“Vertiefungen im Felsgestein zu erkennen, die vermutlich als Opferbecken genutzt wurden” – Hat es Opferzeremonien in der Lausitz gegeben?
Haben die sorbischen Lausitzer in früheren Zeiten Opferzeremonien durchgeführt? Aktuelle Berichte deuten darauf hin – zumindest teilweise? Ebenso legen prähistorische Steinvertiefungen im Wald nahe, dass dies der Fall sein könnte? Oder gibt es eine alternative Erklärung dafür?
“Sorbischen Begriff Čorny Bóh (schwarzer Gott), so steht das Biele (běły) hier für weiß”
“Berg Bieleboh – Der Name Bieleboh weist von der Namensbedeutung her Ähnlichkeiten zum benachbarten Berg Czorneboh auf. Bezieht sich letzterer auf den sorbischen Begriff Čorny Bóh (schwarzer Gott), so steht das Biele (běły) hier für weiß. Die Namen legen einen Bezug auf eine vorchristliche sorbische Mythologie nahe, über die es jedoch keine gesicherten Informationen gibt. … Karl Benjamin Preusker zeichnete 1841 eine mit Sagen behaftete Steinformation des Berggipfels, die er als “Bielybog-Altar” bezeichnete. Er vertrat dabei die Ansicht, dass dieser Felsen als uralter, heidnischer Opferaltar diente. Kalendarische Sonnenbeobachtungen fanden hier statt. 1936 wurde der Berg von den Nationalsozialisten im Zuge der Germanisierung sorbischer Flurnamen in “Huhberg” umbenannt. Er bekam seinen Namen jedoch nach 1945 zurück.”
“Karl Benjamin Preusker zeichnete 1841 eine mit Sagen behaftete Steinformation des Berggipfels, die er als “Bielybog-Altar” bezeichnete”
Ist der “Bielybog-Altar” tatsächlich ein heidnischer Opferaltar, wie es manche behaupten? Um diese Frage zu klären, ist es wichtig, die entsprechende Historie zu berücksichtigen. Auch der zeitliche Rahmen spielt eine entscheidende Rolle. Während des Mittelalters war die Lausitz größtenteils von heidnischen Traditionen geprägt, und die damaligen Kreuzzüge mussten auf irgendeine Weise gerechtfertigt werden. Vereinfacht ausgedrückt: Die Heiden sollten zum Christentum konvertiert werden, um die vermeintlichen Blutrituale zu unterbinden.
“Berichte nach Rom” -“Wonach die deutschen Fürsten lediglich ihre eigene feudale Agenda von Eroberung und Tribut verfolgten”
>>Die kürzeste Geschichte Deutschlands von James Hawes (Buch) <<
“Im Jahr 1147 verkündeten der Papst und sein Vertrauter und Berater Bernhard von Clairvaux (der Heilige Bernhard) offiziell den Wendenkreuzzug. Die Kirche plante einen totalen Krieg: Die heidnischen Handlanger des Teufels sollten zum Christentum gezwungen werden (im Widerspruch zur üblichen Doktrin, wonach eine Bekehrung nur durch freien Willen möglich sei), und die Schlacht solle nicht enden, bis »entweder ihre Rituale oder ihre Nation selbst ausgelöscht sind«. Doch der Plan ging nicht auf. Die Heiden wehrten sich so heftig, dass die deutschen Kreuzritter anfingen, die oberflächlichsten Zeichen der Bekehrung, etwa auf den Zinnen belagerter Burgen hastig aufgestellte Kreuze, anzuerkennen. Die Beobachter des Papstes schickten erzürnte Berichte nach Rom, wonach die deutschen Fürsten lediglich ihre eigene feudale Agenda von Eroberung und Tribut verfolgten und sich den radikaleren Anweisungen der Kirche entzogen. Weit entfernt von dem harten Streich, den Bernhard sich vorgestellt hatte, zerfaserte die Eroberung Ostelbiens in eine Abfolge von Ad-hoc-Abmachungen mit lokalen Anführern.”
