Staatsverschuldung: “Aber woher kam nun eigentlich das ganze Geld?” – Vom Sondervermögen zum Haushaltnotstand & Staatskrise?

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Vom Sondervermögen zum Schattenhaushalt und Haushaltnotstand? Anders ausgedrückt: Wie verschuldet ist eigentlich ein Staat und kann dieser Pleite machen? Tatsächlich deuten einige Indizien in diese Richtung hin. Schon mal etwas von einer Haushaltssperre oder einer Zwangsverwaltung einer Gemeinde gehört?

“Zwangsverwaltung einer Gemeinde” – “Der die als „Schuldendorf“ bekannte 1050-Seelen-Gemeinde”

>>Neues Deutschland<<

“Zwangsverwaltung einer Gemeinde – Landrat … setzte mit sofortiger Wirkung den freischaffenden Verwaltungsexperten … als amtierenden Bürgermeister ein, der die als „Schuldendorf“ bekannte 1050-Seelen-Gemeinde auch im Amtsausschuß bis zu Neuwahlen vertreten wird. … Wie der Justitiar der Beiziger Kreisverwaltung, … mitteilte, handelt es sich um den „massivsten Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung“ Deshalb habe … solange gezögert, obwohl auf der Gemeinde 16,5 Millionen Mark Schulden lasten.”

„Landkreis Görlitz verhängt Haushaltssperre“ – Soll so der Eigenanteil für ominöse Fördergelder aufgebracht werden?

>>Süddeutsche Zeitung<<

„Landkreis Görlitz verhängt Haushaltssperre – Mit der Haushaltssperre will der Kreis das Defizit verringern.“

„Mit der Haushaltssperre will der Kreis das Defizit verringern“ – Stehen sogar Landkreise vor den finanziellen Kollaps?

Durch das föderale System sind sowohl die staatlichen Aufgaben, als auch die Einnahmen auf Gemeinden, Landkreise, Länder und Bund verteilt. Um die Sache noch komplizierter zu machen: Neben “offiziellen Haushalten” gibt es zusätzlich noch “Sondervermögen” oder man könnte auch “Schattenhaushalte” sagen.

“Aber woher kam nun eigentlich das ganze Geld?” – “Schattenhaushalt beziehungsweise »Sonderfonds« SoFFin”

>>Wer regiert das Geld? von Paul Schreyer (Buch) <<

“Aber woher kam nun eigentlich das ganze Geld? Wie gelangte der Staat an die Milliarden für seinen neuen Schattenhaushalt beziehungsweise »Sonderfonds« SoFFin? Eine direkte Anfrage an den Fonds im Rahmen der Recherchen für dieses Buch erbrachte folgende Antwort: »Die Finanzierung des SoFFin erfolgt über Fremdkapital, welches von der ›Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH‹ bereitgestellt wird.« Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH? Wie bitte? Hinter dem kuriosen Namen steckt, so zeigt ein Blick auf deren Webseite, die ehemalige amtliche »Bundesschuldenverwaltung«. Zu Zeiten der Regierung Schröder hatte man im Jahr 2000 beschlossen, es sei effizienter, das Management der Staatsschulden in die Hände einer GmbH zu legen, wo Banker und Wertpapierhändler ohne Verbeamtung die benötigten Kredite für das Land organisierten. Einziger Gesellschafter der in der Bankenhauptstadt Frankfurt am Main sitzenden Behörde ist aber weiterhin der Bund, vertreten durch das Finanzministerium. Das heißt, wenn die Bundesregierung beschließt, neue Schulden zu machen, dann ergeht ein Auftrag an die »Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH«, dieses Geld bei vermögenden Kreditgebern zu besorgen.”

“Bundesregierung beschließt, neue Schulden zu machen, dann ergeht ein Auftrag an die »Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH”

Diese parallelen Strukturen stellen keine wirklich neue Erfindung dar. Vielmehr ist auf diese Weise das gesamte staatliche Gefüge entstanden, welches später den Namen “Deutschland” erhalten sollte. Bereits im 19. Jahrhundert hat Otto von Bismarck mit den sogenannten “Welfenfonds” angefangen.

