“Nach dem Bildersturm der Avantgarden das Neue bald selbst zur Konvention wird”
Bildersturm und Zensur – Der Bildersturm ist eine Form der Zensur, bei der öffentliche Bilder entfernt oder zensiert werden. Die Motivation hinter diesen Aktionen kann unterschiedlich sein, von der Beseitigung religiöser Symbole bis hin zur Aufrechterhaltung bestimmter sozialer Normen. Meist hängt es aber mit wechselnden Machtstrukturen oder anderen Ideologien zusammen.
“Nach dem Bildersturm der Avantgarden das Neue bald selbst zur Konvention wird”
>>Amerikanische Literaturgeschichte von Hubert Zapf (Buch) <<
“Das heißt, sie beziehen ihre schöpferische Energie aus dem Versuch, die ebenso bedrohliche wie erregende Erfahrung der Modernität durch die innovative Transformation des Genres sprachlich und formal zu meistern. (Wobei ›Meisterschaft‹ zum Aspekt einer Ästhetik wird, die den Antikunst-Bestrebungen der Avantgarde geradezu entgegenläuft.) Die Romane von Joyce, Döblin, Dos Passos, Musil, Faulkn er, die Langgedichte von St. John Perse, Eliot, Pound, Crane oder Williams stehen in der Kontinuität von Genrekonventionen, auch wenn sie diese Konventionen zu sprengen oder aufzulösen scheinen. Diese Balance zwischen Experiment und Tradition, Ordnung und Offenheit hängt wohl auch damit zusammen, dass nach dem Bildersturm der Avantgarden das Neue bald selbst zur Konvention wird.”
“Nach dem Bildersturm der Avantgarden das Neue bald selbst zur Konvention wird”
Das Phänomen des Bildersturms ist nicht neu. Seit jeher haben Regierungen versucht, bestimmte Inhalte durch die Entfernung von Bildern aus dem öffentlichen Raum auszuschließen oder deren Aufbau zu verhindern.
“Hasskampagne und in einem im Jahr 1953 kulminierenden Bildersturm sah Masaryk sich von den Sockeln aller bestehenden Denkmäler im Land in den Staub gestürzt”
>>Dimensionen der Mittäterschaft von Klaus Kellmann (Buch) <<
“Tomáš Garrigue Masaryk blieb in der Bevölkerung nach wie vor so verehrt, dass 1945 die bereits 1937 begonnenen Pläne für ein Denkmal in Prag wiederaufgenommen wurden. 1947 stand der Sockel, aber mehr ist nach der kommunistischen Machtübernahme 1948 nicht hinzugekommen. Im Gegenteil, in einer Hasskampagne und in einem im Jahr 1953 kulminierenden Bildersturm sah Masaryk sich von den Sockeln aller bestehenden Denkmäler im Land in den Staub gestürzt. Nichts sollte mehr an ihn, die Erste Republik und das demokratische System erinnern. In einem Geschichtslehrbuch des Jahres 1970 wird er nur noch mit einem einzigen Satz erwähnt.”
“Nichts sollte mehr an ihn, die Erste Republik und das demokratische System erinnern”
Bisweilen wird der Bildersturm ins finstere Mittelalter verortet oder auf religiöse Dogmen angewendet. Vieles spielte sich aber in der modernen Geschichte ab.
“Die Erde selbst ist bekanntlich ein Trümmerhaufen vergangener Zukunft”
>>Verzeichnis einiger Verluste von Judith Schalansky (Buch) <<
“Die Erde selbst ist bekanntlich ein Trümmerhaufen vergangener Zukunft, und die Menschheit die bunt zusammengewürfelte, sich streitende Erbengemeinschaft einer numinosen Vorzeit, die fortwährend angeeignet und umgestaltet, verworfen und zerstört, ignoriert und verdrängt werden muss, so dass entgegen landläufiger Annahme nicht die Zukunft, sondern die Vergangenheit den wahren Möglichkeitsraum darstellt. Gerade deshalb gehört ihre Umdeutung zu den ersten Amtshandlungen neuer Herrschaftssysteme. Wer einmal wie ich den Bruch der Geschichte erlebt hat, den Bildersturm der Sieger, die Demontage der Denkmäler, dem fällt es nicht schwer, in jeder Zukunftsvision nichts anderes als eine zukünftige Vergangenheit zu erkennen, in der beispielsweise die Ruine des wiederaufgebauten Berliner Stadtschlosses einem Nachbau des Palasts der Republik wird weichen müssen.”