“Zerfaserte die Eroberung Ostelbiens in eine Abfolge von Ad-hoc-Abmachungen mit lokalen Anführern
Die Chronisten oder Hofschreiber von damals führten den Feldzug weniger mit dem Schwert, sondern vielmehr mit dem Federkiel als Schreibwerkzeug. Zahlreiche zeitgenössische Berichte aus jener Epoche wurden unkritisch von Historikern übernommen und weitergegeben. Es scheint, dass es damals weniger um religiöse Fragen ging, sondern vielmehr um materielle Begehrlichkeiten.
“Erhielten die Junker Teile des eroberten Gebiets – samt Verfügungsgewalt über die Menschen, die dort lebten”
>>Die Welt des Adels von Bettina Musall & Eva-Maria Schnurr (Buch) <<
“Die Zeit der Junker begann im Mittelalter, als Ordensritter und Fürsten die heidnischen Slawen in Osteuropa unterwarfen. Mit den Heerführern zogen besitzlose Söhne aus deutschen Adelsfamilien nach Osten: Sie wurden als »Juncherre« (junger Herr) bezeichnet, woraus sich später das Wort Junker ableitete. Zum Dank erhielten die Junker Teile des eroberten Gebiets – samt Verfügungsgewalt über die Menschen, die dort lebten. So bestand ein ostelbisches Gut aus zwei Bereichen: den vom Junker selbst bewirtschafteten Äckern und jenen Feldern, die seine Untertanen pflügten. Dafür, dass die Bauern das Land nutzen durften, schuldeten sie dem Junker Frondienste: Sie mussten etwa Botengänge erledigen, Straßen bauen oder die Äcker des Gutsherrn abernten.”
“Gut aus zwei Bereichen: den vom Junker selbst bewirtschafteten Äckern und jenen Feldern, die seine Untertanen pflügten”
Die langjährigen Bemühungen der Missionare über mehrere Jahrhunderte, die heidnischen Slawen zu christianisieren, hatten das politische Ziel der Unterwerfung und der Einführung deutscher Bräuche in das eroberte Land. Wo einst heidnische Kultstätten standen, wurden von christlichen Missionaren Kapellen und Kirchen errichtet. Durch die Platzierung an den gewohnten heiligen Orten sollten die neuen christlichen Lehren leichter Akzeptanz im heidnischen Volksglauben finden. Einer dieser heiligen Orte ist die Stelle, an der heute noch die Kirche in Berg steht.
“Heidnischen Slawen zu christianisieren” – “Hatten den politischen Zweck der Unterwerfung und der Einführung deutschen Brauchtums in das eroberte Land”
“Die mehrere hundert Jahre währenden Versuche der Missionare, die heidnischen Slawen zu christianisieren, hatten den politischen Zweck der Unterwerfung und der Einführung deutschen Brauchtums in das eroberte Land. Wo einst die heidnischen Religionsplätze sich befanden, legten christliche Missionare den Grundstein zu Kapellen und Kirchen. An der gewohnten Heiligkeit des Ortes sollte die neue christliche Lehre in den heidnischen Volksglauben leichter Eingang fanden. Einer dieser heiligen Orte war die Stelle an der sich heute noch die Kirche in Berg befindet.”
“Wo einst die heidnischen Religionsplätze sich befanden, legten christliche Missionare den Grundstein zu Kapellen und Kirchen”
Dennoch bleibt die Frage nach dem Zweck des robusten Opferbeckens unbeantwortet. Es gibt zahlreiche Beispiele, die noch heute im historischen Siedlungsgebiet der Sorben zu finden sind.