“Beschlagnahmt die preußische Regierung das Privatvermögen des 1866 entthronten Königs und schafft daraus einen geheimen Schattenhaushalt”

>>Der Bruderkrieg: Deutsche und Franzosen 1870/71 von Hermann Pölking-Eiken & Linn Sackarnd (Buch) <<

“Preußen annektiert das Königreich und macht aus ihm die »Provinz Hannover«. Der hannoversche König Georg V. geht ins österreichische Exil. … Er beginnt, aus seinen Exilorten Gmunden in Österreich und Paris Widerstand gegen die Annexion zu mobilisieren. Im Elsass versammelt sich eine sogenannte »Welfenlegion« von ca. 700 Getreuen, die die Wiedereinsetzung des Monarchen auf den Thron militärisch erzwingen will. Aus Finanznot muss Georg V. diese Exilarmee im Februar 1870 auflösen. Wegen der Unterstützung dieser Exilarmee beschlagnahmt die preußische Regierung das Privatvermögen des 1866 entthronten Königs und schafft daraus einen geheimen Schattenhaushalt, den »Welfenfonds«. Einen Teil der Zinsen des Welfenfonds verwendet Otto von Bismarck zur Bekämpfung der welfenfreundlichen Partei und zur Beeinflussung der Presse. Mit Geld aus der geheimen Kasse wird Bismarck sich im Prozess der Reichsgründung 1870/71 die Zustimmung Bayerns erkaufen.”

“Zinsen des Welfenfonds verwendet Otto von Bismarck zur Bekämpfung der welfenfreundlichen Partei und zur Beeinflussung der Presse”

Trotz dieses Wissens der undurchsichtigen Finanzmethoden bleibt die Frage offen im Raum stehen: Kann ein Staat – wie eine Privatperson oder Firma – pleite gehen? Auch hier kann die Geschichte helfen.

“Kaiserreich Österreich, damals eine europäische Großmacht, ging 1811 pleite, Dänemark 1813 und Russland 1918”

>>Abgebrannt Unsere Zukunft nach dem Schulden-Kollaps von Hanno Beck & Aloys Prinz (Buch) <<

“Griechenland, das 2009 Europa mit seinen Schuldenproblemen an den Abgrund drängte, verbrachte seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1830 etwa die Hälfte der Zeit in Staatsbankrotten – für unseren Kontinent ein Spitzenwert. Auch in anderen europäischen Ländern finden wir Staatspleiten: Frankreich meldete im Anschluss an die Revolution von 1789 Staatsbankrott an, das Kaiserreich Österreich, damals eine europäische Großmacht, ging 1811 pleite, Dänemark 1813 und Russland 1918. Auch Deutschland zahlte zweimal seine Schulden nicht zurück, in den Jahren 1923 und 1948 meldete der deutsche Adler de facto Bankrott an. Was die Zahl der Bankrotte seit 1800 angeht, so liegt Spanien mit acht Pleiten in Führung, dicht gefolgt von Deutschland mit sieben Bankrotten sowie Österreich und Ungarn (beide einschließlich Österreich-Ungarns) ebenfalls mit je sieben Staatspleiten. Kurzum: Zu allen Zeiten haben Staaten über ihre Verhältnisse gelebt und ihren Gläubigern genommen, was ihnen gehörte.”

“Griechenland, das 2009 Europa mit seinen Schuldenproblemen an den Abgrund drängte”

Im vermeintlich modernen Europa legt eine Mitglied der Eurozone eine faktische Pleite hin. Der Staat hatte – zeitweise – faktisch unter Zwangsverwaltung gestanden. Die “griechische Tragöde” könnte eigentlich als Werkruf gelten, aber es ist seither kaum etwas geschehen. Auch hierzulande kann keine Körperschaft des Öffentlichen Rechts ein – geordnetes – Insolvenzverfahren hinlegen. Völlig unabhängig wie der Schuldenstand aussieht. Auch ziehen es staatliche Akteure vor, ihre eigenen Bilanzregeln auf sich selbst nicht anwenden zu wollen. – Vermutlich keinesfalls grundlos: Denn der Kreditaufnahme sind vom Grundgesetz her strenge Regeln auferlegt worden.

“Staatliche Ausgabenpolitik sollte Konjunkturausschläge nach oben oder unten abfedern”

>>Schulden ohne Sühne? von Kai A. Konrad & Holger Zschäpitz (Buch) <<

“Staatliche Ausgabenpolitik sollte Konjunkturausschläge nach oben oder unten abfedern. So sollte den als Schwankungen um den Wachstumspfad verstandenen Konjunkturausschlägen die Spitze genommen werden. Außerdem erhielt der Bund in Artikel 115 mehr Spielraum für die Kreditaufnahme. Kreditaufnahme wurde losgelöst von spezifischen wirtschaftlichen Einzelaktivitäten des Staats. Kredite sind einfach bis zur Höhe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen erlaubt. Die Summe der Investitionen ergab sich dabei als Gesamtsumme bestimmter Ausgabenkategorien. Zur »Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts« konnte der Staat diese Grenze überschreiten. Außerdem konnte der Bund per Gesetz sogenannte Sondervermögen schaffen, die eine noch weniger reglementierte Spielwiese der Haushaltspolitik bilden.”