“Bildersturm der Sieger, die Demontage der Denkmäler, dem fällt es nicht schwer, in jeder Zukunftsvision nichts anderes als eine zukünftige Vergangenheit zu erkennen”
Die Beseitigung des Palastes der Republik ging nach der Wiedervereinigung recht schnell vonstatten. Als Begründung wurde eine Asbestbelastung angeführt, doch nach dieser Begründung hätten ganze Straßenzüge verschwinden müssen. Vermutlich wäre der Bildersturm der Architektur die bessere Erklärung gewesen. Nichts soll mehr an vergangene Epochen erinnern. Unabhängig was jeder einzelne Mensch über die ehemalige DDR denken mag, aber solch ein Gebäude hätte zumindest eine Diskussion angeregt. Bildersturm und Zensur ist eine Art des Eingriffs in die freie Meinungsäußerung und kann dazu führen, dass Menschen nicht offen mit ihren Ansichten sprechen können. Es kann auch dazu führen, dass Menschen bestimmte Inhalte nicht mehr sehen oder verstehen können.
“Da unsere Welt bestückt ist mit Zeugnissen dieser abstoßenden Gedankenwelten, gilt es zu einem großen Bildersturm anzusetzen”
>>Hypermoral Die neue Lust an der Empörung von Alexander Grau (Buch) <<
“Historische oder kulturelle Erklärungen interessieren das hypertrophe moralistische Bewusstsein naturgemäß nicht. Denn die moralistische Wahrheit ist zeitlos. Vergangene Epochen und ihre Menschenbilder sind daher nicht nur anders, sie sind verwerflich, also inhuman, rassistisch, sexistisch oder was auch immer. Das ist auf das Schärfste zu verurteilen. Mehr noch: Da unsere Welt bestückt ist mit Zeugnissen dieser abstoßenden Gedankenwelten, gilt es zu einem großen Bildersturm anzusetzen. Straßennamen, Skulpturen und Denkmäler zu Ehren von historischen Persönlichkeiten, die in ihrer Zeit nicht auf der Höhe des aktuellen pazifistischen, gendertheoretischen oder antirassistischen Diskurses waren, sind aus dem öffentlichen Raum zu entfernen und nur noch mit Warnhinweisen in Museen auszustellen. Literarische Werke werden entweder dem Vergessen anheim gegeben oder feinsinnig korrigiert. An den Universitäten fordern progressive Gemüter, Klassiker der Weltliteratur mit Warnhinweisen zu versehen, denn schließlich sei eine Figur wie Caliban Ausdruck eines kolonialistischen Rassismus. Und Kinderbüchern von Astrid Lindgren oder Otfried Preußler wird eine sprachliche Modernisierung empfohlen, da sie Wörter wie „Negerlein“ oder „Hottentottenhäuptling“ enthalten.”
“Literarische Werke werden entweder dem Vergessen anheim gegeben oder feinsinnig korrigiert”
Die Begründungen für Zensur oder Bildersturm weisen über die Jahrhunderte hinweg verblüffende Ähnlichkeiten auf. In manchen Fällen wird Zensur als notwendig angesehen, um Gewalt oder Unruhen einzudämmen oder um soziale Normen aufrechtzuerhalten. In anderen Fällen wird sie jedoch als Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung angesehen und kann daher als menschenrechtswidrig betrachtet werden. In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch die Technologie schnell weiterentwickelt und es gibt viele neue Wege, um Bilder zu entfernen oder zu zensieren.
“Kinderbüchern von Astrid Lindgren oder Otfried Preußler wird eine sprachliche Modernisierung empfohlen”
Es ist schwer vorherzusagen, welche Auswirkungen Bildersturm und Zensur haben wird und ob es langfristig wirksam sein wird. Was aber sicher ist: Diese Praktiken beeinträchtigen die persönliche Freiheit und verlangsamen den Fortschritt.