“Neutralitätsgebot des Staates” – “Der Rundfunkbeitrag ist eine verfassungswidrige Sonderabgabe”

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Demokratische Wahlen und Neutralitätspflicht des Staates und der Prozess der Meinungsbildung: Eine wesentliche Grundlage für das Funktionieren einer Demokratie sind freie und faire Wahlen. In einem solchen politischen System ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Staat eine Neutralitätspflicht wahrnimmt.Fraglich erscheint jedoch: Inwieweit dies in der Praxis geschieht?

„Beim Militär ist das Haltungannehmen in erster Linie eine Disziplinierungsmaßnahme“

>>Haltung zeigen! von Anja Reschke (Buch) <<

„Beim Militär ist das Haltungannehmen in erster Linie eine Disziplinierungsmaßnahme. Damit erweist man dem Vorgesetzten Respekt, der dann freundlicherweise sagen kann: «Stehen Sie bequem.» Wie man strammzustehen hat, ist in den jeweiligen Militärordnungen genauestens geregelt. Meistens heißt es: Füße im 60-Grad-Winkel, mit den Hacken aneinander, Gewicht auf beiden Füßen, Schultern zurück, Brustkorb vorgewölbt, Kopf aufrecht, Augen geradeaus. Daran hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht viel geändert. Es ist im Prinzip immer noch so, wie es schon in der Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift vom 20. Dezember 1924 zu lesen war: «Der Mann soll gestreckt, stolz, selbstbewusst, soldatisch strammstehen. (…) Die 1919 erlassenen Direktiven für die Ausbildung in den Rekrutenschulen verlangen für die Grundstellung, entsprechend ihrem Wesen als Drillbewegung: augenblickliche, genaue und gleichmäßige Ausführung unter Anspannung aller Kräfte; ferner Straffheit der Ausführung, absolute Hingabe des Mannes mit seinen ganzen Willens- und Körperkräften.» Immer schon also geht es um Stärke, aber auch um Hingabe. Und es geht darum, eine bestimmte Position einzunehmen.“

Journalismus: „Ausführung unter Anspannung aller Kräfte“

Es handelt sich bei der Protagonistin um eine herausragende Gestalt des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Das eigene Selbstverständnis dürfte wohl kaum Raum für Zweifel lassen. Mit der Neutralitätspflicht des Staates im Meinungsbildungsprozess hat nicht mehr viel gemein. Die Neutralitätspflicht des Staates erstreckt sich nicht nur auf den eigentlichen Wahlablauf selbst, sondern auch auf die Vorstufen wie beispielsweise den Prozess der Meinungsbildung.

“Demokratische Legitimation im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG vermögen Wahlen und Abstimmungen aber nur zu vermitteln, wenn sie frei sind”

>>Meinungsunfreiheit von Wolfgang Kubicki (Buch) <<

“Im Juni 2020 wies das Bundesverfassungsgericht Bundesinnenminister Horst Seehofer von der CSU in die Schranken. Seehofer hatte auf der Internetpräsenz seines Ministeriums ein Interview veröffentlicht, in dem er hart gegen die AfD austeilte und deren Gebaren unter anderem als »staatszersetzend« bezeichnete. Die Karlsruher Richter kamen in einem lesenswerten Urteil zum Schluss, dass Seehofer seine Neutralitätspflicht verletzt und unzulässig in das Recht der AfD auf chancengleiche Teilnahme am politischen Wettbewerb eingegriffen habe: Demokratische Legitimation im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG vermögen Wahlen und Abstimmungen aber nur zu vermitteln, wenn sie frei sind. Dies setzt nicht nur voraus, dass der Akt der Stimmabgabe frei von Zwang und unzulässigem Druck bleibt, sondern, auch, dass die Wähler­innen und Wähler ihr Urteil in einem freien und offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen und fällen können.”

“Wähler ihr Urteil in einem freien und offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen und fällen können”

Dies bedeutet, dass der Staat im Wahlprozess keine Partei ergreift oder bestimmte Interessen bevorzugt behandeln darf. Denn gerade hier liegt ein zentraler Aspekt chancengleicher Teilnahme am politischen Wettbewerb. Der Staat sollte dafür sorgen, dass alle Bürgerinnen und Bürger in ihrer individuellen Freiheit ihre Ansichten äußern können – sei es durch Rede – oder Pressefreiheit sowie andere Formen öffentlicher Kommunikation -, ohne dabei benachteiligt zu werden. Dadurch wird gewährleistet, dass jeder Mensch gleiche Möglichkeiten hat seine Standpunkte darlegen zu können und so an dem Prozess zur Bildung seiner eigenen Meinungen teilzuhaben. Diese Neutalitätsverpflichting geht Hand in Hand mit Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetztes. Insbesondere der Aufbau der Finanzierung lässt hierbei erhebliche Zweifel aufkommen.