“Vertiefungen im Felsgestein zu erkennen, die vermutlich als Opferbecken genutzt wurden”
>>Die Fährte des Lichts von Ralf Herold (Buch) <<
“Der Hauptwall ist etwa 500 Meter lang und sechs Meter hoch. Er gehört zu den vorgeschichtlichen Wallanlagen und Kultplätzen, mit denen der Zugang zum Bodetal gesichert wurde. Auch auf der gegenüberliegenden Seite des Bodetals, am Hexentanzplatz, befindet sich eine vergleichbare Anlage: der Sachsenwall. Das Hochplateau der Rosstrappe war leicht zu schützen; es kann nur aus westlicher Richtung erreicht werden, alle anderen Seiten fallen über 200 Meter steil ab. An der nordöstlichen Seite erhob sich eine 80 Meter lange Toranlage; damit gehört die Winzenburg zu den größten uns bekannten Befestigungsanlagen der Vorzeit. Sie wurde seit Beginn der Bronzezeit vor etwa 4500 Jahren bis ins Mittelalter genutzt. Hoch über dem Tal, wo sich heute der Aussichtspunkt befindet, sind Vertiefungen im Felsgestein zu erkennen, die vermutlich als Opferbecken genutzt wurden. Auch noch nach der Christianisierung verehrten die Bewohner des Harzes hier ihre alten Götter. Ein kleiner, aber feiner Rundwanderweg führt zu den noch erkennbaren Stellen der Winzenburg.”
“Taufstein” – “Dieser Granitstein fällt auf durch seine ungewöhnliche Form und regt seit Jahrhunderten die Menschen zu Phantasien an”
“Dieser Granitstein fällt auf durch seine ungewöhnliche Form und regt seit Jahrhunderten die Menschen zu Phantasien an. Mit einiger Sicherheit ist er durch die Einwirkung von Naturgewalten entstanden. Es ist aber auch nicht undenkbar, daß Menschen die vorgegebenen Formen des Steines zu ihren Zwecken genutzt haben. Ähnliche Steine findet man u.a. im Pfarrholz des Nachbarortes Hirschfeld. Das sich in den Vertiefungen ansammelnde Niederschlagswasser mag den Name “Taufstein” hervorgerufen haben. Zur Sommerzeit findet alljährlich ein Waldgottesdienst statt, der sich immer größerer Beliebtheit erfreut.”
“Das sich in den Vertiefungen ansammelnde Niederschlagswasser mag den Name “Taufstein” hervorgerufen haben”
Der Begriff “Taufstein” könnte also sehr wohl eine spezielle Bedeutung haben. Bei den Sorben wird bis heute ein Art von heidnischem Taufritual praktiziert, das von jungen Frauen und nicht von Geistlichen durchgeführt wird. Dabei handelt es sich um heiliges Wasser, das eine bestimmte Reinheit aufweisen muss.
„Osterwasser diente zu Heilzwecken bei Menschen und Tieren“
„Das Osterwasser diente zu Heilzwecken bei Menschen und Tieren. So wurde das Vieh mit Osterwasser besprengt, damit Krankheiten fern gehalten werden. Aber auch der Glaube an Reinheit und Schönheit durch das Wasser trieb die Mädchen des Nachts raus an das Wasser. Hals und Gesicht wurden mit dem Wasser gewaschen, denn das Osterwasser verlieh der Trägerin Schönheit und Frische für ein ganzes Jahr. Damit das gesamte Jahr dieses Heilwasser zur Verfügung stand, wurde der Tonkrug mit dem Osterwasser im kalten Keller aufbewahrt.“
„Glaube an Reinheit und Schönheit durch das Wasser trieb die Mädchen des Nachts raus“
Bis heute werden kontroverse zeitgenössische Berichte oft ungeprüft übernommen, während die Forschung zur Frühgeschichte der Sorben weitgehend vernachlässigt wird. Zudem zeigt die deutsche Geschichtsschreibung über die Jahrhunderte deutlich, dass ein Perspektivenwechsel hin zur Sorbischen Sichtweise dringend erforderlich ist.