Kirche ist vor dem Altare ein freier Platz, in dessen Mitte der Taufstein steht, der zu beiden Seiten von 10 herrschaftlichen Logen umgeben ist.

Oben gegen Mittag zunächst am Altare die Kleinradmeritzsche, die Bellwitzische und zunächst an der Kanzel, die Lautizsche. Gegen Mitternacht zunächst dem Altare die Glossensche und die Wendisch-Paulsdorfer und Unwürdesche der Canzel gegenüber. Unten zunächst dem Altare gegen Mittag des Pfarrers Sacristei, die Wohlauische und Oppelnsche Loge; dieser gegenüber zunächst dem Altare des Diaconen Sacristei, dann die Wendisch-Kunnersdorfsche und Kittlitzische Loge.

Eine jede obere Loge hat unter sich ihre Gruft unter der Grundmauer, zu welcher an der äusseren Façade die Eingänge zu suchen sind.

Die übrigen in Sachsen liegenden Orte, welche den Beinamen „Wendisch“ führen, sind: Wendisch-Beselitz, Wendisch-Biela, Wendisch-Bora, Wendisch-Carsdorf, Wendisch-Fähre, Wendisch-Luppa, Wendisch-Ossa, Wendisch-Hayn, und haben diese Dörfer allesamt ihren Namen von der Begründung des Orts durch die Wenden, nachdem sie von der Lausitz gegen die Mulde und Elbe zogen und sich daselbst niedergelassen haben.

Wendisch-Paulsdorf liegt sehr angenehm und in einer fruchtreichen Gegend. Dasselbe hat sehr schöne reizende herrschaftliche Gebäude, zu deren Verschönerung der jetzige Herr Besitzer viel beigetragen hat.

Wendisch-Paulsdorf hat jetzt 38 bewohnte Gebäude mit 54 Haushaltungen und 230 Einwohnern.

Letztere sind von starkem, robusten Körperbau, und dabei von offener, ehrlicher Sinnesart.

Viele davon finden auf dem hiesigen Gute eine reichliche Beschäftigung.

Wendisch-Paulsdorf gehört jetzt zum Bezirksgerichte und Gerichtsamte Löbau, zur Amtshauptmannschaft Zittau, und zum Regierungsbezirk Bautzen.