Soziale Innovation ist unverzichtbar – aber sie ist keine Einbahnstraße
“Soziale Innovationen, die den Alltag von Menschen verbessern, rückt das neue EFI-Gutachten zwar mehr ins Zentrum, sie bleiben aber zu unbestimmt und werden einseitig aus technisch-technologischer Sicht gedacht. Soziale Innovationen sind keine Einbahnstraße – sie müssen aus gesellschaftlichen Bedarfen abgeleitet werden und ebenso besseres Verwaltungs- und Regierungshandeln über alle gesellschaftlichen Bereiche ermöglichen”, erklärt Petra Sitte, Fraktion DIE LINKE, Sprecherin für Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik, mit Blick auf das aktuelle Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI).
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Von Petra Sitte
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Sitte weiter:
“Mehr Investitionen in Forschung und Innovationen können Probleme ebenso lösen wie neue hervorbringen. Sozioökonomische, ökologische und gesellschaftliche Folgeabschätzungen sind zu stärken. Damit muss eine Evaluation der zersplitterten Förderlandschaft einhergehen. Das muss die geplante Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) flankieren, sonst entsteht eine Parallelstruktur, die droht, an Bedarfen von Hochschulen für angewandte Forschung vorbeizugehen. Hier teilen wir die Kritik der Kommission.
Anstelle immer neuer Strategien, Agenturen und Gremien müssen grundsätzliche Probleme des Wissenschaftssystems gelöst werden: Unterfinanzierung, fehlende verlässliche Perspektiven für Personal, gravierende Mängel bei der Digitalisierung und Sanierungsstau im Bildungs- und Wissenschaftssystem.
In den Schwerpunkten erkennt die Kommission den längst bekannten digitalen Rückstand Deutschlands und den Mangel an klar definierten Ressortzuständigkeiten im Digitalbereich unter der neuen Bundesregierung. Die Forderung nach einer Stärkung der Cybersicherheit ist richtig, hier müsste es aber einen Fokus auf Stärkung ziviler Sicherheit unter anderem durch Open-Source-Technologien geben.
Bei der Analyse des Mobilitätssektors verkennt die Kommission, dass für das Ziel geringerer Emissionen die private und individuelle Mobilität reduziert werden muss. Insofern müssen der Schienen- und Personenfernverkehr sowie der öffentliche Personennahverkehr verlässlich und erschwinglich ausgebaut werden. Es bedarf dazu breit angelegter und verzahnter Mobilitätskonzepte. Vorgeschlagene alternative Kraftstoffe bergen Risiken von Rebound-Effekten. Schließlich kann man auch mit umgerüsteten und elektronisch betriebenen Fahrzeugen im Stau stehen und Straßen verstopfen. Das begrenzt unnötig Räume für Radler und Fußgänger und ändert nichts an der Versiegelung von Landschaft.
So sehr Innovationen im Gesundheitssektor neue Wege öffnen, so gilt wie in allen sozialen Sektoren: Technologien ersetzen keine Menschen (das gilt auch für die Bildung). Die fehlende Akzeptanz von Telemedizin insbesondere bei älteren Menschen muss ernst genommen werden. Fragwürdig ist die Bevorzugung von Start-Ups und KMUs beim Zugang zu hochsensiblen und schützenswerten personenbezogenen Gesundheitsdaten.
Bei allen Erleichterungen für Start-Ups sollte nicht übersehen werden, dass auch bereits bestehende innovative kleine und mittelständische Unternehmen vor allem in strukturschwachen Regionen und Ostdeutschland unkomplizierter Fördermaßnahmen bedürfen. Anstelle von immer wieder neuen Agenturen müssen bereits vorhandene, erfolgreich laufende und deshalb gestärkte Förderinstrumente genutzt werden. Exzellenzinitiativen gehen an Erfordernissen strukturschwacher Gebiete vorbei.
Nicht zuletzt sollte sich die Expertenkommission in einem der nächsten Gutachten kritisch mit dem Fortschrittsbegriff und dem Wohlfahrtsstaatskonzept der Bundesregierung bei der Bewältigung des Klimawandels auseinandersetzen. Im Kern geht es um das Verhältnis von Politik und Wirtschaft. Wo muss systemisch angesetzt, wo privates Konsumverhalten geändert werden. Welche Kriterien müssen entwickelt, welche Anforderungen erfüllt und welche Mittel genutzt werden, um die großen gesellschaftlichen Herausforderungen und die sozialökologische Transformation zu meistern.”