Wie kann Steuerwettbewerb erreicht werden?

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Wie kann Steuerwettbewerb erreicht werden? Es ist zuzugeben, dass dieser etwas anders und indirekter funktioniert als der Wettbewerb in der Privatwirtschaft. Wenn einem die Brötchen beim Bäcker „Knatsch“ nicht knusprig genug sind, geht man im besten Fall einfach 100 Meter weiter zu Bäcker „Knack“.

Im Bereich der Privatwirtschaft geht es darum, das beste Produkt zum niedrigsten Preis zu erwerben. Man wechselt den Anbieter, um ein knusprigeres Brötchen zu bekommen. Steuern hingegen sind kein Gut, das man anstrebt, sondern ein Übel, dem man entkommen oder das man zumindest reduzieren möchte. Das Verlassen eines Hochsteuerlandes gestaltet sich deutlich aufwendiger als der Wechsel des Bäckers. In der Praxis bedeutet dies oft, den Wohnsitz dauerhaft zu verlagern. Dies beinhaltet Maßnahmen wie: eine neue Arbeitsstelle suchen oder den Unternehmensstandort verlegen, den Haushalt auflösen, eine neue Wohnung finden und einen Schulwechsel für die Kinder organisieren.

Und das sind längst nicht alle Aufgaben, die zu bewältigen sind, wenn man sich entscheidet, seinen zukünftigen Lebensmittelpunkt an einem anderen Ort zu haben. In der Regel findet man sich danach sogar in einem anderen Sprach- oder Kulturraum wieder. Besonders kompliziert wird es, wenn das Land, das man verlassen möchte, sehr groß ist. Genau diese beiden Aspekte werden viele davon abhalten, den letzten Schritt zu wagen.

Wer zudem Verwandte und Freunde zurücklassen muss und gegenseitige Besuche zu einer halben Weltreise werden, wird sich zweimal überlegen, ob er am Ende nicht doch in den sauren Apfel beißt, bleibt wo er ist und widerwillig seine hohe Steuerrechnung begleicht. Mit zunehmender Größe des Staates – hier ist die territoriale Ausdehnung gemeint – steigt die Anzahl der Hindernisse, die einem Bürger beim Umzug in ein anderes Land im Weg stehen.

Auch aus dieser Perspektive betrachtet erhält die immer wieder geforderte verstärkte europäische Integration einen wenig erfreulichen Beigeschmack. Für die Eurokraten bedeutet Integration vor allem die Harmonisierung von Steuersätzen auf das höchstmögliche Niveau. Um den Steuerwettbewerb einzuschränken, hat das EU-Steuerkartell – das anscheinend außerhalb der Überwachung durch Kartellbehörden agiert – einen Mindestmehrwertsteuersatz festgelegt. Anders ausgedrückt: Die Mitgliedsstaaten haben sich verpflichtet, diese Steuer nicht unter einem bestimmten Prozentsatz zu senken. Bereits jetzt existieren also supranationale Steuerabsprachen. Die Vereinigten Staaten von Europa würden die Bürger Europas durch die Eliminierung des Steuerwettbewerbs erst recht zum Selbstbedienungsladen für Politiker und Bürokraten machen. Aus diesem Grund sind kleine politische Einheiten für einen effektiven Steuerwettbewerb unerlässlich.

Wer die Steuern in Land A als zu hoch empfindet oder glaubt, keine angemessene Gegenleistung für seine Steuern zu erhalten – wie beispielsweise gut ausgebaute Straßen ohne Staus oder ein hervorragendes Bildungssystem für seine Kinder –, dem wird die Entscheidung leichter fallen, nach Land B zu ziehen – dorthin, wo die staatlichen Straßen und Schulen zwar nicht viel besser sind, aber zumindest die Steuern erträglicher ausfallen.

Das versteht jeder, und allein mit diesem Argument sollte klar werden, dass eine vertiefte europäische Integration nicht im Interesse der Bürger liegt, sondern den Steuerwettbewerb unterdrücken soll, da dieser den staatlichen Einnahmen schadet. Für Steuerpflichtige ist es umso einfacher umzuziehen, je kleiner ein Staat ist. In einem Umfeld kleiner Staaten kann Otto Normalsteuerzahler dasselbe tun, was sich heute fast nur sogenannte Superreiche erlauben können: den Exit vollziehen. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob man einen Staat nach 1.000 Kilometern oder bereits nach 10 Kilometern hinter sich lassen kann. Wenn am Zielort dann auch noch dieselbe Sprache gesprochen wird und man seinen gewohnten Kulturkreis nicht verlassen muss, fällt es noch leichter, seine Zelte dort abzubrechen, wo man zur Steigerung staatlicher Einnahmen wie eine Zitrone ausgepresst wird. Man muss auch nicht alle Freunde und Verwandten aufgeben und kann sich gegenseitig ohne großen Aufwand regelmäßig besuchen. Umgekehrt steigt aus Sicht eines Staates mit der Nähe der Grenzen der Druck, die Steuerzahler und produktiven Kräfte im Land zu halten.