“Zur »Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts« konnte der Staat diese Grenze überschreiten”

In Wirklichkeit dürften sich weite Teile aller Neuschulden auf tönernen-rechtlichen Füßen stehen. Zumal viele Verbindlichkeiten nirgendwo auftauchen, was alleine die Pensionslasten anschaulich zeigen.

“Personalbestand der Gemeinden” – “Seit 1960 hat sich ihre Zahl damit um rund 67 Prozent vergrößert”

>>Die Pensionslüge von Christoph Birnbaum (Buch) <<

“Der Personalbestand der Gemeinden nahm von 1950 bis 1987 kontinuierlich zu, wobei sich der Anstieg nach 1982 deutlich abflachte. Nur die Kommunen in den alten Bundesländern erweiterten ihren Personalbestand auch über das Jahr 1987 hinaus in nennenswertem Umfang. Insgesamt waren 2007 bei ihnen 177 700 Beamte beschäftigt. Seit 1960 hat sich ihre Zahl damit um rund 67 Prozent vergrößert. Heute droht deshalb auch vielen deutschen Städten akute Finanznot. … Mancher mag das nicht glauben wollen. … So stehen mittlerweile in fast allen Bundesländern zahlreiche Städte und Gemeinden unter öffentlicher Zwangsverwaltung oder sind kurz davor, einen »Sparkommissar« des Landes vor die Nase gesetzt zu bekommen, weil sie seit Jahrzehnten mehr ausgeben, als sie an Steuern einnehmen.”

“Sparkommissar” – “So stehen mittlerweile in fast allen Bundesländern zahlreiche Städte und Gemeinden unter öffentlicher Zwangsverwaltung”

Die Zahl der Beamten ist zwischenzeitlich nochmal gestiegen. Üblicherweise werden die Pensionen – die Renten der Beamte – aus laufenden Steuereinnahmen beglichen. Wirklich seriöse Zahlen sind nirgendwo zu finden. Normalerweise hätten diese Forderungen als Verbindlichkeiten auftauchen und in die Staatsverschuldung miteinfließen müssen. Nichts davon ist geschehen. Bei Dax-Konzernen werden diese Pensionsverpflichtungen öffentlich genannt und können sich auf dem Unternehmenswert auswirken. Natürlich bleiben diese finanziellen Risiken bei der Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit unberücksichtigt.

“ESM, die seit 2014 nicht mehr dem ordentlichen Bundeshaushalt zugerechnet, sondern außerbilanziell in einem Schattenhaushalt geführt”

>>Die Schuldenlawine von Bert Flossbach & Philipp Vorndran (Buch) <<

“So lag das deutsche Haushaltsdefizit zuletzt nur bei 2 % des Sozialprodukts. Allerdings ohne die Einzahlungen in den Eurorettungsschirm ESM, die seit 2014 nicht mehr dem ordentlichen Bundeshaushalt zugerechnet, sondern außerbilanziell in einem Schattenhaushalt geführt werden. Steigende Lohnsteuereinnahmen spielten dabei eine wichtige Rolle. Die kalte Progression hatte nämlich dazu geführt, dass durch die hohe Inflation inzwischen schon ein lediger Durchschnittsverdiener fast den Spitzensteuersatz von 50 % plus 2 % Euro-Soli zahlen muss.”

Kalte Progression: Inflation & und die steigenden Lohnsteuereinnahmen

Die hohe Staatsverschuldung muss zwangsläufig zu Inflation führen und diese wirkt sich auf die Einnahmeseite des Staates aus: Da Geld weniger Kaufkraft besitzt, sind formal aller “Reicher” geworden und müssen somit mehr Steuern bezahlen. Das wenig erfreuliche Zusammenspiel aus Staatsverschuldung, Inflation und höhere Steuerlast kann eine ganze Weile noch so weiter gehen: Aber am Ende könnte eine Staatsschuldenkriese wie im Griechenland im Jahre 2009 stehen.