“Steuerrechtswissenschaft kaum akzeptabel, da sie sich nicht in die vom BVerfG selbst entwickelte Systematik des Abgabenrechts einfügt”

>>Universität Kassel<<

“Die Entscheidung des BVerfG hat den politischen Streit um die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beruhigen können; sie ist aber für die Steuerrechtswissenschaft kaum akzeptabel, da sie sich nicht in die vom BVerfG selbst entwickelte Systematik des Abgabenrechts einfügt. Das BVerfG kam zu dem Ergebnis, dass der Rundfunkbeitrag ein verfassungsgemäßer Beitrag im Gesetzgebungskompetenzbereich der Länder sei. Für eine solche Einordnung des Rundfunkbeitrags als Beitrag fehlt es allerdings an der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Gegenleistung im abgabenrechtlichen Sinne durch die Beitragspflichtigen i. S. d. § 2 und § 5 RBStV und damit an der Unterscheidbarkeit vom Allgemeinnutzen, welche den Vorzugslasten in Abgrenzung von den Steuern wesensimmanent ist; insofern ist auch eine Subsumtion unter dem verfassungsrechtlichen Gebührenbegriff ausgeschlossen. Eine Einordnung des Rundfunkbeitrags als Steuer ist aufgrund des fehlenden Zuflusses des Abgabenaufkommens zu einer Gebietskörperschaft i. S. d. Art. 106 GG in Form einer Einflussnahme auf die Abgabenverwendung insgesamt auszuschließen. Es verbleibt lediglich der Auffangtatbestand der Sonderabgabe im Bereich der Gesetzgebungskompetenz der Länder. Allerdings wird der Rundfunkbeitrag nicht von einer homogenen Gruppe erhoben, weshalb dieser den materiellrechtlichen Voraussetzungen der Sonderabgabe nicht gerecht wird. Der Rundfunkbeitrag ist eine verfassungswidrige Sonderabgabe.”

“Der Rundfunkbeitrag ist eine verfassungswidrige Sonderabgabe”

Damit nicht genug: Auch andere wissenschaftliche Ausarbeitung werfen erhebliche Zweifel an der Notwendigkeit einer GEZ-Gebühr oder Rundfunkgebühr auf.

“Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium” – “Gutachten zum Thema „Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finanzierung“ erarbeitet”

>>Focus<<

“Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium hatte 2014 ein Gutachten zum Thema „Öffentlich-rechtliche Medien – Aufgabe und Finanzierung“ erarbeitet. Sein Fazit: Die GEZ-Gebühr gehört abgeschafft.”

“Die GEZ-Gebühr gehört abgeschafft”

Mit dieser Einschätzung stehen sie mitnichten alleine da.

Finanzierung des Rundfunks: “Daher ist ausschließlich die Steuer das verfassungsrechtlich zulässige Finanzierungsinstrument”

>>Universität Kassel<<

“Letztendlich ist die Sicherung der freien Meinungsbildung und -äußerung über das Medium Rundfunk in Gestalt der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein essentielles, im Interesse der Allgemeinheit liegendes Gut und keine Sonderlast. Daher ist ausschließlich die Steuer das verfassungsrechtlich zulässige Finanzierungsinstrument.”

“Haltung zeigen!” versus Neutralitätspflicht

Bei gängigen Gerichtsverfahren wird immer damit sich mit Argumentationskette herausgeredet, dass die Gebühr nicht der Staat selbst erhebt: Aber streng genommen ist diese Tatsache unerheblich, weil der Staat die gesetzlichen Grundlagen zur Erhebung geschaffen hat, womit eine institutionalisierte Abhängigkeit geschaffen worden sei. Niemand kann sich der Rundfunkgebühr entziehen. Und das Buch Haltung zeigen! von Anja Reschke zeigt die ganze Absurdität der vermeintlich staatsfernen Argumentationskette auf.

“Aus Art. 4 GG folgt auch das Neutralitätsgebot des Staates”

>>Einspruch! von Rainer Thesen (Buch) <<

“Aus Art. 4 GG folgt auch das Neutralitätsgebot des Staates. Gemeint ist damit, daß die Rechtsordnung nicht einen bestimmten religiösen oder anti-religiösen Standpunkt für alle Menschen ihres Geltungsbereichs verpflichtend vorschreiben darf. Daraus folgt das Gebot der Trennung von Staat und Kirche.”

“Daraus folgt das Gebot der Trennung von Staat und Kirche”

Damit aber nicht genug: Die Rundfunkgebühr und damit verbundenen Rundfunkanstalten untergrabenen am Ende damit das Prinzip der gleichen und freien Wahlen. Denn die staatliche Neutralitätspflicht sollte dafür sorgen, dass die Wahlergebnisse aus freien Abstimmungsverhalten resultieren. Um dies umsetzen kann jedoch diese Verantwortlichkeit vom Staat selbst gesteuert sein müssen, indem man ganau darauf achtet, dass die Wahlen und Abstimmungen in einem fairen Umfeld stattfinden. Nur so kann das Vertrauen der Bürger in den demokratischen Prozess aufrechterhalten werden. Insgesamt ist es von großer Bedeutung, dass der Staat seine Neutralitätspflicht bei demokratischen Wahlen gewissenhaft wahrnimmt. Nur wenn alle Menschen gleichberechtigt am politischen Diskurs teilnehmen können und ihre Meinungen frei äußern dürfen, erhalten wir eine Demokratie, deren Legitimität unbestritten ist.