Dies gilt ebenso für Unternehmen. Denn alles, was bisher über das mögliche Abwandern von Menschen gesagt wurde, trifft natürlich auch auf Unternehmen zu, denen oft der Abzug leichter fällt. Sieht sich ein Staat mit dem Wegzug seiner „gemolkenen“ Steuerzahler konfrontiert, hat er letztlich zwei Optionen: Entweder muss er die Grenzen schließen und wie die DDR eine Mauer errichten oder den Wegzug stark besteuern. Alternativ müssen Regierungen und Politik sich anstrengen, Menschen und Unternehmen ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten – vergleichbar mit einer Urlaubsregion, die im Wettbewerb um Feriengäste steht. Ähnlich wie bei der Werbung um Hotelgäste muss eine Regierung versuchen, mit attraktiven Konditionen die klügsten Köpfe ins Land zu holen.

Diese könnten vielleicht direkt aus der Nachbarschaft kommen, weil sie dort mit hohen Steuern und überbordender Bürokratie belastet werden und zur Mitfinanzierung eines übergroßen Versorgungsstaates gezwungen sind. So könnten beispielsweise Verantwortliche in einem unabhängigen Savoie – heute ein französisches Département – damit werben, sich ausschließlich darauf zu konzentrieren, Leib und Leben sowie Freiheit und Eigentum ihrer Bürger zu schützen und sich ansonsten nicht in deren Leben einzumischen – und das zu einem sehr niedrigen „Preis“, sprich minimalen Steuersatz. Viele Bewohner (und auch Unternehmen) des benachbarten Départments Isère könnten dies so attraktiv finden, dass sie beschließen würden, ihren Wohnsitz nach Savoie zu verlegen. Sie müssten dafür nicht einmal eine andere Sprache lernen. Und ihre Freunde sowie Verwandten könnten sie ebenfalls jederzeit ohne großen Aufwand besuchen. Im angrenzenden Isère blieben dann überwiegend die Steuerkonsumenten zurück. Die dortige Regierung müsste schnell ein Konzept entwickeln, um Bewohner und Unternehmen im Land zu halten.

Sie wäre gezwungen, Ausgaben sowie Steuersätze zu senken und insgesamt auf mehr Freiheit zu setzen. Denn ohne Produktion lässt es sich nicht lange aushalten; nur konsumieren führt nicht zum Ziel. Dieses Beispiel lässt sich auf jede andere Region übertragen – sei es Bayern oder das österreichische Tirol, spanisches Katalonien oder Sachsen sowie Schleswig-Holstein. Vielleicht könnte so sogar der immer wieder aufflammende Streit in Belgien zwischen Flamen und Wallonen beendet werden. Einmal mehr zeigt sich: Große politische und wirtschaftliche Einheiten sind dem Wohl der Gesellschaft abträglich; sie behindern einen funktionierenden Steuerwettbewerb. Je größer das Staatsgebiet ist, desto schwieriger wird es für den Steuerpflichtigen, sich vor dem Zugriff des Staates auf Einkommen und Vermögen zu schützen.

Ein Weltstaat wäre für ihn der Super-GAU; dann wäre das totale Steuermonopol vollzogen. Steuern zu entkommen wäre nur noch demjenigen möglich, der seinen Wohnsitz auf einen anderen Planeten verlegt – aber selbst dort markieren Politiker bereits ihr Revier mit Fahnen – wie Neil Armstrong einst eindrucksvoll auf dem Mond demonstrierte. Steuerpolitik ist längst nicht mehr nur ein Mittel zum Zweck; sie dient nicht mehr nur dazu, mittels Steuereinnahmen die Kosten für die Aufrechterhaltung einer staatlichen Ordnung – nämlich einer Rechtsordnung zum Schutz der Bürger und ihres Eigentums – zu decken. Stattdessen hat sie sich zu einem Instrument der Umverteilung gewandelt: Den einen nehmen um den anderen zu geben – so lautet die politische Devise. Dies schafft Abhängige, deren Stimmen Politiker bei den nächsten Wahlen sicher sein können; auch beim umverteilenden Politiker und Bürokraten selbst bleibt immer etwas hängen.